Das habe ich so aber auch noch nicht gemacht: Koffer ausgepackt. Aber wenn man fast drei Wochen an einem Ort ist, so dachte ich mir, dann kann man auch mal die Koffer auspacken. Ist ja hier wie mein neues Zuhause.

Hier fährt eine Eisenbahn irgendwo in der Nähe und die tutet laut vor sich hin. Das muss ich mir bei Gelegenheit mal anschauen. Nach der Geräuschkulisse zu urteilen, ist es wohl ein unbeschrankter Bahnübergang, denn dieses Tröten, das man aus vielen Filmen kennt, bei denen ein Protagonist auf den Schienen stehen geblieben ist, eingekeilt zwischen zwei anderen Autos oder auf eine andere Art und Weise angekettet, kommt dann nicht nur einmal, sondern versteht sich als Wecker-Ersatz.

Aber ich möchte erst einmal fortfahren, wo ich gestern stehengeblieben bin: Im Flugzeug. Mein Palästinenser, das vergaß ich, musste seine Zollerklärung unterschreiben. Was ich ihm sagte. Als ich das nächste Mal zu ihm blickte (oder hatte die neben ihm sitzende Französin noch eine Frage?), war er immer noch mit seiner Unterschrift beschäftigt. Er malte die Zeichen aus dem Pass ab. Das ist so zu verstehen. In seinem Pass gab es sowohl arabische Zeichen (die mich sehr irritierten) und die lateinischen Buchstaben. Er malte nun, in der Annahme, dass es notwendig sei, die lateinischen Buchstaben ab, statt mit dem für ihn gewohnten arabischen Buchstaben zu unterschreiben. Dass das genauso wie Kindergekritzel aussah, wie wenn ich versuchen würde, meinen Namen in arabischer Form zu schreiben, kann man gut verstehen. Was mir nicht ganz klar war, wie die Zollbehörde damit umging.

Das Flugzeug landete pünktlich, überpünktlich wie ich schon erwähnte. Fix waren wir aus dem Flugzeug und reiten uns in die Schlange ein. Der Immigration Officer schickte ihn und wieder Leute wieder zurück, die sich anschließend daran machten, ihr Formular zu überarbeiten. Was daran nun falsch war, konnte ich nicht nachvollziehen. Vermutlich konnte er die Schrift nicht lesen, oder ihm waren die Zeichen falsch (oder, letzte Variante, er saß, dass die Zeichen nicht maschinenlesbar waren). Mein zuständiger Beamter sah zwar nett aus, war aber nicht von überbordender Freundlichkeit. Aber wer will auch schon den ganzen lieben langen Tag Leute abfertigen und immer quasi-interessiert fragen, was man denn hier mache, wie lange man bleibe und und und. Meine Befürchtung war, dass der ausgefüllte Kästchen geschäftlich ihn etwas mehr auf Trab hielt, aber nein, er fragte nur, für welche Firma ich arbeiten würde, ich nannte sie ihm, er nickte daraufhin auf seinen Computer blickend, und ich bin mir sicher, dass ich ihm die Antwort gegeben habe, die er in seinem PC schon hatte. Schließlich wurde das beim Visa-Antrag alles schon abgefragt, und gewiss konnte er auch sehen, wer die Flugtickets bezahlt hat.

Interessanter wurde es schon beim Zoll. Da ich bei meinem ersten Besuch meinen Koffer auspacken durfte, hielt ich es für eine gute Idee, das Formular korrekt auszufüllen. Die Legion Gummibärchen, die ich dabei hatte, ließ ich unerwähnt, wie auch das Marzipan. Auch die Weizenbiergläser für Arnd, die Kugelschreiberminen und das komische Sonnenschutzzeug. Mein Gedanke war, dass der Wein die Zöllner interessiere würde und das merkwürdig eingepackte Paket, das ich im Auftrag meiner Tante hier verschicken soll. So schrieb ich die Bluse noch auf.

Interessante Frage ist immer, was ist es Wert. Man darf für maximal hundert Dollar Geschenke und Sachen mitbringen. Danach wird verzollt. Eine gute Strategie, da ich die wahren Werte nicht (mehr) kannte, wäre es, nicht zu weit unten zu liegen und andererseits auch nicht zu nahe an den hundert Dollar, um das Interesse nicht zu erwecken. Mit dem Wein war das so eine Sache: Es ist wirklich guter Wein, den ich vor Jahren gekauft habe. Aber was ist der jetzt Wert? Mehr oder weniger. Keine Ahnung, der wahre Wert wird sich erst beim Trinken herausstellen. (Und da bin ich schon gespannt.)

