Die Beste aller Ehefrauen mag mich. Umsonst trägt sie diesen Titel nicht und, das soll nicht verschwiegen werden, es beruht auf Gegenseitigkeit. Nachdem wir uns kennengelernt hatte, erwähnte ich einmal, dass ich Nüsse gern mag. Kaufte sie danach ein, dann brachte sie immer Joghurt mit und zwar mit Nüssen – also Nuss-Joghurt. Wer Nüsse mag, muss aber noch lange nicht Nuss-Joghurt mögen. Es brauchte einige Zeit, bis ich hier das vermitteln konnte.

Das Prinzip hat sich aber über die Jahre nicht geändert. Ich mag das Baden in Badewannen. Als Beste aller Ehefrauen kann sie gar nicht anders, als dieses Interesse zu verteidigen. Das brachte dann auch den bisher einzigen Knatsch auf dieser Reise mit sich. Wir waren gestern in Fulbrook (in der Nähe von Burford in der Nähe von Oxford) angekommen und nachdem wir unser B&B gefunden hatten, hielt sich unser Gastgeber elegant aus der Zimmeraufteilung heraus. Das tat ich auch. Aber dann ergab sich folgender Dialog:

„Sucht ihr das Zimmer aus. Wir haben das sonst immer gemacht“, sagte die Beste aller Ehefrauen.

Schweigen von Seiten von Susanne und Ulf. Das eine Zimmer war groß und hatte eine Badewanne, das andere Zimmer war klein und hatte – wie ich später erfuhr – ein viel kleineres Bad mit Dusche.

Die Beste aller Ehefrauen schob nach: „Ihr könnt das große Zimmer haben, dann schicke ich euch Oliver zum Baden rüber.“

Ich stand auf der Treppe nach unten und dachte nur: „Ohh, Mist! Was sollen die beiden denn jetzt antworten?“ Natürlich überließen sie das große Zimmer uns, denn ihnen schien das wie ein Wink mit dem Zaunpfahl. Später, als wir zum Essen gingen, marschierte Susanne immer vorneweg und verlor kein Wort. Das hatte ich noch nicht erlebt. Sie lehnte es ab, ein Statement zur Wasserqualität des River Windrush abzugeben und wollte nicht zum Inder. Es sah ganz so aus, als ob ihr eine Laus über die Leber gelaufen war und das brachte sie dann zur Sprache sobald wir saßen.

Das war auch gut so, denn wir sind „Heile Welt“-Menschen und mögen es gar nicht, wenn etwas odd ist. Da war es gut, dass Susanne das zur Klärung brachte.

Wir hatten uns vorgestern zwei Ziele herausgesucht, die wir noch besuchen wollten. Beide gehörten zum National Trust und beide stellten sich als reichlich schräg heraus. In der Nähe von Broadway lag Snowshill Manor, dass kein Herrenhaus im herkömmlichen Sinne war. Als wir durch Broadway fuhren, waren wir schon angetan von dem Städtchen und Snowshill selbst ist auch reizend. Wir waren in der Warteschlange das dritte Grüppchen, da wir ein wenig zu früh waren. Das erste Paar verschwand, nachdem es von einem National Trust-Mitarbeiter eine Sonderbehandlung erfahren hatte, so war das ältere Ehepaar vor uns plötzlich an der Spitze und freute sich darüber auch erkennbar. Es kam mit uns ins Gespräch und erzählte uns, dass es schon mal im Schwarzwald gewesen war (was wohl für ältere Briten das Ziel in Deutschland ist, während es die jüngeren nach Berlin zieht). Beruflich waren sie früher viel in Asien gewesen und hatten so eine Menge zu erzählen gehabt.

Begrüßt wurden wir von den National Trust-Mitarbeitern wie immer: Lovely! Das Haus konnte man ab 11.30 Uhr besuchen und so machten wir uns gemütlich auf den Weg. Als wir eine Viertelstunde später am Haus eintrafen, stand dort schon ein Mann, der uns einlud, an einer kurzen Einführung teilzunehmen. In der ging es gar nicht so sehr um die Entstehung des Hauses, sondern vielmehr um den Mann, dem das Anwesen zuletzt gehörte – Charles Paget Wade. Der hatte sich in den Kopf gesetzt, in diesem Haus Sachen zu sammeln. Viele Sachen, unterschiedliche Sachen, unglaubliche Sachen. Zwanzigtausend Dinge sollen in dem Haus versammelt sein – von Spielzeug über Truhen hin zu Ritterrüstungen, Fahrrädern, Nähmaschinen und Schiffsmodellen. Man kann wirklich nicht sagen: „Mr. Wade sammelte …“ – nein, er sammelte wirklich alles. Es hieß sogar, dass er die Kostüme von Mägden nicht nur ausgestellt hatte, nein, er trug sie auch zusammen mit Freunden. Vielleicht waren bei den vorher besuchten Orten durchaus auch Exzentriker dabei, aber keine lebte es so aus, wie dieser Mann. Geht man durch Haus mit seinen über zwanzig Räumen wird man einfach erschlagen. Ich fühlte mich wie in einem überbordenden Antik-Krempel-Laden, nur dass keine Preise an den Objekten standen – sondern alles symbolisierte, dass es unverkäuflich war.

