Man kann wirklich nicht alles machen, aber was geht, versuchen wir zu realisieren. Durch die Bäume an einer Art Seilbahn zu rasen, war der Wunsch von Henrik gewesen. Jeder hätte jetzt gedacht, dass der Vorschlag von der Besten aller Ehefrauen gekommen wäre, aber Henrik war einfach ein wenig schneller. Es gab eine in der Nähe, aber am Vortag hätten wir das nicht unterbekommen. Ein Vorschlag war nun, dass vor der Weiterfahrt nach St. Lucia zu machen.

Henrik klärte das mit dem Host des Antbear und der meinte, nur nicht den von uns ausgesuchten Anbieter, der wäre in einer komplett anderen Richtung. Er wüsste aber einen Anbieter, der auf unserem Weg nach St. Lucia liegen würde. Das kam uns entgegen und so bekamen wir dort eine Reservierung. Die war für zehn Uhr morgens. Das hieß: Um 8 Uhr von uns losfahren, denn die Anfahrt dauerte schon anderthalb Stunden.

Statt nun durch das Zululand zu fahren, ging es nach Pietermaritzburg. Die Attraktion sollte sich zwölf Kilometer entfernt befinden. So fuhren wir erst an den ärmlichen Häusern vorbei, bevor wir in eine Villen-Gegend kam. Danach wurde die Straße zu einem Schotterweg und links und rechts befanden sich Parks. Richtig große Bäume waren nicht zu sehen, aber Hügel gab es, schöne Aussichten. Der Argwohn erfasste mich erst, als wir eine Aufforderung zum Abbiegen vom Navi erhielten und auf dem Schild von der Canopy Tour gar nichts zu lesen war. Safari Spar stand auf dem Schild. Safari, Spa und Seilbahn zu kombinieren schien mir nicht üblich zu sein, hinterfragen tat ich es nicht.

Auf den Boden der Tatsachen wurden wir am Gate geholt, als wir meinten, wir möchten zur Canopy Tour und die Stimme in der Gegensprechanlage meinte, da wären wir falsch. Wir waren wohl nicht die ersten, die anstatt zum Baum-Abenteuer zum Gurken-Scheibchen-Auflegen geführt worden waren, weshalb die Stimme ziemlich exakt sagen konnte, dass wir fünfundvierzig Minuten benötigen würden, um in den Abenteuer-Modus zu geraten. Nun waren wir sowieso schon auf dem letzten Drücker dort angekommen, unseren Termin um zehn Uhr konnten wir also vergessen.

Die Beste aller Ehefrauen rief nun bei unserem Anbieter an, der ebenfalls meinte, dass dies schon häufiger vorkommen würde. Die schlechten Nachrichten waren: Es würde zwischen fünfundvierzig und sechzig Minuten dauern, bis wir dort wären. Dann müssten wir zwanzig Minuten bis sechzig Minuten warten. Um dem Ganzen noch einen draufzusatteln, sagte sie uns, es wäre entgegengesetzt zu der Richtung, die wir nach St. Lucia zu fahren hätten. Eine kurze Überschlagrechnung machte uns klar, dass das nicht klappen würde. Wir sind also früh aufgestanden und losgefahren, für nichts.

Nicht für ganz nichts, das muss man zugeben: Zuerst sahen wir bei der Ausfahrt kleine Äffchen. Sehr süß.

Wir schauen immer zurück, wo der zweite Wagen bleibt und fahren im Zweifel langsamer bzw. halten an. Diesmal sahen wir nichts und zumindest ich, sah den Wagen Nummer 2 auch nicht abbiegen. Wir warteten, warteten, warteten und waren in Wagen 1 sicher, dass es auf dem kurzen Stück nichts zu begucken gab. Also wendeten wir und fuhren zurück zur Einbiegung. Nun standen wir vor einem Dilemma: Entweder weiter vorn war etwas passiert, dann müssten wir hinfahren. Wäre aber dort nichts passiert, sondern Wagen 2 hätte nur einen anderen Weg genommen, könnte es sein, dass ihnen das auch schon aufgefallen ist, sie gedreht hätten, und an uns vorbeifahren würden, während wir den Weg zurück abgefahren wären. Eine echt blöde Situation.

Aber das Glück war uns an der Stelle hold: Wir sahen Wagen 2 aus der anderen Richtung zurückkommen. Sie hatten sich an der ursprünglich geplanten Route orientiert, während wir gesagt hatten, dass wir – da wir schon soweit südlich waren – nun über Durban fahren würden, dort vielleicht in der Stadt einen Lunch einnehmen würden und von dort weiter nach St. Lucia düsen würden. Es ging also zurück nach Pietermaritzburg und von dort auf die Autobahn. Vorher sahen wir aber noch die ersten Giraffen, die uns aus dem Safari Park neugierig beguckten.

Es war eine kostenpflichtige Autobahn und hier stellte sich heraus, dass Wagen 1 irgendwie ein Mautbox hatte. Wenn wir an die Maut-Station heranfuhr, dann piepte es kurz und die Maut-Kassierer wollten kein Geld mehr von uns. Das funktionierte nicht an allen Maut-Stationen, aber an einigen schon. Wagen 2 hat das Feature nicht.

