Die Stühle hatten grösstenteils die gleiche Farbe wie die Wände – grünlich. Die anderen Stühle wurden von einem blassen rötlichen Farbton geprägt. Sinnbildlich für leichten Rotz und zu vernachlässigende Blessuren. In zwei Reihen standen sie hintereinander, die einen in Richtung Ausgang, die anderen in die entgegengesetzte Richtung. Überlaufen war es nicht, aber das besagt an solchen Orten nichts. Schon klar, dass das touristische Ziel an diesem Tag kein Herrenhaus war und freiwillig war ich nicht an diesem Ort: Es handelte sich um die Walk-In Clinic von Salisbury. Das dicke Knie ließ sich nicht mehr ignorieren und ein Doktor sollte sich das mal anschauen. So war ich froh, dass ich diesen Ort fand.

Eine Frau Doktor durfte sich mit diesem, mir nicht ganz unbekannten, Phänomen herumschlagen. Viele Sachen kohne man dank der Untersuchungen im letzten Jahr schon ausschließen: Es ist nicht der Meniskus, es sind nicht die Bänder, es ist einfach nur eine unerklärliche Entzündung. Die Ernährungsumstellung hatte hier noch nicht gegriffen – eigentlich war sie ja dadurch initiiert. Es ist nicht unbedingt ein Traum, im Ausland zum Arzt zu gehen, und sich in einer Fremdsprache über sein Leiden austauschen zu müssen. Es lief halt nicht so, wie die Beste aller Ehefrauen sich das vorstellte, als sie mich danach interviewte:

„Gut, sein Deutsch war gut“, meinte sie, „aber wie war denn sein Englisch?“
„Sehr gut.“

Das mit dem Deutsch blieb unklar und Susanne meinte, dass Susann es immer wieder schaffen würde, die Runde aufzuheitern.

Ich für meinen Teil löste wohl auch Verwunderung, bei der Ärztin aus, als ich fragte, wo ich denn bezahlen müsste.

„Gar nicht.“ „Nichts?“ „Genau.“ „Okayyyy…“

Da war es an mir, zu staunen.

Aber ich habe nun eine Reihe von Medikamenten, die die Beste aller Ehefrauen besorgt hat und liege im Bett des Hotels, schone das Knie und hoffe für die nächsten Tage das Beste.

Die Teilnahme an unserem Ausflug nach Stonehenge ist für mich gecancelt sein. Ehrlich gesagt halte ich das Event aber nicht für eines, was sich nicht wiederholen lässt. Wenn man mal wieder in London ist, kann man das mit einplanen – Touren zu Stonehenge werden dort an jeder Ecke angeboten. Wichtig ist jetzt nur, dass das wieder ins Lot kommt, damit der Rest der Reise so schön wird, wie der Anfang war. (Da so ein Tag im Bett, wenig Berichtenswertes hervorbringt, ist hier dann morgen auch Ruhetag.)

Es könnte sein, dass wir uns gestern das erste Ticket in England eingefangen haben. Es ist ein wenig ungewiss, da wir nicht wissen, wie Politessen in England arbeiten. Einen Zettel fanden wir am Auto nicht vor, aber wir sahen sie auf der Strasse gehen. Vielleicht ging sie auch in die Gasse, in der wir mit unserem Wagen im Parkverbot standen. Eine kleine Hoffnung ist, dass sie an der Kreuzung stand und dachte: „Wenn ich da jetzt runter gehe, dann muss ich wieder nach oben stiefeln. Das lass ich mal!“ – und uns so übersah. Sonst wird es wohl richtig teuer.

Das erste Ziel, was wir ansteuerten war Woolbedings Gardens. Die Bilder in der App sagen super aus, so dass es unsere erste Wahl war. Auf dem Weg dahin, sahen wir von der Straße eine Reihe von Menschen, die auf Pferden auf einem Pferd unterwegs waren. Polo! Die Gelegenheit, Menschen beim Polo spielen zuzuschauen, sind in Deutschland recht begrenzt. So hielten wir an und gingen hin. Niemand wollte Eintritt und niemand interessierte sich groß dafür, was wir da machen. Wir kannten keine Regeln, aber erkannten, das zwei Mannschaften einem Ball hinterher jagden und versuchten, ihn in ein gegnerisches Tor zu bugsieren, welches nicht von einem Torhüter beschützt wurde. Das Feld war recht weitläufig, so dass man leicht den Überblick verlieren konnte, wo sich denn der Ball wirklich befand. Er war nicht immer da, wo sich die meisten Pferde samt Reitern befanden. Ich meinte auch, ein Tor gesehen zu haben, aber das zählte wohl nicht.

Wir verließen das Getümmel und machten uns auf die Suche, nach unserem Garten. Das Navi kannte den Ort nicht, geschweige denn den Garten. Wir versuchten mit einer Offline-Karte von Google Maps dort hinzukommen, aber alle Türen waren zu. Es fand sich auch kein Hinweis, auf irgendeinen Garten in der Nähe. Sehr geheimnisvoll. Erst der Blick in die App vom National Trust offenbarte uns, dass wir an der richtigen Stelle waren, aber zur falschen Zeit. So ging es weiter Richtung Hinton Ampner.

