Drei Anlaufstationen: FAMILA, LIDL und EDEKA (aus Gerechtigkeitsgründen alle drei groß geschrieben). Letzterer war heute die interessanteste Station für mich. Ich geisterte durch die Gänge, überlegend, was ich denn wohl kaufen könnte, was man zum gekauften Spargel (nein, nicht der aus dem LIDL-Sonderangebot) denn an Beilage präsentierte konnte. Die Bio-Kartoffeln hatte ich schon. Ich schwankte noch: Schinken nicht, Fisch vielleicht oder vielleicht was Kurzgebratenes.

Nun hat EDEKA in Nortorf keine Frisch-Fisch-Theke, also muss man sich an die Tierkühlschränke halten. Vor einer solche Truhe stand ein Einkaufswagen, mit dem handgemalten Schild: »Halber Preis«. Ein Blick konnte man riskieren. Niederegger-Marzipan! Wow! Der Tag, an dem an einem solchen Angebot vorbeimarschiere, kann nur der Tag nach meinem Tod sein. Aber da werde ich leiden: Denn es wird mir nicht mehr vergönnt sein, zuzugreifen.

Marzipanbrot ist das Größte. Ich mag es auch ohne Schokoladenüberzug. Dass es Marzipanbrot ohne Überzug geben könnte, hätte ich mir in meinen Kindheitstagen nicht träumen lassen. Marzipanbrot bekamen wir hin und wieder mit den Westpaketen (Herzlichen Dank an dieser Stelle nach Ahrensburg an die geliebte Tante Anni, die vor Weihnachten Paket um Paket zur Post trug, all ihre Geschwister wohnten »drüben«). Was waren das für Abende, an denen Mutter ein Marzipanbrot herausholte und es aufschnitt.

Meine Schwester, herzliche Grüße nach Berlin (obwohl ich weiß, dass sie hier nicht mitliest), zu der Zeit mein Intimfeind (aber doch nie so sehr, dass sie meinem Zeichenlehrer den Rang hätte ablaufen können), mochte keine Süßigkeiten. Mit zwei recht ärgerlichen Ausnahmen: Gummibärchen und Marzipan. Ich sage es ja immer wieder, und jeder, der schon mal Bruder war, wird mir zustimmen, als Bruder hat man es wirklich nicht leicht. Hätte sie als Ausnahme nicht eine Vorliebe für Gelee haben können (hat sie glaube ich gehabt, will ich aber nicht beschwören) oder vielleicht für diese komischen Ostereier, die mit einer komischen Füllung versehen war, und an denen unser Hund schließlich verfettete? Nein, Marzipanbrot musste sie mögen wollen. Bei nächster Gelegenheit werde ich ihr das noch mal vorwerfen.

Apropos, verfettender Hund. Putzi hieß der Schatz, den alle anderen Menschen nur als Biest kannten. Der musste noch für ganz Anderes herhalten, zum Beispiel für meine Pausenbrote. Die mochte ich nämlich nicht. Ich frühstückte gut zu Hause und war der festen Überzeugung, ich bräuchte keine Pausenbrote. Diese Einstellung korrespondierte nicht mit der meiner Eltern, insbesondere der Einstellung meiner Mutter. Wenn es mir tatsächlich mal gelang, die Pausenbrote »zu vergessen«, brachte sie mir meiner Vater noch nach. Ich aß sie wirklich nicht. Man nahm sie mit nach Hause und gab dann den Belag dem Hund. Der freute sich, hatte aber für die Stulle an sich wenig über. Die musste dann entsorgt werden. Tat mir wirklich in der Seele weh, schließlich wussten wir ja, dass anderswo auf der Welt gehungert wurde. Vielleicht war es dieser Konflikt, der mir in meiner Jugend so viele Pickel bescherrte?

Ich offenbarte die Schandtaten viele Jahre später, meiner Haut ging es schon erheblich besser – allerdings war meine Mutter auch nicht für meine Frühstücksbrote zuständig, bei einem familiären Gelegenheit. Wir, das heißt, meine Schwester und ich, haben herzlich gelacht. Denn meine Schwester tat Putzi auch viel Gutes. Putzi konnte sich also immer über die Heimkehr der Kinder des Hauses freuen. Wer selbst zehn Jahre danach überhaupt nicht lachen konnte, war meine Mutter. Das hat uns dann ein wenig überrascht.

Hätte es als Pausenbrot allerdings Marzipanbrot mit in die Schule gegeben, davon bin ich überzeugt, hätte die Sache ganz anders ausgesehen. Aber das ging ja nicht: Wir lebten ja in einer Mangelwirtschaft.