Wir sind schon verwöhnte Gören! Susann liegt neben mir und sagt: „Das Internet geht nicht.“ Stimmt so nicht ganz, aber ich weiß, was sie meint. Ruft man eine Seite auf, braucht es eine Ewigkeit, bis sie geladen wird oder es kommt zu einem Fehler. Den gestrigen Artikel hochzuladen, hat mich einiges an Mühe gekostet. Entweder das Posten wurde unterbrochen oder das Hochladen des einzigen Bildes wurde verhindert. Als der Artikel dann geladen war, habe ich erst nach einer Weile gemerkt, dass er nicht vollständig war. Das und die Fehler konnte ich dann erst heute Morgen ausmerzen.

Vor sechs Jahren in Südafrika hätte mich das noch nicht aus dem Gleichgewicht gebracht. Da gab es manchmal Stationen, an denen es gar kein Internet gab. Es wurde auf Vorrat geschrieben und später veröffentlicht. In Kanada hatte ich mich damit auch arrangiert, wo es kein Strom gibt, gibt es kein Internet. Aber wenn die Verheißung da ist, dann möchte man sie auch nutzen.

Heute früh lernten wie Mr. Munny kennen. Er holte uns nach dem dem Frühstück in der Lobby ab. Peinlicherweise hatte ich den Fahrer nicht wiedererkannt. Er kam uns entgegen, denn er kannte uns ja, aber er war sich auch nicht sicher. Ich dachte mir schon, dass er es sein könnte, und lächelte. Aber so richtig sicher war er sich auch nicht. Aber im zweiten Anlauf brachte er Mr. Munny mit, der das durch eine gezielte deutsche Ansprache zu validieren wusste.

Ich gebe nicht so viel auf die vorgefertigten Reisepläne. Diese unterliegen ständiger Änderung und der Guide weiß sicher aus Erfahrung am Besten, welches die besten Plätze zu welcher sein sind. Mr. Munny hat entschieden, dass es gut wäre, zuerst mit dem Auto nach Chong Kneas Floating Village zu fahren. Wobei das ein wenig missverständlich ist: Wir sind zu einem „Hafen“ gefahren und dann mit einem Boot dort hin gefahren. Nach Plan sollten wir zuerst einen lokalen Tempel besuchen, und für eine gute Reise beten. Da das nicht unbedingt notwendig schien, auch wenn wir ein kambodschanisches Boot besteigen, wurde dieser Akt zur Zufriedenstellung der Götter – es sich ja doch eine Reihe von verschiedenen Gottheiten, bei denen ich noch nicht den vollen Überblick habe – auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.

Auf der Fahrt dorthin sahen wir, wie wohl die meisten Menschen in Kambodscha leben: sehr ärmlich, umgeben von viel Dreck. Mr. Munny sagte, dass das Durchschnittseinkommen in Siem Reap höher ist als im Rest des Landes. Als Mitarbeiter eines Restaurants bekommt man zwischen 120 und 150 Dollar plus Trinkgeld. Auf Letzteres wäre man allerdings auch angewiesen. Die Menschen, die nicht mit dem Tourismus zu tun haben, tun sich recht schwer solche Einkommen zu erreichen. Man kann auch davon ausgehen, dass die Kosten um ein Vielfaches höher sind, als im Rest des Landes. Nur weil die Zahl mir noch geläufig ist: Ein Quadratmeter Land kostet in der Innenstadt von Siem Reap 1000 Dollar.

Durch die Stadt Siem Reap, die etwa 200.000 Einwohner hat, fliesst ein Fluss. Nicht besonders mächtig in der Trockenzeit. Er fließt in oder durch den See Tonle Sap. Der hat in der Trockenzeit eine Ausdehnung von 3.000 Quadratkilometern, in der Regenzeit schwillt er an auf über 10.000. Das Wasser drückt dann in den Lauf des Siem Reap und somit steht auch in der Umgebung von Siem Reap alles unter Wasser, was nicht hoch genug liegt. In der Trockenzeit wird auf dem Gebiet Reis angebaut, in der Regenzeit kann man dort angeln. Das Wasser steigt nicht so immens, weil es soviel in der Umgebung regnet. Wenn ich Mr. Munny richtig verstanden habe, ist das mit den Wassermassen durch den Regen nicht so maßgebend. Der See und auch der Fluss steigen deshalb, weil der Mekong – der, wenn man es genau nimmt, ganz woanders unterwegs ist – mit seinen Wassermassen in den Fluss drückt, der den gleichen Namen trägt, wie der See. Der Fluss ändert also zweimal im Jahr seine Richtung. Wenn man das gelbe Wasser so sieht, bekommt das Wort „gelbe Flut“ eine völlig neue Bedeutung.

