Derek, da bin ich mir ziemlich sicher, wird für „Leave“ bei der Brexit-Abstimmung gestimmt haben. Was mich so sicher macht? Nun ja, er lebt in einem Landesteil des (noch) Vereinigten Königreichs, in welchem die höchsten Zustimmungsquoten zu verzeichnen waren und er hantierte mit reichlich schrägen Zahlen, was den Ausländeranteil in Deutschland angeht. Eindeutig war, dass er Angst vor Überfremdung und Muslimen hat. Da ich persönlich so gar nichts gegen den Brexit habe (was auf hässlichen, egoistischen Gründen beruht, wie ich zugeben muss), sah ich keinen Grund weiter darauf einzugehen. Das lag auch an Andy, der in der Türe stand und wollte, das ich mal mit ihm komme. Da Andy der Chef war, war das auch ein willkommener Anlass, sich mit anderen Sachen zu beschäftigen und als ich dann zurückkam, war ich mit anderen Fragen beschäftigt nämlich: „Was für ein Tempo-Limit habt ihr eigentlich hier?“ Nun ist Derek, wie ich ihn kennenlernte, ein sehr netter und hilfsbereiter Mensch. Schon meine erste Frage, wie es denn in Barrow-in-Furness wäre, hatte er sehr ehrlich beantwortet: „Da ist nichts. Da muss man nicht hin. Das ist nicht schön dort.“ Eine so ernstzunehmende Frage wie diese, beantwortete er mir ausführlichst unter zuhilfenahme der modernsten Schulungstechniken, wie beispielsweise Google Street View. „Also in Ortschaften dreißig Meilen pro Stunde. Außerhalb 60. Aber es gibt Ausnahmen.“ Dank seiner Schulungstechnik mir anhand typischer Straßen seiner Umgebung zu demonstrieren, wie es so im britischen Straßenverkehr läuft und wo welche Schilder stehen, nahm er mir schnell Sorgen, denn: „Es steht immer dran!“ Man fährt nicht in eine Ortschaft und muss wissen, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung so und so ist, dafür gibt es ein Schild. Das fand ich gut, zumal die Ortsschilder ja doch eher unscheinbar angebracht sind und mich dadurch ablenken, dass sie immer noch einen Spruch mit drauf haben, wie beispielsweise „Stadt des fairen Handels“ – leider hatte ich das in diesem Beispiel nicht geschafft, zu prüfen, ob es auch stimmt.

Derek hatte mich präpariert was die Geschwindigkeitsbegrenzungen angeht, Andy hatte mich geeicht, was die Sehenswürdigkeiten angeht. Das kam so: Ich war diese Arbeitswoche in England und ich werde es in der nächsten auch sein. Das war der Plan. Getrennt durch ein schönes Wochenende zu Hause. Dann kam der Chef, dem jemand geflüstert hatte, es sei ja sinnlos so viel Reisezeit zu opfern, die besser Arbeitszeit wäre, da könne man ja mal nachfragen, ob ich nicht dableiben könnte. Nun, es gab da ein paar Fragen mit der besten Ehefrau der Welt zu klären – aber hier fanden sich keine Gründe ihrerseits, Einspruch zu erheben. Es gab ein paar finanzielle Fragen zu klären, aber ein kleines Taschengeld, die Bezahlung der Unterkunft und ein Mietwagen, machten mich schnell gefügig. Und es gab ein paar logistische Fragen zu klären, die betrafen die Wäsche. Wenn ich auf Dienstreise gehe, bin ich auf kleine Katastrophen vorbereitet. Wenn ich dolle kleckere, dann geht die Welt nicht unter. Eine Verdoppelung der Reisedauer ist davon aber nicht abgedeckt. Ich musste was kaufen.
„Die Läden in der Stadt machen früh zu, so um sechs Uhr…“
„Ja“, meinte er, „die meisten eigentlich um halb sechs.“
„Das ist ja wie Deutschland in den Neunzigern.“
Andy lachte ein wenig. Ich fragte weiter.
„Dieser Supermarkt am Ende der Straße, der hat aber länger auf, oder? So bis acht Uhr?“
„Nein“, meinte er, „der hat länger auf. Vielleicht bis um elf Uhr auf.“ Oder länger.
Gut. Dann kam die kritische Frage:
„Haben die dort auch Wäsche?“
„Ja, haben die auch. Gleich linker Hand wenn man reinkommt, wenn ich mich recht erinnere.“
Fein, vor sechs Feierabend zu haben, war recht illusorisch. Aber bis um elf Uhr abends sollte ich wohl was gekauft bekommen.
Das Gesicht von Andy war aber ein wenig fragend.
„Ich bleibe über das Wochenende hier und plane in den Lake District zu fahren.“
„Eine gute Idee“, meinte er, „das ist schön dort.“

