Vorgestern stand ein Reh in unserem Garten, machte einen Mordslärm und verschwand. Krach machte es noch eine ganze Weile, es war eine Mischung aus Brummen und Brüllen aber nicht wirklich beeindruckend. Immerhin konnte es meinen Einflussbereich lebend verlassen, was bei meiner Vorliebe für Rotkohl und Wild nicht ganz so selbstverständlich ist wie es klingt. Meine heutige Begegnung mit einem Reh war weniger erfreulich.

Mein Wagen hatte heute erst seinen 30.000. Kilometer gefeiert und das nach über drei Jahren. So richtig viel unterwegs war ich mit dem Wagen noch nicht. Nun fahre ich jeden Tag nach Heide zum Kunden und wieder zurück und habe mich schon so manches Mal geärgert, wie das doch auf die Kilometer geht. Täte ich das nicht, wäre ich noch lang nicht bei den 30.000 angekommen sondern würde bei 25.000 Kilometern rumgurken – sei’s drum.

Wir haben eine Stelle zwischen der Autobahn und unserem Örtchen die sehr wildanfällig ist. Bisher bin ich immer ganz gut davon gekommen. Entweder kam das Reh an der Seite zum Stehen oder ich auf der Straße und wir haben uns freundlich gegrüßt. Heute war es anders und unglücklich. Da die Straße recht eng ist, fuhr ich ziemlich weit rechts. Ich hatte den entgegenkommenden Wagen gerade passiert, da schaue ich kurz nach rechts und sehe keine zehn Meter vor mir ein Reh auf die Straße hüpfen. Super! Ich stand auf der Bremse, wich ein wenig zur Straßenmitten auf und hörte nur noch den Bums.

Diverse Schimpfwörter standen bereit mir zu entfleuchen, aber keines wollte mein Mundwerk verlassen. Raus aus dem Wagen, zurück gegangen und geguckt, was mit dem Reh ist. Kein Reh da! Was ist denn das? Zum Auto zurück und geguckt. Gut, die Warnblinker haben sich selbsttätig angeschaltet. Vorne am Auto geguckt. Irgendwie nichts. Zurück zur Kollisionsstelle. Wirklich nichts. Wieder zurück zum Auto – eine gewisse Fassungslosigkeit konnte ich mir nicht absprechen. Es hatte doch laut und deutlich gerumst, und siehe da: Der Scheinwerfer war eingeschlagen und eine Spur von Fell und Blut zu sehen.

Also doch. Wieder zurück und in dem Augenblick springt ein Reh auf und eilt weiter in den Wald. Eilend, aber humpelnd. Nicht gut! Ich rief Susann hat und beauftragte sie, die Nummer der Versicherung rauszusuchen – dabei nannte ich ihr, wie sich herausstellte, zwar das richtige Kennzeichen aber die falsche Versicherung. Das gab dann noch Schimpfe zu Hause. In dem Augenblick hielt ein Wagen neben mir und eine Frau fragte: »Wildunfall?« Nach der Bejahung fing sie sofort an zu telefonieren und es stellte sich heraus, dass sie aus dem Nachbardorf war und ihr Vater der Jäger in diesem Gebiet. Wie praktisch – den Anruf bei der Polizei konnte ich mir sparen.

Fünfzehn Minuten später war der gute Mann da, Bürgermeister in der Nachbargemeinde übrigens, schaute sich das Maleur an, wir vereinbarten einen Termin für den Schrieb, den ich für die Versicherung brauche, und während ich nach Hause düste, um mich und meine Frau zu beruhigen, machte er sich auf die Suche nach dem Reh.

Wir sind heute Abend essen gegangen. Schließlich ist weder mir noch dem Auto wirklich etwas ernsthaftes passiert. Man kann davon ausgehen, dass der Abend für das arme Reh nicht so schön gewesen sein wird. Ich will jetzt gar nicht erst mit Bambi anfangen…