Gut, wenn man zeitig zur Besinnung kommt. An diesem Sonnabend kam ich vierzig Kilometer nach Fahrtbeginn zu Selbiger und ich dachte mir so: »Es ist schön den Canyon de Chelly zu sehen. Aber über vier Stunden hin und diese Zeit auch wieder zurück. Da hat man noch nicht mal was gesehen.« Es wurde Kriegsrat an der Shell-Tankstelle einberufen. Wir entschieden uns für das näher liegende Monument Valley und damit für einen Staatsbesuch in Utah.

Falls jetzt jemand auf die Idee kommt und sich fragt: »Warum fahren die denn immer weg? Warum nicht mal Cameron?«, so müssen wir diesem Fragenden zurufen – eine ganz schlechte Idee. Cameron bestand einfach mal aus fast nichts. Da gab es ein Touristenbüro für den Grand Canyon, also eine Touristenvermittlungsstation, ein Hotel, zwei (vielleicht drei Tankstellen) mit angeschlossenem Supermarkt und unser Motel/Hotel hatte noch eine riesige Sammlung von Schnickschnack, in der man durchaus einen Tag verbringen kann, aber dafür muss man das Hirn schon ausgeschaltet haben.

Die Landschaft von Cameron in Richtung Monument Valley war teilweise atemberaubend, teilweise normal. Von Wasserfällen können die Menschen dort nur träumen, und wenn diese auftauchen – so vermelden zu mindeste Schilder am Straßenrand – so handelt es sich bei diesen um Sturzfluten über die Straße, auf das diese nicht mehr passierbar ist. Wenn man nun aber dort lang fährt und links und rechts nur Wüste sieht, fragt man sich, wann das passiert.

Erst einmal bog ich, Vista Point und Monument-Park-verwöhnt in die falsche Straße ein und als Susann mit einem Zettel aus dem Visitor Center wieder kam, war ich schon dabei, mich zu fragen, wo denn der Indianer mit dem Wunsch nach Eintrittsgeld geblieben war. Susann erzählte, man könne dort prächtig wandern, und es gäbe auch leichte Pfade dahin. Sie hätte einen Zettel bekommen. Ein Blick auf das Prospekt offenbarte: »Falsches nationales Monument. Einsteigen. Türen schließen.« Neben mir grummelte es noch zehn Minuten: »Das hätte ich mir aber gerne angeschaut. Das ist sicher toll.« Aber es half ja nichts, der Kriegsrat hatte beschlossen, Utah zu besuchen.

Der Herr Papa hatte zwischenzeitlich den Wunsch geäußert, einen wilden Mustang auf sein digitales Speichermedium bannen zu wollen (ich kann mir nicht helfen, das klang früher irgendwie romatischer), aber was wir auch sahen – wir sahen es zu spät, man konnte nicht halten oder es ging nicht als wilder Mustang durch. An einem Stopp, da sieht man einmal, was wir für Opfer bringen, stapfte der Herr Papa auch in ein totes Schaf und störte des Totenruhe gehörig.

In Utah angekommen, mussten wir uns vor dem Begrüßungsschild fotografieren. Irgendwie färbt das touristische jetzt immer mehr ab, bei den anderen Bundesstaaten haben wir das nie gemacht. Aber vielleicht war ja das von Utah auch das Schönste. Was aber auf jeden Fall zu diesem Zeitpunkt schon festzustellen war: Es war windig.

Susann kam mit einer Kette zurück, die ich schön finden sollte, aber … dafür fand sich dann eine Lösung. Hatte ich erwähnt, dass der andere Schmuckkauf in diesem Urlaub damit endete, dass Susann ein Glied des Armbands verloren hatte und es somit unbenutzbar wurde und die gleichzeitig gekaufte Kette der Schwiegermama vermutlich schon zwei Tage nach dem Kauf verloren ging? Nein, hatte ich nicht – sprecht mich also bitte den auf Schmuckkauf im Urlaub an, ich könnte hektische Flecken bekommen. Aber für die Indianer-Kette hat sich ja eine Lösung gefunden.

Auf der ADAC-Karte für die Ecke Utah/Arizona war Monument Valley erwähnt und eine Aussage faszinierte mich total. Wer ein Vierrad-Fahrzeug fahren würde, der sollte die Scenic Tour mitmachen. Jaaaaa! Wofür hatten wir die große Kiste denn gemietet, wenn nicht für solchen Spaß? Bisher konnte das arme Fahrzeug seine Fähigkeiten allerhöchstens auf Parkplätzen austoben und hatte diesen kleinen Umweg im Yosemite fahren dürfen, der nicht befestigt war. Aber hier! Es sollte ein Gedicht werden, eine Strecke, die man nur Piste nennen konnte und in der jeder Trabi auf Nimmerwiedersehen verschwunden wäre. Es rappelte ordentlich, wir wurden durchgeschüttelt und die Frau Schwiegermama rief von hinten »Abenteuer!« Für uns schon, allerdings waren vor uns ständig Autos und hinter uns auch ständig Autos.

Hier nun war es teilweise nicht mehr windig, sondern auch stürmig. Aber das machte uns nichts. Der Sand, der mit dem Wind kam, prickelte auf der Haut und man musste sich schön drehen, damit es nicht zu unangenehm wurde.

Zwei Stunden drehten wir unsere Runde, bevor wir wieder zurückkehrten. An der gleichen Raststätte wie zuvor hielten wir an, um eine Toilettenpause zu machen. Von Arizona, was man auf der Hinfahrt von dem Platz hat noch gut sehen können, war zu dem Zeitpunkt nichts mehr zu sehen. Ein Sandsturm zog auf.

Es war beeindruckend, wie unterschiedlich dieser aussah. Ich habe so etwas das erste Mal mit dieser Wucht gesehen (der Sandsturm auf dem Berliner Ring in der Nähe von Schönefeld, den zähle ich mal nicht dazu, obwohl das auch schon was war). Aber hier sah es ein wenig aus, wie im Western: Da kullern ja immer zu hochdramatischer Musik diese Pflanzendinger über die Straße, bevor man den Helden mit seinen Stiefeln sehen bekommt, gefolgt von einem Schwenk nach oben, zu seiner Waffe und dann einem Wechsel zur Totalen. Ich gebe es zu, diese Assoziation war immer wieder da und ich habe so ein rollendes Pflanzending auch überfahren.

Wir haben auf dieser Fahrt verschiedene Schattierungen gesehen: gelben Sandsturm, schmutzigen Sandsturm und roten Sandsturm – je nach Farbe des Sandes in der Landschaft. Womit diese praktischerweise auch schon beschrieben ist.

Nun war der Sandsturm nicht die ganze Zeit aktiv, manchmal fuhren wir aus ihm heraus und man konnte von außen den Sandsturm fotografieren und filmen. Der Sturm machte auch keine Anstalten, sich ein wenig zu uns zu bewegen. Er war da, wo er war – und wenn ein Sturm zufrieden und genügsam sein kann, unserer war es: An bestimmten Stellen puste ich, an anderen halt nicht – basta.

Am Abend aßen wir alle Salat. Frau Schwiegermutter wollte keinen Chicken Salat und wählte deshalb den Chef Salat. Nach dieser Grüne-Blatt-Orgie stellen wir fest, dass es wieder einmal reichlich spät geworden war und stapften zu unseren Zimmern.

Ich lag mit zwei Frauen in einem Bett und wir schauten uns Bilder von San Francisco an. Das hat man ja auch nicht alle Tage.