Das hatte ich gehört. Mein Chef pries den Landstrich und hatte mir das Wochenende damit schmackhaft gemacht. Nun hatte ich meinen Bryson – wie früher schon erwähnt – neulich gelesen und der hatte nur warme Worte für diesen Landstrich über. Es gäbe gar nicht so viele Seen. Dafür sind die, die da sind, aber recht groß. Das hörte sich doch sehr gut an. Wasser ist immer was gutes. Andy wollte mir eine Wanderkarte mitbringen, es waren dann aber drei Karten und zwei Bücher, was keine Rückschlüsse auf sein Wahlverhalten bei der Brexit-Abstimmung zulässt, aber wohl die Vermutung, dass er häufiger wandern geht.

Hässliches Wetter am Derwent Water

Hässliches Wetter am Derwent Water

Ich gestehe: Ich habe kein einziges Mal in die Karten reingeschaut. Das kam dann so: Die Kollegen unserer englischen Schwesterfirma hatten mir gesagt, ich solle an einem Ort mit einem Namen, an den ich micht nicht erinnere, absteigen. Das hatte ich unserer guten Fee mitgeteilt und die buchte mir ein Hotel, das aber ganz woanders lag. Die Bewertungen für das Hotel waren sehr gut, was daran liegt, dass die Stimmen vermutlich nur von Leuten abgegeben wurden, die nicht in den Lügenzimmern landeten, sprich in Zimmer, die den Fotos auf der Webseite irgendwie ähneln, während ich immer eines der anderen Zimmer bekomme – was aber ein anderes Thema und Aufreger ist – und bei der Inspektion auf der Karte stellte ich fest, dass von einen „Fall“ in der Nähe die Rede war – „The Lodore Falls“.

„Fall, wie Wasserfall?“ fragte ich Andy.
„Ja, da ist ein Wasserfall. Der ist auch sehr schön.“
„Hah!“ (Jetzt kommt die Stelle, die ich in Roman-Reihen so hasse, wo der Autor das erklärt, was er in jedem neuen Buch ausführt, was die Stammleser aber natürlich wissen, beispielsweise das Jack Reacher kein Gepäck hat und keinen anderen Besitz, und der Typ von … immer schlecht schläft, und so weiter.) Ich liebe Wasserfälle!

Ich hatte also ein Hotel und einen Wasserfall. Da lag der Verdacht nah, wenn ich sowieso schon so viel kombiniere, dass es noch mehr Wasserfälle gibt. Somit wurde der heutige Sonnabend zum Internationalen Tag des Wasserfalls gekürt. Im Internet besorgte ich mir eine Liste, machte ein PDF daraus und beschloss, diese Wasserfall-Liste abzuarbeiten. Man kann nicht sagen, dass ich nicht enthusiastisch gewesen wäre. Vielmehr war ich ein wenig übermotiviert.

