Sollte ich mich eines Tages entschließen, in das Heiratsschwindler-Geschäft einzusteigen, dann habe ich schon einen Plan. So sah es zumindest heute Morgen aus. Im Frühstückssaal war eindeutig ein Trend zu erkennen – ein frappierender Frauenüberschuss. Das verwundert nur auf den ersten Blick, denn der Blick in die Statistik macht eindeutig klar, um in dieses Geschäfts einsteigen, muss ich erst einmal überleben. Aber die Chancen stehen wiederum nicht so schlecht, wenn ich jetzt mal endlich anfangen sollte, ein wenig mehr Sport zu treiben.

Ich stellte meinen Plan der besten Ehefrau aller Zeiten vor, die ihn absegnete – in der festen Gewissheit, dass ich zu ihren Lebzeiten mit diesem Unsinn nicht anfangen würde. Da der Lauf der Dinge nicht vorher bestimmbar ist, gab ich ihr aber noch mit auf dem Weg, dass wenn sie mich überleben sollte, sie auf keinen Fall auf Heiratsschwindler hereinfallen sollte. Leichter gesagt als getan.

Mir scheint es so, als wäre Franzensbad schon mal ein guter Ausgangspunkt. Nachdem man hier hier geübt hat, könnte man sich nach Cannes oder Nizza begeben, um in der Königsklasse mitzuspielen.

Pläne sind gerade das Richtige für mich. Ich liebe es, Pläne zu machen. Der heutige Tag war nur locker verplant. Es war schönes Wetter bis zur Mittagsstunde vorausgesagt, dann sollte Regen eintreffen. Also standen wir recht früh auf, genossen den Frauenüberschuss im Frühstücksraum und wollten uns dann auf den Weg nach Cheb (früher Egger) machen. Im Fahrstuhl des Hotels trafen wir eine alte Dame, die uns bat sie mit in den 1. Stock zu nehmen – man muss eine Zimmerkarte haben, um den Fahrstuhl nutzen zu können.

»Wir haben nur eine Karte«, erzählte sie uns.
»Was? Wir haben zwei«, erwiderten wir wie aus einem Mund.
»Das verstehe ich auch nicht. Meine Freundin hat jetzt die Karte und die ist verschwunden.«
Wir nahmen sie mit in den ersten Stock. Sie stieg aus, schaute sich um und bevor der Fahrstuhl seine Tür wieder verschloss, war sie wieder bei uns und fuhr mit uns nach oben.
»Ich verstehe es nicht«, meinte sie, »meinen Rollator hat sie auch mit genommen. Ich bin schon 91 Jahre. Zeit wieder nach Hause zu fahren.«
»Das sieht man ihnen aber nicht an!« Doch tat man.
»Ich fahr dann wieder ins Restaurant und schau da noch mal.«
»Gut«, meinte die Beste aller Ehefrauen, »dann drücke ich mal die 0.«
»Null ist doch die Rezeption, das Restaurant ist doch in der -1«, wandte ich ein.
»Ach, stimmt, dann drücke ich die -1 auch noch«, sagte die Beste aller Ehefrauen daraufhin zur netten alten Dame.
Die schaute uns verwundert an und meinte: »Ich muss in den ersten Stock.«
»Da kommen wir doch her und sie kamen nicht ins Zimmer. Deshalb wollten Sie ins Restaurant.«
»Stimmt ja«, lachte sie auf, »wird Zeit, dass es wieder nach Hause geht.«

Ein gewisses schlechtes Gewissen hatten wir schon, andererseits sahen wir sie später nicht mehr im Hotel herumirren. Sie muss ihre Freundin also gefunden haben.

Cheb ist wirklich ein schönes Städtchen. Der Plan, das schöne Wetter auszunutzen, hatte einen Schönheitsfehler. Um kurz nach halb neun Uhr hat noch nichts auf. Nicht die Touristeninformation, keine Museen, keine Burgen – nichts. Macht die Stadt nicht weniger schön, nur leerer. Wir marschierten umher, kamen zur Touristeninformation zurück, marschierten dann gezielter und schauten uns einen schönen Klostergarten, eine ehemalige Gartenausstellung von oben und eine Burg an. Dann war die Zeit, die wir für das Parken bezahlt hatten, auch schon wieder vorbei und wir verließen Cheb im Sonnenschein.

