Was wirklich ekelhaft ist, dass man anfangs seinen Rhythmus finden muss. Ist man im Urlaub hier, ist es einfacher. Man kann sich mit seine Angewohnheiten anpassen und gibt sich in den ersten Tagen etwas mehr Zeit. Die Zeit habe ich hier nicht so wirklich. Zu der Zeitumstellung kommt noch eine andere Umstellung, die noch gewöhnungsbedürftiger ist: die Arbeitszeiten.

Ich bin nun nicht gerade ein Früh-Frühaufsteher, aber bin schon bemüht um acht Uhr in der Firma zu sein oder gar etwas früher. Mein Arbeitstag ist dann in der Regel um fünf, sechs Uhr beendet; auf Dienstreisen manchmal ein oder anderthalb Stunden später. Längere Sessions sind möglich, aber nicht die Regel.

Hier ist es nun ganz anders: Man fängt erst nachmittags an zu arbeiten und ist dafür nach Mitternacht aus der Firma heraus. Zumindest ist jetzt hier, wo wir eine kleine Zeitung in der Nähe von Detroit umstellen, so. Gestern, meinem ersten Arbeitstag, haben wir das Gebäude um drei Uhr nachmittags betreten und um halb zwei Uhr wieder verlassen. Das sind gar nicht mal so viele Überstunden, die dabei angefallen sind, aber nach meiner noch immer aktiven inneren Uhr war es sechs Uhr morgens.

Ich kann mich gar nicht recht erinnern, wann ich das letzte Mal bis zehn Uhr morgens geschlafen habe und dann immer noch richtig wach war.

Bei Telefonkonferenzen, die ich in den letzten Monaten erlebte, hatte ich gemerkt, dass ich den einen besser verstand und den anderen nicht so gut. Das lag nicht zwingend am Telefon. Das ist im real life auch nicht viel besser. Bei manchen Leuten habe ich das Gefühl: Ein Satz = ein Wort. Das macht es schwierig, Konversationen zu folgen, an denen man nicht direkt beteiligt ist. Sprechen Sie mit mir, bemühen Sie sich redlich, langsam und deutlich zu sprechen. Im Augenblick habe ich noch ein komisches Bauchgefühl, aber mit meinem besten Freund, dem Translator, werden wir die Situation schon meistern.

Die Leute sind hier, wenn man sie als Schulungsteilnehmer betrachtet, nicht anders als anderswo. Gestern bemühte sich Dianne redlich, das Anmelden in das Redaktionssystem zu erklären, was zugegebenermaßen aus mehreren Schritten besteht. Sie verbrachte zwanzig Minuten damit, das Passwort klar und deutlich zu kommunizieren. Es kam bei einem Teilnehmer nicht richtig an, zwanzig Minuten lang nicht und ich dachte mir so: Ist ja nicht viel anders als zu Hause.

Vorgestern Nacht, als hier ankam, konnte ich nicht direkt in die Straße einbiegen, in der mein Hotel lag. Ich musste ein wenig weiterfahren. Die Straße war (und ist) in jede Richtung, zwei- bis dreispurig und hatte in der Mitte einen Grünstreifen. Es hieß also bis zur nächsten Ampel weiterfahren und dort umzudrehen. Das klappte soweit problemlos. Die Wagen vor mir wollten das auch tun. Hielten kurz und bogen dann links ab. Ich war schwer irritiert, denn die Ampel zeigte ein so dunkles rot, dass man in der Versuchung war, selber in der Farbe anzulaufen. Besonders bei dem Gedanken, die Ampel zu missachten. Ich wartete also geduldig, bis es grün war und fuhr dann los. Gestern fragte ich dann Arnd, ob man es hier mit den Ampeln nicht so nehmen würde. Er fragte zurück, wie ich denn darauf käme, und ich erzählte es ihm. Ja, das wäre erlaubt, meinte er. Denn jede Seite wäre eine Einbahnstraße und wie man an Kreuzungen rechts abbiegen darf, wenn zwar rot ist aber kein anderes Auto kommt, so kann man bei Einbahnstraßen nach links abbiegen. Das wäre ja auch irgendwie logisch.

Gut, sind zwar zwei unterschiedliche Sachen und zwei unterschiedliche Richtungen. Und man muss es halt wissen. Was mir jetzt beim Schreiben einfällt, wo ich darüber so nachdenke, ist, ob das für Geradeausfahrer auch gilt. Vermutlich sind.

Die Regelung mit dem rechts abbiegen bei rot, wenn kein anderes Gefährt kommt, ist eine praktische Sache und wird hier so geregelt, dass nur dann ein Schild an Ort und Stelle zu finden ist, wenn es verboten ist. Aber, so habe ich gestern auch noch erfahren, diese Erlaubnis gilt nicht in allen Bundesstaaten. Bevor man als Auswärtiger sich zu solchen Rot-Abbiege-Aktionen hinreißen lässt, sollte man also gefälligst die einheimischen Verkehrteilnehmer beachten.