Fassen wir die Ausgangslage zusammen: Ich habe die notwendigste Wäsche um zusätzliche Teile erweitert und den Rest in die Wäsche gegeben oder werde sie noch in die Wäsche geben. Der Wille, das Taschengeld für neue Wanderschuhe auszugeben, war nicht vorhanden. Warum auch, wo zuhause schon drei schöne Paare stehen, die nicht ergänzt werden müssen. Im Gegensatz zu anderen Menschen sammle ich keine Schuhe.

Heute morgen um acht Uhr dreißig konnte ich dann feststellen, dass mein Schuhwerk für Wanderungen wenig, für Wanderungen in feuchten Niederungen noch weniger und für das Klettern an matschigen und moosigen Wasserfällen so überhaupt nicht geeignet ist. Das hielt mich nicht davon ab, die Wasserfälle zu besuchen, machte es aber sehr mühsam und die Vernunft bremste mich so manches mal. Aber egal: Ich war der Einzige am Lodore-Wasserfall! Die anderen schliefen noch oder frühstückten besonders lang. Es gibt wenig, was ich noch mehr schätze als Wasserfälle und dazu gehört es, einen Wasserfall für mich zu haben. Der Lodore Fall war nur einen Steinwurf vom Hotel entfernt – zehn Minuten Fußmarsch auf dem Hinweg, fünfzehn Minuten zurück – als ich schon ein wenig abgekühlt war.

Lodore Falls

Lodore Falls

Ich setzte mich gleich ins Auto, um beim Abarbeiten des Vorhabens voranzukommen. Im Auto stellte ich aber erst einmal fest, dass ich das iPad vergessen hatte und da war die Lake District Water Fall-Liste drauf. Also ging es noch mal ins Zimmer, iPad eingepackt und erst dann ging die Tour los. Das Navi im Auto kannte den Ort, in dessen Nähe der nächste Wasserfall sein sollte, nicht. Mein iPad-Navi schon, aber ich hatte vergessen, es einzuschalten oder es war an, und plapperte nur zu leise. So fuhr ich erst einmal ganz woanders hin. Da war es auch schön. Keine Frage. Ich wollte mir sogar das kleines Städtchen Grasmere anschauen, weil es so vielversprechend aussah, aber ich dachte mir: „Das kostet sicher nur teure Parkgebühren. Das lass mal sein!“ Außerdem fand irgendein Charity-Event statt und es war schon voller Menschen.

Nach einer kurzen Neu-Orientierung – so weit sind die Sachen hier nicht voneinander entfernt – ging es in die richtige Richtung. Das Ziel war der High Force Waterfall und – um es perfekt zu machen – Aira Force – zwei Wasserfälle auf einmal, da fühlt man sich fast wie das tapfere Schneiderlein. Erst über eine Art Bundesstrasse und dann über eine Strasse, auf der man schon ein wenig vorsichtiger fährt – so eine schmale, auf der einem möglichst keiner entgegenkommen sollte. Die schmalen Straßen hier sind meistens durch Hecken, Steinmauern oder mit durch Hecken verschleierte Steinmauern gesäumt – das möchte man dem Außenspiegel eines Mietwagens nicht unbedingt antun. Andererseits möchte man die Fahrerseite auch nicht wegrasiert bekommen. Es ist ein schmaler Grad, auf dem man sich da wandelt und da auf dieser Rasierklinge die meisten Autofahrer balancieren, sind die Geschwindigkeiten auf diesen Straßen recht moderat und selten am oder über dem Limit. Eine Sache, die mir Derek mit auf dem Weg gegeben hatte. Es gibt natürlich Ausnahmen, die bringen mich  immer ordentlich ins Schwitzen und verpassen dem Leben eine Würze, die es nicht nötig hat.

