Plastikgeschirr zum Frühstück haben sie hier auch. Die Klobürste in den Hoteltoiletten sucht man auch vergeblich. Wal Mart haben sie. Und freundlich sind sie. Die Unterschiede zwischen den USA und Kanada scheinen hier in Toronto gar nicht so groß zu sein. Der Verkehr ist ungemütlicher, das stimmt wohl, und Pizza Hut wartet mit diversen Pizza-Größen auf, die wir vor zwei Jahren in den USA vermisst haben und schlägt in der Vielfalt sogar die deutschen Pizza Hut-Niederlassungen.

Heute waren wir bei Pizza Hut. Man nenne mich einen Langeweiler, aber bei Pizza Hut nehme ich immer die gleiche Pizza (das Leben ist zu kurz, um sich in der Beziehung mit Experimenten aufzuhalten): optimal ist Hühnchen, Mais, Champignons und vielleicht noch frische Tomate. Die meisten der Zutaten waren vorhanden, nur Mais fand sich nicht auf der Karte. Was heißt eigentlich Mais auf englisch? Susann wusste es nicht, und schon bevor wir die Bedienung fragten, was denn klein und gelb aussieht und süßlich schmeckt, was gern auch gegrillt wird und aus dem Popkorn gemacht wird, ahnten wir, dass wir es auf der Pizza Hut-Speisekarte in Kanada nicht finden würden. Überrascht wurden wir aber, dass zwei Bedienungen mit unserer Beschreibung nichts anzufangen wussten. Gibt es denn keinen Mais in Kanada? Das wäre schon mal ein eklatanter Unterschied zwischen den beiden. Mittlerweile wissen wir es wieder: Mais ist corn.

Gestern war schon der Tag der Abenteuer gewesen, was wir heute noch einmal ein wenig getoppt haben.

Ich habe mich ja schon darüber ausgelassen, dass Susann ein recht vorsichtiger Mensch ist. Nun hatten wir für den heutigen Tag überlebt, ob wir mal ins Hinterland fahren oder an der See entlang. Aber wir sind morgen schon genug unterwegs und werden wieder genügend Meilen abreißen. Von daher haben wir es gelassen. Stattdessen kam der Vorschlag auf, einen Freizeitpark mit ganz, ganz vielen Attraktionen aufzusuchen.

Müsste ich einen Eid ablegen, so könnte ich schwören, dass ich nicht darauf gedrängt habe, in diesen Park zu fahren, der sich hier Paramount Wonderland nennt. Er war nur dreißig Minuten entfernt und so machten wir uns heute morgen auf den Weg zu diesen Wundern. Susann wurde, als wir in die Straße einbogen, die zu dem Park führte, schon ganz schlecht: »Mir wird ganz übel.«, einen Satz, den ich an diesem Tag noch mehrmals hören sollte.

Der Eintritt betrug etwa 40 Euro pro Nase, und dafür dass (fast alle) Attraktionen im Preis inbegriffen waren, ging der Preis in Ordnung. Nun sind wir auch nur alle Jubeljahre in einem Freizeit-Park, das letzte Mal in Orlando vor zwei Jahren, eine halbe Ewigkeit.

Es ist sicher eine gute Idee, einen solchen Besuch unter der Woche vorzunehmen. Allein waren wir nicht. Aber man stand selten länger als zehn Minuten an einer Attraktion. Das Wetter, heute waren 27 Grad Celsius, war optimal für einen solchen Spaß.

So recht kann ich mich gar nicht mehr erinnern, wann ich mit dem Schnack anfing. Wahrscheinlich ging es vor zwei Jahren los, als wir in Orlando waren. Mein Traum war es, mit Susann mal Wasserrutsche zu fahren. Das hatten die in dem Park damals nicht. Auch hier sah es anfangs nicht so gut für eine Wasserrutschenfahrt. Ich schleppte, im wahrsten Sinne des Wortes, Susann zu einer Achterbahn namens Dragon Fire. Arglos war die beste aller Ehefrauen nicht, also kann man mir keine Heimtücke vorwerfen. Die Achterbahn könnte man klassisch nennen und hatte zwei Loopings, was ich bis dato noch nie mitgemacht habe. Es gab also reichlich Gelegenheiten zu brüllen und kreischen. Es war einfach herrlich. Wenn man nicht Susann hieß und die Augen während der Fahrt fest zugekniffen hätte. Schon nach dieser einen Fahrt, erklärte sie mit festem Wille, welche Attraktionen sie nicht betreten würde. Die Bedingungen waren sehr hart und schlossen bis auf »Entchen fischen« so gut wie jede Attraktion aus. Alternativ kam das Angebot, mir den Parkbesuch zu erstatten. Kam natürlich nicht in Frage.

Nachdem wir die Schönigkeiten in der näheren Umgebung (Kinderattraktionen im Hanna-Barbera Land, nicht weiter diskutabel) betrachtet hatten, entschlossen wir uns (also vielmehr ich), es mal mit dem Wild Beast zu probieren. Eine große Holz-Achterbahn wie sie im Buche steht, allerdings ohne Loopings. Darauf hatte Susann auch bestanden: Nix über Kopf, das eine hätte ihr gereicht.

