Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur die unpassende Kleidung. Und so ist es auch mit Straßen – es gibt keine schlechten Straßen, man hat aber vielleicht das unpassende Fahrzeug. Dazu aber später mehr.

Wenn man einmal in einem Trott drin ist, dann kommt man da schwer wieder raus. So ist das auch mit dem Aufstehen. Wir sind gestern um fünf Uhr aufgestanden, so waren wir heute wieder um diese Zeit wach oder zu in dem Dreh. So war das frühe Aufstehen kein Problem und wir standen fast pünktlich um sieben Uhr beim Frühstücks-Restaurant in unserem Camp auf der Matte und ließen die Toast-Maschinen heiß laufen. Der Kaffee war von akzeptabler Qualität, der Orangensaft war o.k. und die Pancakes ernteten höchsten Lohn unserer Pancake-Expertin.

Die Abfahrt verzögerte sich etwas, weil sich vor unserm Bungalow eine Reihe von Affen herumtrieb und die mussten ausführlich fotografiert werden. Besonders »süß« sind die Bilder mit den kleinen Äffchen, die sich an der Mutter festklammern. Von Scheu ist kaum etwas zu spüren, die Affen in dem Camp sind so an den Menschen gewöhnt, dass sie vermutlich keine Probleme hätten, einen von ihnen in ihre Gruppe mit aufzunehmen, wenn die nur nicht so schlecht springen und klettern könnten.

Zunächst verlief alles nach Plan. Abgesehen davon, dass wir bei der Ausfahrt nicht mehr die Unterlagen vorzeigen konnten. Die waren einfach weg. Zwei Stunden später haben wir sie dann gefunden, ein wenig spät, aber so haben wir immer noch etwas zum vorzeigen.

Hinter dem Gate begann eine andere Welt. Die Tiere waren plötzlich weg und links und rechts von der Straße war jede Menge Müll zu finden. Im Nationalpark hat man sich in einer entschleunigten Welt aufgehalten. Wer mit 50 km/h unterwegs war, war schnell. Meist gondelte man mit 30 oder 40 km/h durch die Gegend, wenn man nicht gerade stand und irgendein Tier oder eine Tiergruppe beobachtete.

Kaum hat man das Gate hinter sich gelassen beschleunigte man auf 80, 100 oder 120, irgendwie hat einen der Alltag wieder und man sieht links und rechts nicht nur menschliche Behausungen sondern auch jede Menge Müll. Vielleicht sollte man das so machen wie beim Eintritt in den Nationalpark, wo jeder Besucher eine Tüte für seinen Müll in die Hand gedrückt bekommt, auf dass man ja nichts im Park herausschmeißen muss. Das klappt auch ganz gut, nur vereinzelt sieht man mal ein Verpackungsrest (der ja auch herausgeweht worden seinen kann, da will ich mal keine Absicht unterstellen) oder eine Bier- oder Weinflasche (bei denen ich mir ein Wehen ein wenig schwerer vorstellen kann, also eine gewisse Absicht und eine Menge Dummheit mit dabei war).

Wir hatten einen vorzüglichen Plan, der uns allerdings nicht an das Ziel brachte. In Barberton sollten wir abbiegen. Das klappte nicht ganz, denn unsere Zwischenstation war einmal angeschlagen und dann nicht mehr. Wir fuhren im Kreis und schließlich setzte ich meinen Kopf durch und wir fuhren auf eine Straße, die zumindest gut aussah. Keine Frage übrigens, und das gilt hier auch als Selbstnotiz: Barberton ist ganz hübsch anzusehen und wohl eine Reise wert. Von der Umgebung mal ganz zu schweigen.

Wir fuhren also diese Straße hoch und schon nach kurzer Zeit schlug das Wetter mit seiner ganzen Hinterhältigkeit zu und ließ uns in eine Wolkendecke sprich in Nebel fahren. Das war nicht weiter gravierend, denn wir waren auf der Straße – der R40 – ganz allein. Uns kamen in der ganzen Zeit, die wir auf der Straße waren, vielleicht drei Fahrzeuge entgegen. Das Navigationssystem war ob dieser Straße ganz überrascht und wähnte uns auf einer unbefestigten Straße. Ich will mal nicht vermuten, dass die Straße zu irgendeinem Fußballstadium führte, aber man hat sie halt man geteert und daraus eine dufte Strecke gemacht, die in Europa fix von Radsport-Fans erobert werden würde. Die Aussichten sind spektakulär und das kann hier gesagt werden, obwohl wir bei schlechtem Wetter unterwegs waren.

Irgendwann stießen wir auf eine Kuhherde und kurz darauf auf ein Schild, welches uns den Weg zu dem Ort wies, den wir eigentlich gesucht hatten. Nur war die Straße unbefestigt. Andererseits war die Straße, die wir gekommen waren und die man weiterfahren konnte, bestens asphaltiert. Also nahmen wir die.

