»Das geht nicht! Das können wir so nicht machen!« »Warum nicht? Funktioniert doch!« »Ja schon«, erwiderte ich, »aber die Anzahl der Kopien beinhaltet nicht das Quell-Objekt. Das ist nicht logisch.« Von der anderen Seite kam nur ein Grummeln. Schließlich: »Ich kann das ändern.« »Fein.« Als ich die Änderung zu Gesicht bekam, wurde ich blass. Statt die Funktion zu ändern, hatte er einfach nur den Beschreibungstext im Dialog geändert und statt »Anzahl der Kopien« stand nun »Anzahl Objekte« dort. Womit die Funktion richtig beschrieben war, aber es war das ganz Gegenteil meiner Erwartungen. Man konnte es in den Augen von JJ blitzen sehen und er lächelte.

Nein, das war auch nicht die Welt von JJ. Irgend welche Dialoge zu kreieren, in denen sich nachher Benutzer tummelten, die er sowieso nie zur Gänze verstand, das war nicht sein Ding. Wohler fühlte er sich in den tiefen des Systems. Als ich einmal zu ihm kam, und in einem lockeren Gespräch erzählte, wie ich mir vorstellen könnte, wie unser neues Batch-Programm aussehen könnte. Ich fantasierte so vor mich hin, erzählte was von Load Balancing, wie bei Webservern und dachte nicht daran, dass so etwas im Traum realisiert werden könnte. Da hatte ich den Kollegen JJ unterschätzt: Fasziniert konnte ich kurze Zeit später ein total renoviertes Programm bestaunen, welches meinen Fantastereien ziemlich nahe kam. Der Unterschied zu dem Eingangs erzählten Dialog: Das Programm konnte nur über die Kommandozeile bedient werden.

Ich erinnere mich auch gern, dass der Kollege Sachen gern unter der Hand programmierte. Eigentlich waren sie nur angedacht, der Vertrieb hatte noch keine Chance eine solche Funktion zu verkaufen, da waren sie schon fertig und im Programm. Bös zurück gepfiffen wurden wir. Die Funktion war natürlich drin und wurde nicht ausgebaut. Der Tastaturbefehl für diese Funktion ist heute noch in aller Munde: ESC V V 1 – wobei »V V« für Vertriebsvorgang stand. Einen gewissen anarchistischen Grundzug konnte man ihm nicht absprechen. 

JJ mochte Windows nicht und liebte alles was mit den -ixen zu tun hatte, anfangs die DLD später auch sein Linux. Und er liebte gute Gespräche. Wollte man eines, musste man sich nur in die Raucher-Ecke begeben. War er da, dann hatte man schon ein gutes Gespräch gefunden. Es konnte ja so einfach sein!

Eines Tages, der Firma ging es dreckig, standen die Entwickler in einem großen Trupp zusammen und es wurden die Namen der beiden genannt, die gehen mussten. JJ hatte es erwischt. Es war die erste Trennung, obwohl lockerer Kontakt weiterhin zu den Übriggebliebenen bestand. Man sah ihn hin und wieder. Er bekam wieder einen Job, eine andere Branche und vielleicht auch nicht so nette Kollegen wie uns. Irgendwann hörte man, dass er eine Krebserkrankung überstanden hatte. Noch einmal davongekommen, dachte ich mir. Falsch gedacht: Heute, mehr als ein Jahr später, bekam ich die Nachricht von JJs Tod. Es gab wohl doch noch Metastasen.

R.I.P.