Ich fuhr an dem Parkplatz für den Wasserfall erst einmal vorbei. Es gab keine Vorankündigung, sondern plötzlich war diese Einfahrt da und ich war schon weiter und dachte nur: „Was das nicht eine Einfahrt zu einem Parkplatz? Wurde auf dem Schild nicht ein Wasserfall erwähnt?“ Da traute ich mich was und fuhr rückwärts wieder zurück. Nein!, das machte ich nicht. Ich fuhr bis zur nächsten Verbreiterung, wendete und merkte, dass das auch keine so gute Idee war. Aber der Verkehr war übersichtlich und geduldig. Wahrscheinlich waren die auch schon an so manchem Parkplatz vorbeigefahren.

Das war also nun ein Parkplatz im Nirgendwo und trotzdem hatte es ein kluger Kopf geschafft, dort einen Parkschein-Automat hinzustellen. So etwas kann man ignorieren, aber mir ist das leider nicht gegeben. Die Hand in der Tasche, wo ich das Kleingeld aufbewahre, machte ich mich auf den Weg zu dem Automaten und bekam fast Schnappatmung. Zwei Stunden sollten vier Pfund kosten, weitere Stunden wurden dann rabattiert. Von Strafen stand da nichts, man wurde sogar höflich gebeten. Als Mitglied des National Trust könne ich umsonst parken, stand dort. War ich aber nicht. Gut, wenn das soviel kostet und ein schöner Wasserfall dabei herauspringt, dann muss ich das halt bezahlen. Zählte das Geld und stellte fest, dass ich nur 3 Pfund 50 hatte. Die war ich bereit zu geben, dann würde ich halt nur anderthalb Stunden dort bleiben. Da hatte ich aber die Rechnung ohne den National Trust gemacht: Der Automat meinte nur, das wäre zu wenig Geld und … ja, und nichts weiter. Mein Griff zur Brieftasche machte wenig Sinn, denn ich hob das Kleingeld nicht in der Brieftasche auf und Scheine wollte der Automat nicht haben.Zum Wechseln war auch keine Sterbensseele da. Da stellte ich allerdings etwas anderes, viel furchteinflössenderes fest: Ich hatte keine Brieftasche dabei.

Vergessen, ja sicher vergessen, dachte ich. Oder aber verloren? Beim Spaziergang zu dem See, wo man nichts bezahlen musste? Beim ersten Wasserfall? So wenig abgeklärt ich beim Bescheissen auf einem Parkplatz bin, so wenig abgeklärt bin ich auch, wenn meine Brieftaschen-Routine gebrochen wird. Ich hatte an der Stelle nun die Wahl, ob ich entweder den National Trust um sein Geld bringe (wobei mir noch nicht ganz klar war, was der National Trust nun mit Erhalt eines Wasserfalls zu tun hat – aber egal) und mir in doppelter Unruhe (drohende Strafe, keine Brieftasche) den Wasserfall anschaue oder erst einmal zum Hotel zurückfahre, prüfe, ob dort meine Brieftasche ist, und ansonsten eine englandweite Fahndung nach meinem Bargeldbestand und den Kreditkarten ausrufe. Wirklich lang, musste ich da nicht überlegen: Ich fuhr also eine halbe Stunde zurück (nun kannte ich ja den Weg) und malte mir aus, wie ich dem Hotelbesitzer erkläre, dass ich kein Geld mehr hätte (und im Abwaschen auch schlecht wäre) und versuchen müsste, der besten Ehefrau der Welt zu erklären, wie sie an einem Wochenende Geld nach England transferiert (was mir auch nicht klar war). Die Tempolimits, die hier gelten, fand ich plötzlich ziemlich albern, wie auch das blöde Herumgegucke dieser ganzen Wochenend-Touristen, die die Straßen verstopften und mich am Weiterkommen hinderten.

Die Brieftasche lag auf dem Schreibtisch im Zimmer.