Hinter der Durban-Mautstation bremsten alle. Vor uns stieg eine riesige Rauchwolke auf, tiefschwarz und von erheblichem Umfang. Nichts bewegte sich mehr und wir hatten unseren ersten richtigen Stau in Südafrika. Der hatte es in sich. Südafrikaner haben offenbar ein sehr flexibles Verhältnis zu ihrer Straßenverkehrsordnung. Die meisten Leute blieben stehen und warteten. Aber schon bald gab es die ersten Absetzbewegungen, bei denen Leute über den Grünstreifen am Rand oder die Standspur zurückfuhren. Vor uns entstanden immer größere Lücken. Nach zwei Stunden, wir drohten die letzten auf der Autobahn zu sein, die dort stehen, denn auch kleinere LKW hatten schon gedreht, reihten wir uns in die Schlange ein. An der kurz hinter uns liegenden Abfahrt, die nun eine Auffahrt war, stand ein Polizist und regelte den Verkehr. Ich hätte mal vermutet, dass wenn dies eine deutsche Autobahn gewesen wäre, der Polizist dort weniger den Verkehr geregelt hätte, sondern alle abkassiert hätte, die aus der Geisterfahrer-Richtung gekommen wäre.

Wir schlängelten uns durch kleine Straßen, um wieder auf der Autobahn zu gelangen. Mit einem schönen Lunch in der Innenstadt von Durban wurde es so aber natürlich nichts. Es war schon vierzehn Uhr und wir mussten eine Kleinigkeit essen und tanken. In einem Einkaufszentrum in der Nähe der Autobahn stillten wir die Bedürfnisse. Rüdiger hatte ein kleines Bistro ausgemacht, in dem wir herzlich empfangen wurden. Die Bedienung freute sich so sehr, dass ich meinte wir wären wohl der »Catch of the Day«, woraufhin sie lachte und anfing ein wenig zu tanzen. Die Kleinigkeit hier war wieder eine sehr sättigende Kleinigkeit. Wir stiefelten kurz weiter, denn es gab einen Geldautomaten und einen Supermarkt, in dem wir uns mit Wasser versorgen konnten. Auf dem Rückweg kamen wir erneut am Bistro vorbei. Unsere Ex-Bedienung sah uns und winkte uns zum Abschied fröhlich zu. Die Leute sind zu freundlich hier.

Das gilt eigentlich auch für den Straßenverkehr. Die Autofahrer fahren zwar innerorts wie die Henker und wenn man sich vor einer Fahrbahn-Verengung noch reinquetschen kann, dann tut man das natürlich auch. Warum auch nicht? Auf den Fernstraßen sieht es ein wenig anders aus: Wie selbstverständlich fahren die Fahrer langsamer Fahrzeuge auf den Fernstraßen soweit wie möglich nach links, so dass man überholen kann, fahren auch auf Standstreifen, die sicher nicht dafür gedacht sind und – das ist der absolute Clou – auch der Gegenverkehr hat das mit im Auge. So hat man trotzdem das Gefühl von Zuvorkommenheit. Man bedankt sich nach einem Überholvorgang brav mit der Warnblick-Leute – »Danke!« – und bekommt manchmal mit der Lichthupe noch ein »Gern gesehen!« hinterhergeschickt. Das Tempolimit auf den Autobahnen scheinen die Leute auch zu achten, auch wenn Baustellen-Geschwindigkeitsbegrenzungen nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Von Durban nach St. Lucia waren es über 230 Kilometer. Die Fahrt brauchte seine Zeit. Kurz vor sechs Uhr trafen wir in St. Lucia ein und wurden schon von Colin erwartet. Vom ersten Moment an fühlt man sich im St. Lucia Wetlands Guest House wohl: Colin heißt einen auf englisch-deutsch herzlich willkommen und macht seine Spässchen. Nachdem er uns unsere Zimmer gezeigt hat, gab es einen Willkommens-Drink und er zeigte uns, was man so machen kann und wie man es am Beste angeht. Die Zimmer sind schön möbliert und praktisch eingerichtet; es gibt einen schönen Wohnraum, wo man sich auf Couches lümmeln und einen Drink von der Bar genießen könnte, wenn man nicht auf dem eigenen Balkon dem lauten Meeresrauschen lauschen möchte.

Colin warnte uns, dass um neun Uhr die Restaurants schließen würden, wenn nichts zu tun wäre. In der Hinsicht ähnelt St. Lucia Clarens sehr. Eigentlich ist es ein reiner Touristenort. Innerhalb von fünfzehn Minuten ist man an der Hauptstraße, wo sich die Restaurants befinden. Vorausgesetzt man nimmt den richtigen Weg. Wir ließen uns im »Braza« von Rambo abfüttern, wo es eine Mischung aus Seafood, Fleisch und Pasta gab. Man sah am Tisch keine unzufriedenen Gesichter. Zum Teil lag das sicher auch daran, dass es sich um einen versöhnlichen Abschluss eines Tages handelte, an dem so einiges schief gegangen war. Zum anderen lag es sicher auch daran, dass das Bier sehr lecker war.

Eines war ganz sicher: Eine Wärmflasche nahmen wir heute nicht mit ins Bett.