Wir standen kurz vor der Abfahrt, da gab es das kurze Statement, dass sie Holz-Attraktionen nicht trauen würde. Das wäre nicht stabil. Ich habe am heutigen Tag das Augen-Verdrehen perfektioniert und fiel zurück in kindliche Sturheit, in dem ich stehenblieb, bis Susann meinte: »Na los! Die machen wir noch!« Es war schrecklich. Ich gebe es ganz offen zu, diese Achterbahn war wirklich ein Biest. Es gab zwar keine Loopings, aber die Geschwindigkeit und das Rütteln reichen vollkommen aus. Aber wir machten schon Fortschritte: Die Augen blieben auf!

Unser nächster Versuch war eine harmlos aussehende Bahn namens »The Fly«, die aber nur halb so harmlos war, wie sie aussah. Gegen die anderen beiden war sie aber schon Kinderkram. Susann fand’s nicht weiter aufregend, wurde richtig abgebrüht.

Von der Attraktion aus sahen wir schon einen Höhepunkt, der mich in helle Aufregung versetzte: Timberwolf Falls, eine Wasserattraktion, wie sie nur meinen Träumen entsprungen sein konnte. Die Wasserrutsche, die ich mir schon fast immer gewünscht habe. Wir standen schon in der Schlange, als Susann erklärte, das käme nicht in Frage, man würde ja ganz nass werden. Das ginge nicht. Augen verdrehen funktionierte nicht, da Susann schon bestimmt und geordnet den Rückzug angetreten hatte. Wir einigten uns darauf, diese Attraktion nicht auszulassen sondern einfach an den Schluss zu verschieben.

Es trieb uns zum White Water Canyon. Man sah, von der Position, die wir hatten, Leute auf überdimensionierten Reifen vorbei schwimmen. Das gefiel Susann. Keine Achterbahn, schön auf dem Wasser rumschippern. Als wir in der Schlange schon ziemlich weit vorne standen, sahen wir die Leute, die die Attraktion schon hinter sich hatten, an uns vorbei ziehen. Einige sahen feucht aus, andere nass und wiederum andere pitschnass. »Das wird ganz schön feucht«, dachte ich mir, sagte aber nichts. Das wollte ich auf jeden Fall mitmachen. Zu Susann meinte ich nur, dass einige wohl nicht soviel Glück gehabt hätten. Alsbald stiegen wir in einen Reifen, mit uns noch vier weitere mutige Gesellinnen und Gesellen.

So ein Reifen dreht sich. Bei Wildwasserfahrten, ach ja, es war eine Fahrt durch ein künstliches Wildwasser, dreht er sich noch mit einer größeren Wahrscheinlichkeit. Nicht so schnell, dass man an eine Achterbahnfahrt denken würde, aber doch so, dass jeder mal ein wenig nass wird. Und es war so angelegt, dass man immer mal wieder nass wird. Es gab Fontänen und Wasserfälle, ich war schon weit vor dem Ende pitschnass. Zum Schluss sah man noch einen harmlosen Wasserstrahl, der dann den Rest der Besatzung richtig einnässte. Mir ist ein Rätsel, wie man die Attraktion halbwegs trocken verlassen konnte und beneidete die Herrschaften, die vorher ihr T-Shirt ausgezogen hatte. Ach ja, die Schuhe blieben übrigens trocken. Auch noch so ein Mysterium.

Jetzt war ja alles egal, also ging es von dem White Water Canyon zurück zu den Timberwolf Falls. Hier hatte sich mittlerweile eine größere Schlange gebildet. Eigentlich besteht der ganze Witz der Veranstaltung daraus, sich ordentlich nass machen zu lassen. Man wird auf eine Plattform hochgezogen und dann eine Wasserbahn hinunterbefördert in ein großes Becken mit Wasser, welches gehörig spritzt, wie man dem Bild entnehmen kann. Danach ist man ganz nass. Aber es macht irgendwie total Spaß. Wer noch mehr nass will, kann sich auf die Brücke über der Attraktion stellen und wird dann ganz fix nass.

Nein, ich kann nicht erklären, warum man solchen Unsinn macht und dann auch noch völlig durchnässt durch einen Vergnügungspark tappt. Ich würde es aber wieder tun.

Danach gab es noch eine erwähnenswerte Attraktion, die ich unbedingt mitmachen wollte: Vortex. Die Aufhängung war oben und man wurde durch die Gegend geschleudert (breites Bild). Die Bahn sah wesentlich harmloser aus, als sie war. Sie war wahnsinnig schnell und man wurde in die Kurven gelegt. Aber dadurch, dass es kein Geratter gab, war es auch wieder komfortabler. Wenn man überhaupt von Komfort sprechen kann.

Susann hatte sich an diesem Tag zu einem Achterbahn-Gesellen gemausert, an dem Meisterbrief werden wir demnächst mal weiterarbeiten. Immer wieder wanderte heute nachmittag ein Lächeln über ihr Gesicht, wenn sie an die Attraktionen dachte, deren Benutzung sie heute Morgen nicht einmal in Erwägung gezogen hätte.

Mehr Bilder aus Toronto gibt es hier.

[Ergänzung zu gestern: Nach Mitternacht, wenn sich die Fernfahrer zu Bett gelegt haben, kann man auch die Flugzeuge hören, wenn sie über die Airport Road einfliegen. Dann hört man sie leider sehr, sehr gut.]