Irgendwie ist Sonntag hier nicht nur der Tag, an dem die Sonne scheint, sondern auch an dem Tag, an dem es etwas heftiger weht. Wie schon letzten Sonntag, geht es auch heute hier windmäßig gut zur Sache. Man sieht, wenn ich über so etwas schreibe, war hier nicht sonderlich viel los.

Ich für mein Teil war pünktlich. Exakt um halb sieben stand ich vor der Tür und wartete drauf, abgeholt zu werden. So wie gestern. Aber was soll man von einem Tag erwarten, der damit beginnt, dass der Duschkopf sich in seine Bestandteile zerlegt und man auf den geliebten zweiten Haarwaschgang verzichten muss? Genau, so gut wie nichts. Deshalb saß ich auch auf der Terrasse und genoss den Ausblick auf das ruhige Kapstadt und dessen Bucht. Konnte die wenigen Leute betrachten, die die Straße passierten. Um kurz nach halb sieben sah ich einen Mann die Straße entlang gehen. Er blieb bei einem Auto stehen, schaute hinein. Interesse? Warum nicht. Er ging weiter. Beim nächsten Auto blieb er stehen, schaute etwas intensiver hinein. Dann ließ er seinen Blick schweifen, sah mich und verschwand in einer kleinen Seitenstraße. Ein Schelm, wer jetzt nichts Übles denkt.

Dann passierte erstmal nichts. Übrigens auch kein Tourbus, der mich abholen kam. Zehn Minuten lang. Dann kam ein anderer Mann die Straße entlang. Auch her hegte ein ausgesprochenes Interesse für Autos, schaute hinein. Früher als Kinder haben wir auch so an den Autos gestanden, den Westwagen, wenn sie auf Besuch waren, und haben anhand des Tachometers versucht, herauszubekommen, wie schnell sie denn fahren würden. Hey, da war (und ist) eine Menge Bluff dabei, denn wer glaubt, dass ein stinknormaler Opel in den 80er 220 km/h (normal, nicht getunt, so ein Onkel-Wagen, o.k.?). Ich glaubte zu dem Zeitpunkt heute morgen allerdings nicht, dass der junge Mann besonderes Interesse für die Tachometer aufwies. Er sah mich nicht, sondern hatte nur Augen für die Autos und deren Innenleben auf der Straße. Etwas Lohnenswertes muss er allerdings nicht gefunden haben, kein Grund für mich, ihn mit meinem spärlichen Englisch zur Ordnung zu rufen.

Gegen viertel nach sieben bin ich dann wieder in mein Zimmer gegangen und habe mich hingelegt. Offenbar sollte ich an diesem Wochenende nur vergessen werden. Morgen in der Schule werde ich mal nachfragen, was schief gegangen sein könnte. Gestern war es mir ja recht, dass es nicht geklappt hat, aber heute hätte ich schon gern eine Tour gemacht.

Einfach so daher zukommen und ein Auto zu mieten, ist übrigens nicht. Man braucht erst einmal einen internationalen Führerschein. Um den zu bekommen, müsste ich mich erst einmal von meinem nationalen Führerschein trennen, habe ich heute gehört, denn es gibt nur ein Upgrade von einem europäischen Führerschein auf den internationalen Führerschein. Und zu allem Überfluss ist der internationale Führerschein auch noch begrenzt gültig, so dass man alle Jahre wieder für ihn löhnen muss. Dass einzig Positive, was ich zum europäischen Führerschein zu vermelden habe, ist, dass er meines Wissens eine 60-Grad-Wäsche problemlos mitmacht. Man möge mich korrigieren, wenn es nicht stimmt.

Hier im Gasthaus sind drei Gast-Sprachfamilien beheimatet: deutsch, portugiesisch und koreanisch. Die Schweizer schlag ich mal ganz frech mit zu der deutschen Sprachfamilie, auch wenn es hier ganz lustige Missverständnisse gibt (Heute gegen abend: »Willst Du auch Teigwaren?« Hmm, grübel. Was ist jetzt gemeint? Kuchen, Brötchen? »Was für Teigwaren?« »Pasta!« Ah ja, da wäre ich von selbst nicht drauf gekommen. Obwohl es natürlich stimmt.). Die Brasilianer leben in einem Anbau mit eigener Küche und eigenen sanitären Anlagen. Sie leben ihr eigenes Leben, wahrscheinlich sind sie auch in einer Sprachschule. Sie haben ein Auto, und wenn ich sie sehe, schleppen sie meist Surfbretter durch die Gegend. Südafrika soll erstklassige Strände zum Surfen haben.