Über Landstraße fuhren wir dann an einer alten Burg und einem verlassenen Fabrikgebäude vorbei, bevor wir bei einer weiteren Burg mit dem charmanten Namen Seeberg landeten. Der Eintritt war moderat und wir lernten gelehrten Mann aus dem 18./19. Jahrhundert kennen, der einen gewissen Sammeltrieb hatte – allerdings den eher verpönten Beruf eines Henkers ausübte. In dem Museum war auf vielen Tafeln ausführlich das Leben beschrieben, was wirklich sehr interessant geschildert wurde. Was ich gelernt habe war, dass Scharfrichter sich oft auch Wissen zum Heilen aneigneten, Goethe viel in Böhmen herumkam (fünfzehn Reisen sind hier verbürgt) und der Dichterfürst den Scharfrichter Karl Huss kannte. Letzterer hatte den Scharfrichter- und Heilerberuf an den Nagel gehängt und war als Chronist unterwegs, erwähnte Goethe nur einmal in seinen Chroniken, während Goethe Huss viel häufiger erwähnte. Man sollte meinen, es wäre andersherum.

Es hörte sich fast so an, als gäbe es einen Wasserfall bei Seeburg. Aber wenn, dann war er sehr minimalistisch ausgeprägt. Wahrscheinlicher ist, dass es sich nur um einen Bachverlauf handelte. Durch die Bäume war das aber nicht richtig zu sehen. So fuhren wir weiter, stellten fest, dass der Wetterbericht recht hatte und es ein wenig regnete, und suchten uns ein nettes Restaurant zu essen. Auch hier gab es wieder etwas zu lernen: Kofola ist die tschechische Variante von Cola und sehr, sehr erfolgreich. Sie schmeckt ein wenig fruchtiger als das, was wir in Deutschland an Cola haben. Zu meiner Freude darf ich berichten, dass sie weniger Zucker enthält, als die Cola-Sorten, die sonst so üblich sind und keine Phosphorsäure. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass sie nicht ganz meinen Geschmack trifft, womit die Vorteile obsolet sind.

In dem Restaurant auf einem Bauernhof bestellten wir unser Essen und, glaub es oder auch nicht, eine Minute nach den Getränken, die sehr flott bei uns waren, war auch schon das Essen bei uns am Tisch. Für ein Restaurant, dass nicht Fast Food anbietet, war das wirklich eine beachtliche Leistung.

Bevor man als Heiratsschwindler auf Reisen geht, die Erkenntnis nahm ich von dem Restaurant-Bauernhof mit, sollte man sich auf Tagestouren für Senioren ausprobieren. Auch auf den Fahrten konnte ich den Frauenüberschuss beobachten und es ist wohl eine günstige Möglichkeit zu üben. Noch nicht geklärt ist die Vorliebe älterer Damen für Hosen im beigen Farbton. Es gibt manchmal Nuancen ins Gelbliche oder Grünliche. Nur die Rebellen unter den Senioren tragen auf solchen Fahrten Jeans.

Den Nachmittag verbrachten wir dann ruhiger, bevor wir uns am Abend noch einmal ins Getümmel stürzten. Hah! Das war jetzt ein Witz. Wir fuhren noch einmal los, über Land, um ein Restaurant aufzusuchen, was wirklich gute Bewertungen bekommen hatte. Es lag in einer interessanten Stadt und bot riesige Schnitzel an. Die Portionen war so riesig, das gestandene Männer sich Folie geben ließen, um Reste mit nach Hause zu nehmen. Noch gestandenere Männer aßen jedoch auf. Es war gemütlich, die Bedienung war freundlich, jedoch hatte ich den Eindruck, dass es keine gute Idee ist, etwas jenseits der Schnitzelkarte zu wählen.

Im Hotel bekam die Beste aller Ehefrauen die Aufgabe, den morgigen Tag zu gestalten. Es sieht aber ein wenig danach aus, als hätten wir die wichtigsten Attraktionen schon abgegrast. Bei 70% Regen-Wahrscheinlichkeit werden wir den morgigen Tag auf jeden Fall gemütlich angehen lassen.