Vielleicht ist es ja ein ganz raffinierter Schachzug, sich neben einem sehr etablierten Restaurant zu positionieren, wie es das »Testoria« getan hat. So kann man schon mal auf den falschen Gedanken kommen, es haette vielleicht etwas mit dem »Juliette« zu tun.

Mir liegt es fern, ungerecht zu urteilen. Bevor man in das Restaurant geht, muss man wissen, dass es sich um ein Ausbildungsrestaurant handelt. Hier kochen und bedienen Lehrlinge. Da kann es dauern, da kann mal was schiefgehen, dort lebt man auch von der Kritik der Gaeste. Die Lage des Restaurants in der Jaegerstrasse ist fuer Potsdamer Verhaeltnisse eine wirklich sehr gute Adresse und die Naehe zu einem absoluten Top-Restaurant (Menu-Preis am Wochenende: 54 Euro), laesst eigentlich das Beste hoffen. Vielleicht schwappt ein wenig Einfluss herueber.

In der Tat bekommt man einen sehr angenehmen Eindruck, wenn man das Restaurant betritt. Eine sehr schoene Farbgebung und eine gediegene Einrichtung laden zum Bleiben und Speisen ein. Das Restaurant hat zwei Gastraeume, links und rechts von der ehemaligen Einfahrt und es sah auch so aus, als haetten sie einen Biergarten.

Die Preise auf der Karte kann man eines nennen: Sie sind moderat und guenstig. Es gibt eine Mittagskarte, die ebenfalls schmackhafte und guenstige Gerichte enthielt. Ob man aber wirklich das »Testoria« als Kantinenersatz nehmen kann, mag ich bezweifeln. Denn auf eines darf man sich nicht verlassen: eine flotte Abwicklung.

»Ich schaetze es sehr, dass nicht Gang auf Gang folgt – es bleibt wirklich Zeit.« Den Satz unserer Freundin haben wir sofort unterschrieben. Allerdings wurde uns die Zeit nachher wirklich sehr lang. Aber ein ganz anderer Punkt brachte uns vorher viel mehr zum Schwitzen. Mein Auge fiel auf das lauwarme Kirschgelee auf Entenbrust. Das wurde vor mir bestellt und da wurde uns mitgeteilt, dass es aus waere. Sehr bedauerlich, aber nicht zu aendern. Plan B bestand aus den Kartoffelpuffern mit Rauecherlachs. Mir wurde mitgeteilt, dass waere ein Hauptgang. Uns wurde schon vorher angedeutet, dass die Portionen reichlich waeren. Also doch das Capaccio, dass dann alle am Tisch nahmen.

Die Hirschmedaillons waren auch aus, das war jetzt schon ein wenig bloede. Aber da waren ja noch die Schweinemedaillons an Honigmelonensosse, was auch nicht schlecht klang.

Zuerst kam das Brot. Ploetzlich stand vor mir ein Teller mit (reichlich) Butter, mit der Bemerkung, dass auf dem Tisch ja nirgendwo mehr Platz waere. Eine klare Disqualifikation fuer die Bedienung. Egal, ob sie im ersten oder zweiten Lehrjahr war. So ging es einfach nicht. Der Prosecco vom Hause war sehr schmackhaft. Die Glaeser standen aber bis zum Schluss auf unserem Tisch – leer versteht sich. Auch keine Meisterleistung. Die Bedienung, am Anfang noch nett und bemueht, war wohl etwas ueberfordert, uns bei Laune zu behalten.

Es kam der Gruss aus der Kueche (schmackhaft) und auch die Vorspeise war alsbald bei uns am Tisch (auch sehr schmackhaft). Dann allerdings brach alles ein. Die Bedienung sahen wir kaum noch, so dass man kaum Gelegenheit hatte, etwas zu bestellen und weit nach dem Hauptgericht ereilte uns die Information, dass es keinen Raeucherlachs mehr zu den Puffern gaebe, die unser Freund als Hauptgericht gewaehlt hatte. Ob Schinken denn auch o.k. waere. Kein Problem.

Dann dauerte es wieder. Zwischen halb zehn und zehn erschien das Hauptgericht – zu dem Zeitpunkt waren wir schon zweieinhalb Stunden im Restaurant und der Spruch von »Es ist schoen, Zeit zwischen den Mahlzeiten zu haben.« schien uns reichlich ausgelebt zu werden. Die Nudeln, die da kamen, waren aber quasi kalt, und zu den Kartoffelpuffern mit Schinken gab es die Lachssosse. Das passte nicht wirklich.

Aber kalte Nudeln sind auch lecker, also kein Problem. Dass die Pesto allerdings sandig war, liess die Zustimmungsquote auf margere 50 Prozent sinken. Die Nudeln gingen zurueck und kamen nach zwanzig Minuten, die anderen Essen waren mittlerweile mit dem Essen fertig, zurueck. Allerdings war keine Pesto mehr auf und in den Nudeln zu finden. Da konnten auch die Trost-Oliven nicht troesten.

Also: Der Besuch in dem Restaurant kann sich zu einem Abenteuer entwickeln und man sollte Zeit mitbringen. Kommt man zur rechten Zeit, hat man fast vollstaendig ausgebildete Koeche und bekommt fuer einen Top-Preis oberleckere Speisen. Es kann aber auch ganz anders kommen.