Am Nachmittag war es so langsam, aber gemächlich Dunkel aufgezogen. Dann fing es an zu Donnern, schließlich kam der Regen. Der Gedanke, es könne ein Weltuntergang sein, konnte einem dabei durchaus kommen. Irgendwer sagte mir etwas von Regenzeit und als ich gestern Nachmittag von der Firma zum Hotel wollte, wusste ich auch, was damit gemeint war. Es wird ja schon aufhören, dachte ich mir so, aber weit gefehlt. Daran war nicht zu denken. Ich ging rein und bestellte ein Taxi. Nach einer Weile hieß es, dass das nicht möglich wäre, es wäre kein englischsprechender Taxifahrer verfügbar, nun gut. Ohne Regenschirm machte ich mich auf den Weg und kam pitschenass im Hotel an.

Erstaunlich auf jeden Fall, dass man durch den Regen gehen kann, nass wird und trotzdem schwitzt.

Heute Nachmittag das gleiche Spielchen: Pünktlich um drei Uhr zog das Gewitter auf. Ein wenig dunkler noch als gestern, dafür ließ es sich gehörig Zeit. Tobte sich ordentlich aus, war dafür aber um fünf Uhr mit der gröbsten Arbeit fertig, dass ich alsbald zum Hotel konnte.

Steffi war heute schon auf dem Fernsehturm gewesen und war damit, was die Höhenmeter-Erklimmung angeht, wesentlich erfolgreicher gewesen, als wir es gestern Abend gewesen waren. Da sollte es zu den Twin Towers gehen und natürlich nicht mehr davor stehen, sondern unter Bestreben war auch, diese zu besichtigen. Das war schlechterdings unmöglich, denn bis Dezember haben diese geschlossen – das Besuchererlebnis soll durch Renovierung verbessert werden. Was man an einem Ausblick verbessern kann, erschließt sich mir nicht ganz, Fenster putzen dürfte reichen. Alle anderen Erweiterungen dürften zu Lasten der Nachbarschaft gehen, die allerdings auch mittlerweile hochhinaus geht. Die Bauwerke sind aber auf jeden Fall sehr nett anzusehen und von der Architektur ganz interessant. Die Mall an den Twin Towers ist voller teurer Geschäfts und damit noch mal ein Tick uninteressanter, als es eine normale Mall für mich ist.

Vom Fernsehturm habe ich nur die Bilder gesehen, die Steffi gemacht hat. Sie hat dort oben auch live den Aufzug des Unwetters miterleben dürfen. Man man auf einem Fernsehturm ja auch nicht jeden Tag mit. Abgesehen davon, dass man nicht jeden Tag auf einem Fernsehturm ist. (Ich, zu meiner Schande muss gestehen, dass ich es zwar schon auf den lange Zeit größten Fernsehturm in Toronto geschafft habe (der mit der Glasdecke), aber nie auf dem Berliner Fernsehturm war, der quasi um die Ecke war).