Auf dem Weg zum See hielten wir an einer Lotus-Farm. Da lernten wir erst einmal, dass es nicht nur die schöne Blüte gibt, sondern auch eine Frucht und die Wurzeln. Beides kann man essen. Die Wurzeln konnten wir jetzt nicht probieren, bei den Kernen gab es die Möglichkeit und junge, frische Erbsen beschreiben den Geschmack dieser ziemlich genau. Auf der kleinen Lotusfarm rannten Hühner und junge Kücken herum, man musste wirklich aufpassen, wo man hintritt. Eine Hündin hatte geworfen und die Welpen wurden zum Anfassen auch mal herum gereicht. Herzallerliebst.

Der Übergang von Ufer zu Boot verlief ziemlich zivil, obwohl jeder TÜV-Ingenieur vermutlich einen Kreislauf-Zusammenbruch bekommen würde, wenn er die Boote abnehmen müsste. In der Trockenzeit steht das Wasser aber nicht so hoch, dass unsere Sorgen sich im normalen, europäischen Rahmen hielten. Wir wurden zu einer Siedlung geschippert, auf dem vornehmlich Vietnamesen leben. Auch die ändern zweimal im Jahr ihre Position. Wenn die Regenzeit kommt, zieht es sie zu den Außenrändern des großen Sees, wenn die Trockenzeit kommt, wechseln sie zu den Innenrändern des kleineren Sees. Die meisten Menschen leben dort vom Fischfang, einige – wie wir sie kennenlernten – von den Touristen. Man wird zu einem Boot gefahren, auf dem ein Shop und Restaurant untergebracht sind. Unser Boot hatte zusätzlich noch Krokodile, eine Schlage und ein kleines Mädchen mit großen, braunen Augen, das genau wusste, dass wenn es „One Dollar, please!“ sagt, diesen wahrscheinlich auch bekommen würde. Sie nahm auch einheimische Währung, war sich aber nicht zu schade, es später noch einmal zu probieren. Mag aber auch daran liegen, dass wir Weißen alle gleich aussehen.

Man sieht es dem See nicht wirklich an, aber Mr. Munny sagte uns, dass in dem Fluss etwa dreihundert verschiedene Fischarten leben. In der Regenzeit wird der Fischreichtum nicht nur mehr sondern auch die Artenvielfalt. Sie könnten den Fisch, der dann gefangen wird, gar nicht mehr essen. Deshalb wird er auf die verschiedensten Arten weiter verarbeitet.

Zurück ging es nach Siem Reap, wo wir ein Kunsthandwerks-Zentrum besichtigten. Wahrscheinlich hätten wir es gestern schon gesehen, wenn wir unserem Nicht-Sehenswürdigkeiten-Tuk Tuk-Fahrer gefolgt wären. So war es heute dran. Eigentlich war es so, wie es immer ist: Man wird herumgeführt, bekommt die verschiedenen Techniken gezeigt und abschließend geht es in den Shop, in dem man was kaufen kann. Im Gegensatz zu der Galerie, in die wir gestern verschleppt wurden, gab es hier keine persönlichen Verkäufer, womit das Ganze schnell und unbehelligt überstanden wurde.

