Irgendwann Mitte Januar hatte ich einen Anfall: »Wie wäre es mit Sport?« fragte die eine Gehirnhälfte, die ich eher in der Richtung Vernunft verorten würde. »Nein, was ist denn das für einen Schmarrn«, meinte daraufhin die emotionalere Hälfte, die dafür zuständig ist, dass ich mich auf der Couch platziere und mit irgendwelchen technischen Gerätschaften herumspiele, die gleichzeitig ein Bedürfnis nach Chips entwickelt und sich dann in der Regel daran macht, die Herrschaft zu übernehmen. Das war keine Meinung, sondern vielmehr eine Festlegung. »Das mit dem Gewicht ist nicht so dolle und die Fitness lässt auch zu wünschen übrig«, wandte die Vernunft ein. »Äh!« kam es zurück, und damit ist nicht die langgestreckte Variante gemeint, die Verlegenheit und Überbrückung meint, sondern das kurze »Äh«, welches gleichbedeutend mit »Schmäh«, »Dummkopf«, »Spaßbremse« und einer gewissen Prise von Verachtung einhergeht. Aber die Vernunft hatte an diesem Tag keinen schlechten Stand und nach einigem Für und Wider wurde beschlossen, dass man die Idee nicht sofort verwerfen sollte. Vielleicht ließen sich ja positive Nebeneffekte erzielen, von der auch die emotionale Seite partizipieren würde.

Anfang Februar war ich in Heide und es packte mich in der Mittagspause, dass ich in ein Kaufhaus ging und nach Sportschuhen verlangte. Für den Kauf einer Sporthose reichte dann die Kraft nicht mehr auf. Der emotionalen Seite war dies schon fast zu viel. Denn es galt sich mit der Frage zu beschäftigen, was man denn machen könne. Die Vernunft hatte nur eine Antwort parat: Fitness-Studio. Die Fitness würde ja schon im Wort stecken, das würde auf alle Fälle schon mal als Motivation helfen. Die emotionale Seite war noch nicht ganz überzeugt und meinte, das hätten wir schon mal probiert und es wäre absolut schrecklich gewesen. Lang durchgehalten hätten wir auch nicht und es war rausgeschmissenes Geld gewesen. Ein Pluspunkt für die emotionale Seite wie auch die Vernunft einräumen musste. Viel Geld war es gewesen, aber warum es nicht erneut probieren? Das Thema wurde vertagt.

Am Abend wurden zu Haus die Sportschuhe präsentiert, eine Erklärung musste nachgereicht werden. »Ich überlege«, so meinte ich zu meiner Liebsten, »mit Sport zu beginnen.« Nachdem vierten Wort war die Stirn von Susann schon eine Kraterlandschaft. Das Wort »Sport« hat eine merkwürdige Wirkung, anders kann man es nicht sagen. Eigentlich hatte ich eine gewisse Hochstimmung erwarten, aber das ganze Gegenteil war eingetreten. Nun wusste ich, dass es noch keine Einigung zwischen Vernunft und Emotion gegeben hatte, aber ich nach: »Fitness-Studio wäre eine Option.« »Was? Und das sagst Du mir so?« Ganz und gar nicht die Reaktion, die ich erwartet hatte…

Meine Erwartung wäre gewesen, dass meine Frau aufspringt, ins Schlafzimmer rennt und dort die Sachen zusammenpackt, mich mit meinen Sachen zusammen einpackt und mir in der selben Minute noch etwas Unterschriftsreifes vorlegt.

Wie ich denn darauf käme? Was mich reiten würde? Fitness-Studio?

Ich musste mich offenbaren: Die Idee würde schon zwei Wochen in mir schlummern. Nein, ich hätte sie nicht eingeweiht, schließlich musste es reifen. Nein, sie müsste nicht mitmachen, wenn sie nicht wolle.

Letzterer Satz ist übrigens eine große Gemeinheit und Falle von mir gewesen, die aber immer wieder funktioniert. Ich wusste ja, dass sie nicht »nein« sagen konnte. Die Phase des Schocks legte sich rasch, dann wurde ich zu meinen Plänen gefragt und zwar konkret. Nicht Larifari, sondern ganz konkret. Blöd, dass ich mit mir noch nicht im Reinen war. Ich sagte, ich würde noch eine Sporthose benötigen, vorher würde man sowieso nichts machen können.

Kurze Zeit später hatten wir einen Termin im Fitness-Studio bei uns vor Ort. Eine Schnupper-Training über fünf Wochen, für was man aber ordentlich zu Löhnen hat. Man hat noch keinen Vertrag, der einen bis zum Lebensende an das Studio bindet, und kann sich erst mal anschauen, was für Gestalten dort so umherlichtern. Der erste Eindruck war schon mal ganz anständig.

Benny stellte uns den sogenannten Milon-Zirkel vor, eine Mischung aus Ausdauer- und Fitness-Training. Zeigte, wie die Geräte funktionieren und stellte sie auf unsere körperlichen Gegebenheiten ein. Ich kann nicht sagen, dass ich bei dieser Gelegenheit das Potential dieser Folterinstrumente ganz erkannt hätte. Eine großartige Erfindung, die bisher völlig an mir vorbei gegangen ist, ist das sogenannte Slim-Belly-Training (ich hoffe, dass ich es richtig schreibe, aber ich mach mir jetzt keine Mühe, nachzuschlagen). Es ist nichts andere als Fahrrad fahren, nur dass man einen Gurt trägt, in den in regelmäßigen Abständen Luft hineingepustet wird und auch wieder abgelassen wird. Es soll einen Effekt haben. Nun ja. Ein Effekt ist, dass man in der Bauchgegend nach dem Training ordentlich nassgeschwitzt ist. Ich hoffe mal, dass es noch andere Effekte gibt.

Fahrrad fahren kann man ja auch in der Natur. Bei schlechtem Wetter macht es halt keinen Spaß und man tut es nicht so. Andererseits hat es natürlich ein Geschmäckle, jetzt mit dem Auto zum Fahrrad fahren zu fahren. Besser ist ja noch: Mit dem Auto zum Joggen. Aber wurscht, vielleicht kann man an schönen Tagen auch mit dem Fahrrad zum Fitness-Center fahren. So die Idee.

Wie schon erwähnt, habe ich das Potential der Folter des Milon-Zirkels beim ersten Mal nicht erkannt. Aber es ist beträchtlich. Erfreulicherweise ist gleich das erste Gerät – der Beinstrecker – meine Hassliebe Nummer 1. Wenn man das Gerät das zweite Mal passiert hat man schon zwanzig Minuten hinter sich und stellt sich dieser Herausforderung nur noch sehr ungern.

Erstaunt bin ich darüber, dass es wirklich Spaß macht. Nach vierzig Minuten ist man fix und fertig und freut sich trotzdem auf das nächste Mal. Man weiß, dass man etwas gemacht… der vernünftige Teil von mir weiß, dass es notwendig ist, und der andere Teil ist auch auf seine Kosten gekommen. Eine klassische Win-Win-Situation.

Es steht nicht zu befürchten, dass wir es übertreiben. Dagegen spricht schon das Zeitkontingent was zur Verfügung steht. Es beschränkt sich mehr oder weniger auf das Wochenende und jeden Tag werden wir es da wohl auch nicht schaffen.