Daraufhin gönnte ich mir im Restaurant meines Hotels erst einmal eine Cola und ein Sandwich mit Brie und Mango-Chutney. Beides sehr lecker. Wenn ich schon dabei bin: Ich gehe in England gern zum Inder. Warum? Nun, man bekommt dort leckeres Essen und man wird bedient. Geht man in einen Pub oder in ein englisches Restaurant, dann macht man die Hälfte der Arbeit selbst. Getränke müssen abgeholt werden und bei der Gelegenheit gibt man die Bestellung auf. Als ich beim Essen war, ging mir das Getränk aus und ich hätte gern noch etwas getrunken. Eine Bedienung kam vorbei und ich fragte, ob ich eventuell noch ein Getränk ordern könne. Nein, das würde nicht gehen, da kämen sie ja völlig durcheinander und das wäre nicht handhabbar. Interessanterweise glauben die Bedienungen in England das wirklich. Nun habe ich schon ein paar Länder bereist und festgestellt, dass es in vielen Ländern ganz gut klappt. Einschließlich auf dem Oktoberfest. Ironischerweise sprechen in diesem Restaurant die meisten Damen der Bedienung mit einem gewissen Akzent, dessen Härte etwas slawisches hat. Auch in den Ländern die ich jenseits der Oder bereist habe, kam man mit dem Komplett-Bedienungskonzept ganz gut zurecht, was die Damen doch noch wissen müssten… nun ja, ich hatte mein Essen zu verlassen und mein Getränk selbst an der Bar zu holen. Wäre das erste Mal gewesen, dass ich mich gegen eine Bedienung durchgesetzt hätte.

Andererseits: Wenn man die Arbeit so gut wie selbst macht, muss man auch kein Trinkgeld geben.

Schnell wechselte ich noch einen Schein gegen Ein-Pfund-Münzen und fuhr dann gesättigt von dem leckeren Sandwich wieder in Richtung Wasserfall. Das man in der Nähe eines Wasserfalls ist, wird einem durch das Parkplatz-Schild zu verstehen gegeben. Nur weil man für den Aufenthalt auf dem Parkplatz eine gewisse Summe an Geld ausgegeben hat, hat man aber kein Recht zu erwarten, dass es irgendwelche weiteren Hinweisschilder gibt. Der gute Tourist hat sein Kartenmaterial dabei. Nun, ich natürlich nicht, ich bin ein chaotischer Tourist – wie der Anfang dieses Berichtes ohne weiteres beweist. So stand ich auf diesem Parkplatz und schaute mich nach einem  Ausgang um. Die Felswand, die ich anstarrte, war es wohl nicht. Eine andere Gruppe starrte über die Straße in die Ferne und meinte ein Indiz ausgemacht zu haben, blieb aber erst einmal auf dem Parkplatz. So entschloss ich mich, diesem vagen Hinweis und Pfad zu folgen. Nach wenigen Metern kam man an eine Pforte. An dieser bekam ich interessante Informationen darüber, was passieren kann, wenn ich meinen Hund nicht anleine: Ein bös blutendes kleines Schaf starrte mich an. Mehr Infos gab es nicht. Nun hatte ich keinen Hund und mir wäre ein wenig mehr Gewissheit lieb gewesen, dass ich in die richtige Richtung gehen würde. Dafür gibt es mehrere Gründe: Ich war ziemlich geizig gewesen und hatte nur vier Pfund für zwei Stunden investiert. Konditionell bin ich eher nicht der Typ, der nach zwei Kilometern über Berg und Tal sagt: „Kein Wasserfall. Das macht nichts, lass uns umkehren und einen anderen Weg probieren.“ Schon gar nicht, würde ich das als Selbstgespräch führen. Drittens bin ich faul, ich mache diese Wanderung nur wegen meiner Liebe zu Wasserfällen. Wäre da eine alte Miene, eine Schmetterlingsfarm oder ein Kindergarten, würde ich nicht einmal in Erwägung ziehen, loszumaschieren. Der Vergleich hinkt zugegebenermaßen gewaltig: Die Sache wäre in diesem Fall schon weit vor dem Parkschein-Automat erledigt gewesen.