Und kamen zu einem Grenzübergang. Swaziland. Von dem wussten wir nur, dass die Tochter der Mandelas dort Prinzessin ist und das hatten wir unserer Tour durch Soweto zu verdanken. Wir überlegten vor dem Stop-Schild, ob wir das nun wirklich tun sollten, und wurden dann von den Grenzern animiert, uns zu trauen. Die hatten wohl Langeweile. Also gingen wir in die Station und bekamen neue Stempel in unsere Pässe – wir reisten aus Südafrika aus. Draußen rieben sich die Zollbeamten die Hände und fingen an, unseren Wagen zu filzen und zu überprüfen, ob wir den Wagen vielleicht geklaut hätten. Alles ganz freundlich und als sie hörten, dass wir aus Deutschland kamen, wurde auch sofort ein Gespräch über Fußball angefangen. Ob wir denn im nächsten Jahr wiederkämen? Warum nicht? Ob wir Fußball nicht mögen würden?

Auf der anderen Seite war es ein wenig anders. Wir wurden in ein Buch eingetragen. Nebenan breitete eine Beamtin eine Reihe von Strick-Decken aus und versuchte die Handarbeiten der Frau Mama zu verkaufen. Die hatte aber kein Interesse daran und so packte die Frau ihre Deckchen wieder ein. Dann mussten wir an ihren »Counter« und dort eröffnete sie uns, dass wir 50 Rand für das Fahrzeug bezahlen müssten.

Von der Swaziland-Seite kam ein Fahrzeug, was ziemlich dreckig aussah und der Grenzer meinte, so würde unseres auch bald aussehen. Aha! Wäre ja ein 4×4, da mit würde es schon gehen. Es wäre recht rutschig und glatt, meinte er. Das hörte sich nicht so gut an. Aber wir nahmen es mal mit einer gewissen Lässigkeit, schließlich hatten wir an diesem Tag ja schon so einiges gesehen und wir wussten, dass auf geführten Touren gern Touristengruppen nach Swaziland in obskure Glasfabriken geschleppt werden. So schlimm konnte es gar nicht werden.

Konnte es aber doch. Denn erstmal wurde die Straße schmäler, so wie die Kühe im Swaziland auch schmäler wurden. Dann gab es mehr Schlaglöcher, so groß, dass man anfing sie zu bewusst zu umfahren. Und dann kam der Schlagbaum. Hier musste ich mich erneut eintragen und dann wurden wir aus der Stadt in die – ja was auch immer – entlassen.

Der Boden war rot und er war matschig, denn die letzten Tage schien es hier intensiv geregnet zu haben. Es war nicht bequem und das Auto war im nu nicht mehr weiß, sondern irgendwie rötlich gesprenkelt. Ich habe erfahren, dass ABS (obwohl ich es in meinen Autos auch schon seit Jahren habe) eine wirklich dufte Sache ist, die in Swaziland an die Grenze der Möglichkeiten belastet wurde. Es war eine fahrerische Herausforderung, die man in den Autosendungen, die im Fernsehen kommen, so nicht lernen kann. Aber mit dem antrainierten siebten Sinn sind wir auch wieder auf Asphalt gekommen und haben ein kleines Städtchen begutachten dürfen, der Meinung seiend, dass damit das Gröbste überstanden sei.

Wir wurden ja auch belohnt: Es gab einen Stausee mit einem gigantischen Damm. Die Landschaft war von einer Ursprünglichkeit, die man nicht beschreiben kann. Überall auf den Abhängen lagen riesige Findlinge, die Strecke war gesäumt von Bergketten, die immer wieder mit einem anderen Erscheinungsbild daherkamen. Es gab wilde Flüsse und Wasserfälle – sprich, es war eine Landschaft, die rief: »Komm wieder, Fremder! Und bring schönes Wetter mit!«

Bis es wieder auf solch eine Strecke ging, die den Namen Straße nicht verdiente. Hier hatte ich schon meinen Spaß mit einer abschüssigen Strecke, dann führte sie uns über einen kleinen Bach mit einer Brücke und dann sahen wir einen Aufstieg der nur aus Schlamm bestand. Frohen Mutes, wir hatten ja bisher alles gemeistert, machte sich der Toyota an den Aufstieg und Sekunden später musste ich feststellen, dass Gas geben und Lenkrad halten manchmal nicht alles sind und dass einem bei der Auffahrt technische Helferlein wie zum Beispiel ABS und ESP nicht zwingend helfen. Wir kamen nicht hoch.

»Ich lass ihn mal zurückrollen, Schatz.« »Ja, mach mal.« Kurze Zeit später standen wir schräg. Hinter uns ein Graben, vor uns ein Abhang. Irgendwie ein blöde und peinliche Situation. Aussteigen und schieben war keine Option. Der ADAC-Schutzbrief schien auch nicht zu helfen. Man versuchte noch dieses und jenes, ohne jedoch die Situation irgendwie zu verbessern. Es kamen hilfreiche Vorschläge wie: »Wir könnten doch jemanden zur Hilfe holen.« Ich sah uns schon den Wagen schieben und völlig verdreckt und dann auch noch rot. Nein, das war keine Option.