Reizvoll ist der Garten. Der Kopf war voll und wir fuhren zum Lunch nach Broadway. Die Idee hatten nicht nur wir gehabt. An dem Parkplatz hatte sich eine lange Schlange gebildet und wir hatten keine große Hoffnung, auf diesem Parkplatz etwas zu finden. Dann aber, kurz bevor wir den Parkplatz verließen, ergab sich auf wundersame Art die Möglichkeit einer Lücke. Der Blinker wurde gesetzt. Ich fuhr noch ein Stückchen vor.

„Der muss doch auch noch rauskommen!“ meinte Ulf.

„Ja“, sagte ich, „aber die anderen sollen mir dann nicht reinhuschen.“

„Das machen die nicht, das sind Engländer. Die stehen gern in der Schlange“, hieß es von den Nicht-Fahrer-Sitzen.

„Das mögt ihr glauben, aber ich habe Mr. Bean gesehen. Ich traue denen das zu.“

Meine Mitreisenden stiegen aus, da es so knapp war. Ich parkte den Wagen in Ruhe ein und als ich ausstieg, waren die außer sich. Da hätte, berichteten sie mir, sich eine Parklücke in der Nähe der Einfahrt/Ausfahrt ergeben und jemand aus der Eingangsqueue hätte sich, ohne die noch Wartenden zu berücksichtigen, auf der falschen Spur vorbeigedrängt und wäre in die Parklücke gefahren. Solch ein Verhalten hätte man den Engländern nie zugetraut! Nun ja, ich schon, ich hatte schließlich meine Lektion bei dem großen Moralisten Mr. Bean gelernt.

Broadway ist haargenau so, wie man sich ein englisches Dorf vorstellt, das von Touristen überfallen wird, weil es so schön ist. So, wie es in Jury-Romanen von Martha Grimes beschrieben wird. So und nicht anders. Man schaut es sich an, geht etwas essen und dann will man es wieder verlassen, weil man es vor lauter Touristen nicht aushält. Das nächste Dorf, im übrigen, war auch sehr reizvoll. War dafür aber gar nicht überfüllt, vermutlich weil es sich davor gehütet hat, Platz für Autos und Restaurants zu schaffen. Die Beste aller Ehefrauen vermutete, dass hier die Leute leben würden, die im Nachbardorf ihr Geld verdienen würden und hier nun ihre Ruhe haben wollten. Eine nicht sehr abwegige Theorie.

Wir haben genau das getan, was Touristen tun. Geschaut, Geld ausgegeben, verschwinden. Wir hatten als nächsten Platz Upton House auserkoren. Das Navi suchte uns schöne kleine Straßen für die Anfahrt heraus, so dass wir wieder unseren Spaß an schönen Ausblicken hatten. Der herrschaftliche Anwesen konnte mit einem großen Parkplatz glänzen und einer Allee als Zugang, die wirklich sehr schön war. Die Präsentation in dem Haus fand ich kurios – und das weniger im witzigen Sinn. Es wird in der Ausstellung das Leben zu Kriegszeiten beschrieben (durch Requisiten und durch Plakate) und die Bedeutung des Hauses als kriegswichtige Bank. Gleichzeitig gab es viele Kunstgegenstände zu sehen, aber das ging völlig unter. Es hat mich schnell müde gemacht oder um mit einem kleinen englischen Mädchen zu sprechen: „Ist das langweilig.“ (Und die Mutter: „Psssttt!“) – am Witzigsten war noch der englische Mann, der uns vor einer Deutschlandkarte ansprach und meinte, wir dürften nicht fotografieren und filmen, das wäre alles „a secret“.

Über kleine Straßen ging es dann weiter in Richtung Fulbrook.