Ich bin der einzige Deutschsprachige im Haus, der auf eine Sprachschule geht. Die anderen Mitbewohner meines Sprachschlages arbeiten hier in Südafrika bei diesen und jenen Firmen als Praktikanten. Umsonst, versteht sich. Aber was macht das schon, wenn man angetan ist von dem Leben hier? Pech haben die, die hier hergekommen sind, um im Praktikum ihr Englisch aufzubessern, und in deren Firmen hauptsächlich Afrikaans gesprochen wird.

Die Koreanerin ist ein Thema für sich. Nach fünf Tagen hatte ich sie das erste Mal gesehen und ich glaube, sie gibt im Haus viel für Gesprächsstoff her. Am Freitag saß sie mit den anderen zusammen und aß eine Pizza, die bestellt worden ist. Kaum war sie fertig, wir hatten kaum die Gelegenheit uns vorzustellen, war sie verschwunden. Gestern schob ihr Gary ihr Essen in die Mikrowelle. Ich habe nicht den Eindruck, dass sie sonst groß das Haus verlässt. Am letzten Donnerstag hatten die Hauskollegen sie mitgenommen in die Long Street, ein wenig was trinken, was sich wohl als kleineres Desaster herausstellte, weil sie nichts trank und eigentlich auch nicht in solche Bars ging. Andererseits kann ich mir vorstellen, dass wenn ich mit einer Gruppe von fünf, sechs Koreanern und Japanern allein unterwegs bin, dass ich auch nicht allzu glücklich sein würde.

Aber mit den Asiaten ist das halt so eine Sache. In der Schule bilden sie auch eine Gruppe für sich. Wir haben in unserer Klasse Anna, ein nicht sehr typischer koreanischer Name für meine Begriffe. Sie sagt kaum was, aber das hat nichts zu sagen, denn ich sage ja auch nicht so viel. Aber der Test, den sie am Freitag abgeliefert hat, war erste Sahne gewesen. Ja, sagen die Lehrer, in Grammatik sind die Asiaten gut. Man bekommt halt kaum ein Wort aus ihnen heraus. Anna bekommt immer Besuch in den Pausen, aber es sind alles Asiaten. Unsere Lehrerin hat sich darüber schon ein wenig lustig gemacht und sie aufgezogen. Liebevoll, versteht sich. Im Konversationsunterricht hatten wir unter der Woche eine Japanerin, die ein mördergeiles Übersetzungsteil dabei hatte, bei weitem nicht vergleichbar mit meinem 08/15-Hexaglot-Translator für vier Sprachen plus Euro-Umrechner, welches noch kurz vor dem Abflug mit neuen Batterien versorgt worden war. Das Mädel hieß Ai und sah wie 19 aus. Es hat eine Weile gedauert, bis wir erfuhren, dass sie 29 Jahre alt war, aus Tokio stammte und in Disney-Land in einem Restaurant gearbeitet hatte. Das war es dann aber auch für die Woche. Was sie wirklich an Englisch kann, lässt sich nicht beurteilen. Wahrscheinlich ist sie hundertmal besser als ich.

Womit ich zu den Teigwaren komme, die es heute abend gab. Ja, habe ich gesagt, ich nehme gern von den Nudeln. Also habe ich den Teller vollgemacht, ein wenig Tomatensoße rüber und dann rausmarschiert auf die Terrasse. Dort saß die deutschsprachige Hausgruppe und unterhielt sich, unter anderem, über die Koreanerin, als mir nebenbei mitgeteilt wurde, dass die eine Soße recht scharf wäre. Und wie! Hölle!

Was sonst so gelaufen ist heute? In meinem Buch gelesen, welches sich mit Afrika beschäftigt (wirklich reiner Zufall!), unregelmäßige Verben gelernt, mich mit meiner Verdauung beschäftigt (insofern, als es überhaupt gar keine gab), Karten geschrieben und mir Gedanken gemacht, wie ich Gary die Sache mit dem kaputten Duschkopf erkläre.

Fotos hätte ich übrigens auch, aber – leider, leider, leider – ist das Lesegerät in Deutschland geblieben. Wie hatte ich beim Rausfahren aus Borgdorf gesagt: »Irgendwas habe ich sicher vergessen!« Das war’s!