Heute morgen waren wieder alle vollständig angetreten, um das Frühstück einzunehmen. Zuerst wurden die jeweiligen Nacht-Erlebnisse ausgetauscht: Wer wie wo mit wem geschlafen hat. Die Ascheberg-Eltern schlafen normalerweise bei offenem Fenster, immer. Hier musste man die Fenster nicht öffnen, die frische Luft kam sowohl durch die Tür- wie durch die Fensterritzen. Greta dagegen hatte vor dem Schlafengehen noch mal das Fenster aufgemacht. Wir hatten mächtig geheizt, ohne dass es etwas gebracht hatte, aber es war ja gar nicht so kalt. Henrik drehte am Schalter seiner Heizung und das Zimmer war warm.

Die erste Frage, die sich an diesem Morgen stellte, war die nach einem Plan. Der Tag kam wahrhaft sonnig daher. Der Sani Pass, den ich im Auge hatte, fiel flach: Es hatte die Tage vorher viel Niederschlag gegeben und der kam in der Gegend, wie wir heute morgen aus der Ferne schon sehen konnten, als Schnee herunter. Unser Host meinte, es wäre keine gute Idee, dort rauf zu fahren, wenn man nicht gerade ein geübter 4×4-Fahrer wäre. Obwohl der Ausblick von oben auf die Drakensberge im Schnee fantastische Ausblicke bieten würde. Dieses Etikett können wir uns nicht anhängen.

Die Empfehlung unser Empfangsdame war, zum Giant Castle zu fahren, weil das auch in der Nähe wäre. Dort könne man die Höhlenmalereien besichtigen und schöne Touren bewandern. Besonders ans Herz legte sie uns eine Tour zum »World View«, wo man einen schönen Rundumblick hatte. Meine Wenigkeit fragte, welchen Schwierigkeitsgrad diese Tour aufweist. »Easy!« waren ihre Worte gewesen.

Greta hatte auch ihre Wünsche: Sie wollte gern das Reitangebot wahrnehmen. Sie klärte mit der Rezeption, wann es losginge und für wie viele Personen teilnehmen können. Daraus entstand der Plan, dass die Jungs mit der Besten aller Ehefrauen und mir zum Giant Castle fahren würden, wo wir schon mal die Höhlenmalereien besichtigen würde und Greta mit ihren Eltern erst einmal in der Gegen rumreiten würde und sie dann nachkommen, um die Wanderung zu absolvieren.

Die Fahrt auf der Piste war heute wesentlich angenehmer. Da es nicht mehr geregnet hatte, war der Weg gut zu fahren. Man hatte so auch Zeit, sich um Nebensächlichkeiten zu kümmern, wie zum Beispiel am Pistenrand stehende Rinder und Pferde mit ihren Fohlen. Während die Piste recht gut zu fahren war, was uns ein einheimischer Fahrer auch demonstrierte, der uns mit 80 km/h überholte und auf seiner Pritsche noch einen stehenden Mitfahrer hatte, sah es auf der asphaltierten Straße ganz anders aus.

Rüdiger wartete vor ein paar Tagen (nach der Fahrt von Johannesburg nach Clarens) mit der Theorie auf, dass man nur die richtige Geschwindigkeit haben müsse, um über die Schlaglöcher hinwegzugleiten. Bei den wenigen Versuchen, eher unfreiwilliger Art, bei denen man das Schlagloch nicht hatte kommen sehen, bewährte sich die angegebene Richtgeschwindigkeit für das »Gleiten« nicht. Wie wir später erfuhren, testete Rüdiger bei seiner Fahrt zum Giant Castle diese Theorie ebenfalls nach. Seine Mitfahrer bezeugten, dass die Versuche besser zu einem Abbruch des Experimentes hätten führen sollen. Vorerst hält er jedoch an der Theorie fest.

Warum auch immer hält es die südafrikanische Straßenbehörde so, dass sie die Fahrer eine Reihe von Schlaglöchern passieren lassen, bevor sie Schilder aufstellen, in denen auf das offensichtliche und gut spürbare Malheur auf der Straße hingewiesen wird. Die Schlaglöcher haben die unterschiedlichen Ausprägungen und sind aus der Ferne schwer einzuschätzen. Manchmal sehen sie aus, als wären sie schon repariert, sind es aber nicht. Es ist ein wenig wie eine Lotterie.

Auf jeden Fall war die Fahrt zum Giant Castle schon mal eine sehr schöne. Schon am Anfang waren die Drakensberge, weiß gepudert, ganz in der Ferne zu sehen. Die Straße, die einen in den Nationalpark bringt, gewährte schönste Ausblicke und wir konnten nicht so häufig anhalten, wie wir es uns gewünscht hätten.

Dass unser Zeitplan bezüglich der Höhlen-Malerei seine Tücken hatte, stellte sich alsbald heraus. Denn für die Höhlenmalerei-Wanderung waren drei Stunden einzuplanen. Die hatten wir nicht, denn das Reiten dauerte nur etwas über eine Stunde und so hatten wir nur einen Vorsprung von anderthalb Stunden. Nicht genug. So gingen wir letztlich nur in die Richtung der Höhlen, ohne sie zu erreichen. Man hätte sich in das Mountain-Register eintragen müssen, was wir aber verpeilten. Da wir keine Lust hatten, zurückzugehen und den Eintrag zu tätigen, waren wir als Illegale auf dem Wanderweg unterwegs. Gefühlt waren wir schon sehr weit, ich konnte noch einen Mini-Wasserfall begutachten können, dann ging es zurück in Richtung Camp.