Ullswater

Ullswater

Auf dem Marsch von einer Pforte zur nächsten sah man in der Ferne schon einen See – Ullswater. Auf dem falschen Dampfer war ich also nicht und nach kurzer Zeit hörte man das typische Rauschen eines Wasserfalls. Gut. Es handelte sich um den anvisierten Wasserfall und mit dem hatte ich wirklich viel Spaß. Es war eine Kaskade und nachdem ich mich an dem ersten Wasserfall erfreute hatte, folgte ich dem Lauf. Es ging immer schön bergab und irgendwann realisierte ich Flachland-Huhn auch, dass das, was ich runter marschiere, auch wieder hoch zu marschieren habe – schon wegen des Autos.

Aira Force

Aira Force

Nachdem ich die malerische Brücke als Motiv zusammen mit dem Wasserfall auf das Smartphone gebannt hatte, ging es an den Aufstieg. Ich wählte die anderen Seite des Flusses. Da sich der Lauf zwischenzeitlich teilte, bekam man ganz anderes auf dem anderen Weg zu sehen. Allerdings, und das will ich nicht verschweigen, war mir dabei auch nicht bewusst, dass der Bach ja nicht senkrecht den Hang nach unten stürzte, sondern mehr länglich. So waren die Höhenunterschiede auf der Seite, die ich flussabwärts gegangen war, sehr viel moderater, als die, die ich nun flussaufwärts hatte. Während ich aufwärts marschierte und mir zu der logistischen Meisterleistung gratulierte, die im Aktivitäten-Tracker natürlich löblich erwähnt werden würde, wie ich hoffte, trampelte ich voll in die Pampe, so dass die Schuhe aussahen, wie sie nach einer anständigen Wanderung auszusehen haben. Allerdings nicht so, wie man sie gern beim Kunden zeigen möchte.

Die Tour ging weiter Richtung Windermere, über einen Pass. Unterwegs erblickte ich noch einen kleinen, hübschen Wasserfall auf einer Wiese. Da kurz dahinter ein kleiner Parkplatz kam, nutzte ich die Gelegenheit, diesen Independent-Wasserfall zu begutachten. Ich marschierte auf die Wiese – das macht man in England ja so – und folgte dann dem Lauf, an dem es einen wenig zertrampelten Pfad gab. Aber ein Pfad war es schon. Dann waren da diese beiden Schafe. Die mochten meine Anwesenheit so gar nicht und rannten immer davon. Es muss ein wenig was von der besten Ehefrau der Welt auf mich abgefärbt sein, aber ich sah diese armen Tiere in Richtung Strasse rennen, über die obligatorische Steinmauer springen und sich damit vor ein Auto in den Tod stürzen oder schlimmer noch, vor ein Motorrad und den Fahrer des Gefährts auch gleich noch mit ins Unglück reißend (in 50% aller Unfälle auf der Strecke sind Motorradfahrer involviert, warnten mich Schilder immer wieder, und ich fragte mich, wie hoch der Anteil von Ziegen und Schafen wohl ist – das wurde aber nicht einmal im Kleingedruckten erwähnt). Naja, deshalb wählte ich einen Umweg durch Gras. Was ich nicht sah, war das kleine, durch das hohe Gras verlaufende Bachläufchen, das immerhin so tief war, dass ich mit pitschnassen Schuhen den Weg zum Wasserfall fortzusetzen hatte. Sauber wurden sie durch die Aktion nicht, das wäre ja auch zu schön gewesen.

Der inoffizielle Name: Wasserfall der nassen Schuhe

Der inoffizielle Name: Wasserfall der nassen Schuhe

Schafe, die zu retten waren

Schafe, die zu retten waren

Das wäre alles nicht passiert, wenn ich nach Hause geflogen wäre. Aber ich beklage mich nicht. Es war ein wunderschöner Tag.