Aber der Wein, was für ein Glück, interessierte den Zöllner überhaupt gar nicht. Er blickte auf die Zollerklärung, zog die Brauen hoch und fragte: A Blouse? Ich versuchte ihm zu erklären, dass dies eine Bluse für eine Freundin wäre. Da hackte er ein, bevor ich dazu kam, zu sagen, dass es nicht meine Freundin wäre, sondern die meiner Tante. Eine hiesige Freundin oder eine die aus Deutschland wäre? Ähm, war die Freundin meiner Tante aus Deutschland? Keine Ahnung, also brachte ich schnell meine Tante ins Spiel, und er verlor sein Interesse und wünschte mir einen guten Aufenthalt.

Ich kam die Empfangshalle und mein Denken war nur noch auf das eine gerichtet: Geldautomat. In meiner Brieftasche befanden sich noch zehn Euro, damit konnte man keine weiten Sprünge machen. Angekommen war ich wohl in Level 0: kein Geldautomat. Ich fuhr mit dem Fahrstuhl eine Ebene hoch, das hörte sich vielversprechend an: kein Geldautomat. Die ersten Schweißperlen traten auf meine Stirn und ich fragte mich, ob dies der erste Flughafen ohne Geldautomat wäre oder mit einem, der fantastisch versteckt war. Letztere Variante erwies sich als wahr. In Detroit hat man offenbar Geld und braucht keinen Geldautomaten. Als ich es schon aufgegeben hatte und auf dem Weg zum Rental Car-Bus war, entdeckte ich einen. Gerade wegen diesem brauchte ich ja ein wenig Geld. Schließlich will man sich dem Fahrer, wenn er einem das Gepäck eingeladen hat, irgendwie erkenntlich zeigen. Ob es Strategie war oder nicht, kann ich nicht sagen, das Trinkgeld wäre recht reichlich ausgefallen, denn der Automat gab nur Zwanziger daher. Nancy, die Fahrerin des Busses, half aber nicht und musste deshalb auf diesen Gehaltsbestandteil wohl immer verzichten. Da haben es die Männer in ihrem Gewerbe besser. (Hatte ich schon erwähnt, nein habe ich nicht, dass wir auf der Fahrt von Neumünster nach Hamburg an einer Kolonne von Bundeswehrfahrzeugen vorbeigekommen sind und einige der Laster von Frauen knapp über zwanzig gelenkt wurden? Das ist an sich nicht weiter bemerkenswert, ist aber für die umzugswillige nachwachsende Generation gut zu wissen, dass man nicht mehr nur Kerle fragt, ob sie einen LKW-Führerschein haben und den Wagen beim Umzug lenken könnten, sondern auf die Mädels auf der Rechnung haben muss.)

Blick auf das geöffnete Bad.Wir wurden zu National/Alamo gefahren und hier bekam ich zügig meinen Wagen. Compact, das ist die zweitkleinste Klasse, die gibt und ich widerstand den Angeboten des Angestellten, einen höherwertigen Wagen zu nehmen. Es war mittlerweile zweiundzwanzig Uhr. Für mich war das in etwa vier Uhr nachts, seit sieben Uhr war ich auf den Beinen, ich war aber noch soweit bei Bewusstsein, dass ich einen Kia vermied und dafür einen Saturn (was ist das für ein Auto?) nahm, der mit texanischem Kennzeichen daherkam. Die Leute hier sollten auch im Auto kein Problem haben, mich als Auswärtigen einzuordnen.

Die Fahrt war nach einer Stunde zu Ende und ich traf wohlbehalten im Hotel ein. Das Zimmer ist groß, hat einen Kühlschrank, eine Mikrowelle, einen großen Fernseher und ein Yakuzzi. Das hatte ich ja noch nie. Als ich in das Zimmer kam und die ganzen verspiegelten Flächen sah, dachte ich mir: Hey, die haben aber viele Schränke hier. Dann betrachtete ich das Badezimmer, was sofort meine Gnade fand und entdeckte die Badewanne. Wow! Aber die Rückseite war ja nicht ganz so fein, das schien mir irgendwie billig. Bis ich darauf kam, dass die eine Glasfront gar kein Schrank war und ich auch vom Badezimmer nicht auf die Rückseite eines Schrankes starrte, sondern dass es sich nur um einen verschiebbaren Spiegel handelte. Beiseite geräumt saß man also mitten im Raum. Ich werd’s gleich mal ausprobieren.