Auf dem Rückweg kam uns eine Schulausflugsgruppe entgegen, die im Gänsemarsch Richtung Höhle spazierten. Die Begeisterung in den Gesichtern der Kinder war mit Worten nicht zu fassen, sollte ich einen Zahlenwert von 1 bis 10 angeben, wobei 10 die absolute Ekstase war, dann war die Stimmung etwa bei 3. Vielleicht hat ja mein Vorhaben geholfen, jeden einzelnen in der Gruppe mit einem fröhlichen »Hello« zu begrüßen. Sicher bin ich mir jedoch nicht, weil von vielen kamen nur verständnislose Blicke, von einigen nur nüchterne Erwiderungen und richtig fröhliche Echo waren nur selten zu vernehmen. Von den Erwachsenen der Gruppe wurde die Begrüßung viel enthusiastischer aufgenommen.

Im Camp setzten wir uns erst einmal ins Restaurant, um die obligatorische Kleinigkeit zum Lunch zu uns zu nehmen. Ich habe schon früher den Eindruck gehabt, dass die Mitarbeiter in solchen staatlichen Camps es ein wenig an der Begeisterung für die Wünsche ihrer Gäste missen lassen. So war es hier auch. Die Sandwiches waren lang nicht so lecker, wie bei anderen Locations, die wir aufgesucht hatten. Das Verständnis von einer »Kleinigkeit« deckte sich durchaus mit dem unsrigen, was aber natürlich nach Tagen der Irritation und Gewöhnung nur zu zusätzlicher Konfusion führte. Ein Rätsel ist übrigens auch, warum eine normale Cola in einer 200-ml-Dose angeboten wird, eine Coke Light und Sprite dagegen in einer 330-ml-Dose. Man muss wirklich nicht alles verstehen.

Die Reiter-Gruppe kam ebenfalls dazu und berichtete von ihren Abenteuer bei der Tour, die mit einer Action Cam für die Ewigkeit gesichert wurden. Rüdiger hatte anfangs Probleme, das Pony in Gang zu setzen, weil es das gefundene Gras viel leckerer fand. Er musste lernen, sich durchzusetzen. Gegenüber dem Pony. Iris spielte offenbar den Film «Ab durch die Hecke« mit einem Pony nach. Für Greta fand das alles sehr lustig. Übereinstimmend sagten aber alle, das es eine sehr schöne Tour gewesen sei.

Nach dem Lunch setzten wir uns in Bewegung, um den Pfad zur Welt-Ansicht zu bezwingen. Erste Zweifel kamen mir, als sich sah, dass man erst einmal in ein Tal hinabzusteigen, einen Fluss zu queren hat – der sich dort sehr idyllisch durch die Gegend schlängelte – und es sofort wieder auf den Berg ging. Die Sünde einer 200-ml-Dose Cola hätte sich damit sofort wieder erledigt. Die Beste aller Ehefrauen ging noch mit nach unten, bevor sie während des Anstiegs entschied, dass es keine gute Idee wäre, diesen Weg mit uns gemeinsam fortzusetzen. Der weitere Verlauf der Tour gab ihr recht. Wie jemand auf die Idee kommen konnte, den Weg als leicht zu beschreiben, erschloss sich uns nicht so recht. Es war ein harter Beginn und ich schwöre, so schön der Ausblick am Ende war, es war auch ein hartes Ende. Als ich oben ankam, ließ ich mich erst einmal fallen und hoffte, irgendwann wieder zu Luft zu kommen. Flott ein paar Fotos gemacht, dann hieß es, den Weg zurückzugehen und alle Abstiege, die wir zwischendurch hatten, und auf dem Hinweg noch toll fanden, entwickelten sich nun zu Aufstiegen, die verflucht gehörten.

Es wäre alles nicht so anstrengend gewesen, aber wir hatten einen gewissen Zeitdruck. Die Wanderung sollte zwei Stunden hin und zwei Stunden zurück dauern. Gegen sechs Uhr abends macht der Nationalpark zu und eine halbe Stunde später wird es dunkel. Wir waren erst um 13:45 Uhr gestartet. Eine leichte Überschlag-Rechnung macht deutlich, mit welcher Nadel unser Plan genäht war. Man könnte uns auch eine gewisse Unvernunft vorwerfen. Dass wir letztlich nur knapp 1:45 h benötigten, war unserem strammen Rückmarsch zu verdanken. Ich konnte nicht anders. An der letzten Tal-Senke, der mit dem idyllischen Fluss, kniete ich mich an das Ufer und trank das kalte, leckere Wasser. Eine Wohltat.

Die Wanderung begann etwa bei 1740 Metern. Der Fluss lag auf einer Höhe von 1690 Metern und von dort ging es dann in zwei Etappen auf 1800 Meter, bevor es wieder auf 1750 Meter herunter ging. Um auf den Gipfel zu kommen, ging es dann von 1775 Meter Höhe auf 1842 Meter. Zumindest den letzten Anstieg hätten sie durch einen Fahrstuhl krönen können.

Auf der Rückfahrt war wieder mal zu beobachten, dass uns von den verschiedensten Leuten – und nicht nur Kindern – vom Straßenrand aus zugewinkt wurde. Für die Kinder hätten wir Süßigkeiten dabei, aber die verweilen noch im Koffer von Susann.

Das Essen am Abend war lecker, auch wenn die Jungs gut und noch mal das gleiche Menü hätten essen können. Serviert wurde Lamm an Rotweinsoße eingebettet in Broccoli- und Kürbis-Gemüse. Aber sowohl die Vorspeise wie auch das Dessert – ein Zitronen-Pie – mussten sich nicht verstecken.

Um kurz vor neun Uhr wurde der Zapfenstreich eingeläutet. Müde waren mal wieder alle.