Wir holten uns Rat im Handbuch, denn schon er Grenzer hatte ja was von 4×4 – also Allradantrieb erzählt. Mal schauen, was uns das Handbuch dazu zu erzählen hatte. Nachdem Susann die acht Seiten Warnungen zum Besten gegeben hat, schalteten wir das mal ein und nahmen den Allradantrieb in Betrieb. Schwupps, waren wir den Berg oben. Damit ließ sich ganz gut fahren, aber da tönte es schon: »Länger als acht Kilometer soll man damit aber nicht fahren.« Wie schade! Aber gebraucht haben wir es dann gar nicht mehr.

Uns begegneten in dem Regen und in dem Schlamm eine Menge akkurat gekleideter Schulmädchen und -jungen in ihren Uniformen, die einen großen Bogen um uns machten und zu Seite gingen. Zwar war ich so vorsichtig wie möglich, aber die Pfützen und der Untergrund waren gemacht für Spritzer auf der Kleidung anderer Leute.

Großartig fand ich auch das Gefühl, durch Pfützen fahren zu dürfen und auf der Frontscheibe dann eine Menge Wasser zu haben, welches die beiden Scheibenwischer wegwischen mussten. Es war so wie die Camel Adventures, aber mit einem erhöhten Schwierigkeitsgrad. Ja, das kann ich behaupten. Denn die Herrschaften, die solche Abenteuer normalerweise mitmachen, haben als Beifahrer nicht ihre Eltern und eine übervorsichtige Ehefrau dabei.

Das Sahnehäubchen gab es ein wenig später: Ich sah in einem Tal einen Bus. Ich fragte noch in die Runde, ob der wohl hier hoch kommen würde. Als Antwort erntete ich ein »Nein, glaube ich nicht.« Aber der Bus kam. Wow!, der Fahrer muss Nerven wie Stahlseile haben. Die brauchte ich kurze Zeit später auch. Denn die Strecke war abschüssig, mündete in einer schlammigen Kurve, die über eine Furt führte – rechts ein kleiner Bach, links ein kleiner Wasserfall. Nehmen wir nur den letzten Teilsatz, wäre das eine Situation, die mich zu Hurra-Schreien veranlassen würde, aber ist halt dieser erste Teilsatz, und der ließ mich ordentlich schwitzen, denn mittlerweile war mir klar, dass ABS eine feine Sache ist, aber bei Schlamm nicht final helfend sein muss.

Da der Verfasser diese Zeilen niederschreiben kann, kann man getrost davon ausgehen, dass wir es geschafft haben. Leider gibt es davon keine Fotos, wie man es von den Camel Adventure Tours gewöhnt ist. Manche Heldentaten bleiben unfotografiert und man muss ich auf die Worte verlassen, die langsam verblassen und zu Legenden werden. In der Erinnerung wird alles schlimmer und noch gefährlicher werden, Leoparden werden sich von links anschleichen, während von der Fluss-Seite, denn mittlerweile ist es ein Strom geworden, langsam die Flusspferde – mit die gefährlichsten Tiere die es gibt, wie man ja weiß – anpirschen, um zu schauen, ob man den kleinen Toyota anstupsen kann.

Ich glaubte ja meinen Ohren nicht zu trauen, aber es gibt Zeugen dafür, dass sich Susann laut und deutlich darauf freute, wieder in Südafrika zu sein. Die schlechte Nachricht für sie ist: Ich habe Blut geleckt, für solche Tour könnte ich mich begeistern.

Gegen Abend haben wir Dundee erreicht und sind dort in einem B&B untergekommen. Das Hotel, auf das wir gebucht waren, wurde von Franzosen besetzt, die mit uns auch gegessen haben und ziemlich laut waren. Susann hatte einer Dame, die nicht englisch sprach, noch geholfen, zum Ausdruck zu bringen, dass der Wein nicht besonders toll sei. Dabei wurde sie selbst noch angemacht, was nicht gut ankommt, wenn man eigentlich nur helfen will.

An unserem Tisch sitzt ein junges Pärchen aus Ulm, welches die gleiche Tour fährt wie wir. Sie sind auch am Sonntag gestartet und haben uns schon zu verstehen gegeben, dann uns weitere Abenteuer bevorstehen. Die nächste Etappe wird von Schnee begleitet: »Wir dachten hier wäre es heiß!« war der dazu passende Kommentar. »Das dachten wir auch«, war unsere Antwort. Da die Etappe morgen nicht so lang ist, werden wir wohl uns wohl noch mit ein paar warmen Sachen versorgen, wenn der hiesige Handel auf solche Kleidung überhaupt noch eingestellt ist.