Man sieht es ihr nicht an, aber im tiefsten Inneren ist Steffi ein großer Fan vom Öffentlichen Nahverkehr – besonders dem in Kuala Lumpur. Geduldig steht sie am Bahnsteig und wartet auf S-Bahnen, die nie zu kommen scheinen, und drängt sich in überfüllte S-Bahnen. Nun sind die Menschen in Malaysia sehr nett und zuvorkommend, aber wenn es darum geht in eine S-Bahn zu kommen, werden in ihnen wohl komische Instinkte angesprochen. Die Tür ein S-Bahn öffnet sich, und alle vor der Tür stehenden drängen hinein – die, die aussteigen wollen, sind in der Regel noch drin, weil sie von der Meute ein jedes Mal überrascht sind. Nur ein schmaler Pfad bleibt, gegen Widerstand, um Auszusteigen. Ein Manko mag vielleicht auch sein, dass die Kapazität auf manchen Linien einfach nicht ausreicht. Es sind zu viele Menschen, die in einen Zug wollen, und zu wenig Platz. Wir haben einige Male beobachtet, wie ein Zug einfuhr, und eine Traube von Menschen davor hängen blieb. Es wurde gestopft, wie nichts, irgendwann wurde gepfiffen und der Zug hupte, und dann – nach gefühlt sehr langer Zeit (drei Herzinfarkte später, würde vermutlich ein Verkehrs-Dispatcher sagen) – setzte er sich in Bewegung. Menschen, traurig, nicht mitgekommen zu sein, blieben auf dem Bahnsteig zurück, in der Hoffnung, dass irgendwann mal wieder ein Zug kommen würde und sie dann in der ersten Reihe stehen würden. (Im Hintergrund könnte jetzt als Musik ganz gut Julianne Werding mit »Stimmen im Wind« laufen, und dem einfach unbezahlbaren Refrain »Sei nicht traurig Susann«, die das Lied übrigens gar nicht so toll findet. BTW: Mein bester Freund Micha, findet das Lied »Du hast den Farbfilm vergessen, mein Michael« von Nina Hagen auch unter aller Kanone. Ein Lied über meinen Namen habe ich noch nicht gehört…) In der Situation, wie gerade beschrieben, waren wir heute übrigens auch. Ein voller Zug kam an, es fehlte wohl auch ein Wagen, und alle wollten hinein. Wir kapitulierten, aber dann stellte sich heraus, dass man vielleicht weiter vorn einsteigen könnte. Steffi meinte: »Hier in den Frauen-Wagen, da sind auch Männer drin.« Das wollte ich erst gar nicht. »Na, komm schon.« Und schwupps, war ich auch schon drin und begrüßte die anwesenden Damen mit einem »Hallo!« Sie haben mich dann doch angelächelt, bis auf das kleine Mädchen mit den schlechten Zähnen (das wächst sich hoffentlich noch aus), das mit dem großen, weißen Mann wohl nicht so recht arrangieren konnte. Aber es kamen dann noch andere Männer hinein. Irgendwie nicht ganz so logisch, dass gerade im Berufsverkehr die Regel gebrochen wird. Aber eine Station danach, stiegen wir ja schon wieder aus – man bekommt schon ein schlechtes Gewissen, wenn man mit den Ellenbogen gegen eine eingesteigende Frauenmasse anzukämpfen hat.

Was folgte war Regen, Regen und noch mal Regen. Wir gingen von der Station, an der wir schließlich anlandeten, zum Central Market. Schlenderten durch den Markt (ohh, ich habe noch das Prospekt mit der Lebensberatung über Reichtum und Liebe), sahen ein Pärchen, dass sich von Fischen die Füße anknabbern ließ und kamen knapp um einen Schal-Kauf herum… Dann Regen auf dem Weg zur S-Bahn, da eine näherere Untersuchung der Umgebung nach einem Restaurant ein wenig zu mühsam gewesen wären. Aber ich kann sagen, ich wäre im Zentrum von KL gewesen und habe China-Town gesehen.

Der kleine, faule Bruder

Nun zu was ganz anderem: Der kleine, noch lebende, und faule Bruder von Stummel ist in Kuala Lumpur. Er schläft morgens am Rand der Straße, dämmert am Nachmittag manchmal an der gleichen Stelle vor sich hin und betrachtet irgendwas in der Welt, man weiß nur nicht, was; manchmal liegt er auch einfach nur so rum und schläft an einem trockenen Platz. Katzen gibt es genug. Das war uns auch auf Langkawi aufgefallen – und interessanter Weise sind sie in der Regel nicht sehr scheu. In unserem Restaurant auf Langkawi, einem der besseren, schlenderten sie zwischen den Tischen hin und her, ohne zu Betteln, und wenn sie so da saßen, dann gingen die Kellner bedächtig um sie herum. Schön anzusehen – das wäre zu Hause sicher ein wenig anders.