Gut überstanden wir auch den Verkehr, sowohl im Auto wie im Tuk-Tuk bisher. Da ich nicht genau erkennen konnte, wie der Verkehr organisiert wurde, fragte ich Mr. Munny, wie an den Kreuzungen sich der Verkehr regelt, wenn kein Schild da ist oder eine Ampel. Naja, die Ampel erklärte er uns dann noch mal. „Nein“, sagte ich, „gibt es andere Regeln?“ „Regeln? Ja, man sollte rechts fahren.“ Nun, das ist eine sehr gut Regel, aber selbst an die hielten sich die Fahrer nicht. Wenn es passte, wurde der Kreisverkehr in der falschen Richtung durchfahren. Oder der Fahrer fuhr erst mal auf der Gegenfahrbahn bei entgegenkommenden Verkehr, um dann in seine Spur einzuscheren. Wie es halt passte. Einbahnstraßen waren offenbar auch Empfehlungen, obwohl einmal der Tuk-Tuk-Fahrer umkehrte: „Ohh, da vorn ist die Polizei!“

Ich habe nicht das Gefühl, dass es irgendwelche großartigen Regeln gibt. Jeder fährt, wie er will, nimmt auf auf die anderen Rücksicht. Im Zweifel hupt man, allerdings eher im Sinne von „Hallo, ich bin auch hier!“ denn im Sinne von „Hey, mach Platz!“.

Lunch gab es im Viroth’s. Uns wurde ein Tisch für zwei Personen zugewiesen, und wir fingen gleich an zu protestieren, dass der Guide mit uns isst. Scheint wirklich sehr unüblich zu sein. Vorneweg einen Salat, eine Hauptspeise mit Hühnchen und allerlei Gemüse – ich hatte gar nicht erst den Versuch unternommen, den Reis mit Stäbchen zu essen – ein paar Früchte zum Abschluss. Dazu eine nette Unterhaltung mit Mr. Munny, von dem wir nun erfuhren, dass er nebenbei noch geschäftlich tätig war, verheiratet war und zwei Kinder hatte. Ein paar Bilder wurden gezeigt, und dann sorgen die beiden Geschäftsleute am Tisch dafür, dass das Business beleuchtet wird. Als wir verschwanden, stellte Mr. Munny schon ein wenig stolz feststellte, dass er der einzige Guide gewesen sei, der im Restaurant gegessen hat.

Schief gegangen war bisher nichts, aber nun war der Tempel Prea Ang Chek dran, der Mitten in der Stadt lag. Wir könnten auch Räucherkerzen anzünden, meinte Mr. Munny, ich meinte aber, dass ich es damit nicht so hätte – worauf er lachte – und Susann ließ es dann auch sein, obwohl sie dem Ritus mehr zugeneigt schien. Ein hübscher Tempel war es, hauptsächlich von Einheimischen besucht. Von dort waren es nur ein paar Schritte, zu den Flughunden. Da diese aber oben hingen und recht untätig waren, wurde den Flughunden die Show von einem kleinen Hund gestohlen, der im Park mit seinen Besitzern tobte. Also der Hund tobte mit allen, die gerade vorbeikamen und willig waren. Wir waren willig. Seine Besitzer saßen indes auf der Wiese, picknickten und sahen dem Treiben ihres kleinen Rackers zu. Der Hund hatte noch Handtaschenformat und wir hätten ihn glatt mitnehmen können. Das zweite Mal an diesem Tag.

Von dort ging es zum kulturellen Höhepunkt des Tages – dem Angkor Wat Museum. Eine Skulptur an der der nächsten, mit einer Reihe von Filmen über die Tempel-Anlagen aufgelockert, ist dieses Museum ein Muss für jeden Besucher der Tempelanlagen. Man kann an jeder Statue stehen bleiben, aber ich bin der Meinung, man sollte besser nicht. Zu schnell sieht man sich satt. Schaut man sich das eine oder andere an, erlebt man auch seine Überraschung. Ich sah eine Skulptur, bei der aus dem Stein überhängende, sich leicht rollende Blätter herausgemeisselt waren. Eine fantastische Arbeit, bei der man nur hoffte, dass sie dem Steinmetz gleich beim ersten Mal gelungen ist und man sich zusätzlich freute, dass sie solange Zeit überstanden hat.

Kurz nach drei Uhr waren wir wieder im Hotel und betteten uns zur Ruhe. Nichts gemacht haben, trotzdem erschöpft zu sein, ist das Privileg von Urlaubern.

Die Abendbrot-Zeit stand an und damit die Frage: Was tun? Wohin gehen? Was essen?

Im Reiseführer gab es einige Empfehlungen. Wir konnten das leider nicht im Internet validieren, da selbiges Nachmittags und Abends so gut wie nicht zur Verfügung steht. Wir entschieden uns für die „Auf gut Glück“-Lösung und gingen die Strasse ein wenig herunter. Unten an der Kreuze gab es ein kambodschanisches BBQ, aber soweit kamen wir gar nicht. Vorher gab es ein kleines Restaurant, fast schon ein Imbiss. Wir ließen uns die Speisekarte geben und beschlossen, es mal auszuprobieren. Am Nachbartisch saßen ebenfalls Touristen und sie meinten, das Essen wäre gut. So eine Meinungsäußerung kann sehr beruhigend wirken. Weniger beruhigend war der Geschmack der Belegschaft in Sachen Fernsehprogramm. Erst gab es einen Film (oder Serie), in denen die Darsteller aussahen, als wären sie aus „Planet der Affen“ ausgebrochen und hatten teilweise Kräfte, wie die Jedi-Ritter aus „Star Wars“. Das ganze war allerdings kein Animation-Film sondern ein Produktion mit verkleideten Schauspielern. Als der Film plötzlich und für uns nicht ersichtlichen Grund zu Ende war, schaltete das Personal auf ein Interview um, bei dem die eine Dame sehr schick aussah und die andere, weil sie ständig weinte, nicht. Warum sie weinte, ich weiß es nicht. Hin und wieder wurden Bilder von Kindern eingeblendet. Susann (eine große Vermuterin vor dem Herren) und ich kamen überein, dass ihre Kinder sicher von einem Deutschen, der hier die Liebe seines Lebens suchte, meinte gefunden zu haben, dann aber eine bessere Lösung fand (zum Beispiel eine Reiche Schweizerin oder Monegassin – ist Stephanie oder ihr Nachwuchs eigentlich noch zu haben?) und sie mit ihren gemeinsamen Kindern verließ. Ist aber nur eine Vermutung. Wie dem auch sei: Das Essen war sehr gut und ich habe die Nudeln mit Stäbchen ohne größere Unfälle bewältigt.

Susann fand im Reiseführer den Hinweis, dass man sich am Old Market die Füße von Fischen abknappern lassen kann. Das wollte sie schon immer mal. Warum nicht in Kambodscha? Wir ließen uns mit dem Tuk-Tuk zum Old Market bringen und stellten erst einmal fest, dass wir da noch nie gewesen waren. Das pralle Leben – ein Massage-Studio neben dem anderen, Restaurants und Bars sowie ein Markt, auf dem man allerlei – Überraschung! – Kunsthandwerk kaufen konnte.

Kein Schmerz, nur am Anfang kitzelte es ein wenig.

Kein Schmerz, nur am Anfang kitzelte es ein wenig.

Nachdem Susann die ersten Aquarien nicht so gefallen hatten, fand wir eines, dass wirklich annehmbar war. Quasi todesmutig versenkte ich meine Füße und war gleich Star des Aquariums, Fischfutter sozusagen. Susann tat es mir nach und zappelte im Anschluss neben mir rum, quiekte und lachte, als die Fische mit ihrem Abendwerk beginnen wollten. Es tut nicht weh und kitzelt am Anfang. Aber irgendwann gewöhnt man sich dran. Ich war nur erstaunt, dass sie sich so lang mit meinen Füßen beschäftigen konnten, große und kleine Fische gleichermaßen. Als Susann später ruhiger wollte, schwammen sie auch zu ihr und knabberten ein wenig herum. Ein kleiner koreanischer Junge wollte das auch mal ausprobieren. Da gab es zwei Probleme: Erstens kam er kaum mit den Beinen ins Wasser und zum anderen zappelte er wie dolle rum. Das mögen die Fische nun überhaupt nicht. Deshalb waren sie auch alle bei mir.

Mal gucken, was uns morgen so erwartet…