Auch hier war die Freude groß, uns mit unserem Touring Pass zu sehen. Wir waren nicht die einzigen Deutschen, das war zu hören (in unterschiedlichen Leveln von auffällig laut bis hin zu dezent bildungsreisenmäßig). Im Haus wurden wir im oberen Stockwerk von einer Frau angesprochen und als sie merkte, dass wir aus Deutschland kamen, meinte sie, dass es im Wohnzimmer (ich nenne das jetzt mal völlig unprosaisch so, in Wirklichkeit war das ein Salon der Kategorie IIa) ein Silber-Kabinett zu sehen gäbe, dass aus Deutschland stammen würde. Wir sollten einfach mal den Guide im Wohnzimmer fragen. (An der Stelle werden Wetten angenommen, welcher Ort das wohl sein könnte: Zwei tippten auf das Erzgebirge, einer auf den Harz und einer zog den Publikumsjoker, was ihm allerdings auch nicht helfen sollte.) Wenn man uns auf so etwas schon so nett hinweist, dann schaut man sich das gern noch einmal gesondert an. Der Guide im Wohnzimmer der Kategorie IIa war irgendwo zwischen achtzig und neunzig Jahre alt und hörte meinen ersten Ansprechversuch erst nicht. Irgendwann drehte er sich um und war ganz überrascht, dass ein so junger Mann wie ich, der die sechzig noch nicht überschritten hat, eine Frage zum Inventar haben könnte. Ich erzählte ihm, dass seine Kollegin uns gesagt hatte, dass es hier ein Kabinett aus Deutschland geben solle. Aus Silber. Erst verneinte er, dann fiel ihm ein, dass aber in einem Eck so ein Teil steht, welches zu den genannten Parametern passen könnte und führte uns hin. In seinem schlauen Folder für das Wohnzimmer der Kategorie IIa stand dann auch, dass es aus Augsburg stammen würde. Das werde ich nie wieder vergessen und ich kann jetzt bei jeder Diskussion über englische Landhäuser einwerfen, dass ich in einem sehr schönen Landhaus ein Kabinett aus Silber gesehen hätte, das aus Augsburg kommt (und dann hoffen, dass keine Nachfragen kommen).

Beneidenswert ist der Blick aus dem Schlafzimmer, der von einem wunderschönen Garten nahtlos in eine scheinbar endlose Landschaft übergeht. Im Garten flanierten wir ein Weilchen, rochen an den wunderbar duftenden Rosen, bevor wir in ein kleines Séparée kamen. Eine Frau schnitt die Blumen und begrüsste uns erst auf Englisch, dann auf Deutsch und unterhielt sich mit uns. Eine der zahlreichen Freiwilligen, die für den National Trust werkelten und uns das Vergnügen überhaupt erst möglich machten. Dass die Guides in den Häusern meist Volunteers waren, hatten wir schon früh mitbekommen, dass aber die Gärten auch von solchen Garden Volunteers gepflegt wurden, war uns neu. Die Frau war nicht nur kundig und stellte uns ein neues Gerät vor – eine Art Blüten-Ex -, sondern auch noch witzig.

Nach der Tea Time fuhren wir weiter in Richtung Salisbury. Kurz vor dem Städtchen (etwa 40.000 Einwohner) fährt man um eine Kurve und sieht nur den Kirchturm der Kathedrale und es entfernt einem unwillkürlich ein „Wow!“ – es ist nämlich nichts anderes in der Landschaft zu sehen, außer dieser Kirchturm. Das dauert nur einen ganz kurzen Augenblick, dann sieht man die ersten Häuser. Man verpasst ja so viel, wenn man nicht aufpasst und im Auto durch andere Sachen, die nichts mit dem Reisen zu tun haben, abgelenkt ist.

Auf abenteuerlichen Wegen fuhren wir zu unserem Hotel Citylodge, welches direkt im Zentrum liegt (was in einer solchen Stadt auch nicht schwer ist). Die Zimmer sind klein und verwinkelt, aber sauber. Hat man das Zimmer 8 (und vermutlich auch die daneben liegenden), sollte man sich auf eine sehr unruhige Nacht gefasst machen – zumindest wenn man von einem Sonnabend auf Sonntag dort nächtigt. Gegenüber ist eine Nachtbar und da, wird es sehr laut. Susanne und Ulf hatten das Zimmer und in der Nacht kein Auge zugemacht. Verschärft kam hinzu, dass sich die Fenster nicht öffnen ließen. Die Klimaanlage war nicht hilfreich sondern eher belastend. Heute Morgen insistierte Susanne an der Rezeption, das Zimmer wechseln zu dürfen.

Der gesunde Menschenverstand offeriert zwei Lösungen zur Lösung dieses Problems: Entweder man vermietet die Zimmer nicht mehr. Oder man kauft den Nacht-Club auf und schließt ihn. Man kann das Problem natürlich auch ignorieren, das wirft aber kein günstiges Licht auf das Hotel-Management.

Von dieser unruhigen Nacht wussten die Beiden aber noch nichts, als wir am Abend im Thai-Restaurant Giggling Quid aßen. Das Essen war sehr gut und ich möchte an der Stelle zwei Punkte betonen, die mich besonders beeindruckend: Der Service und das Dessert. Unsere Bedienung war hervorragend, insbesondere wenn man den Service vom Vorabend betrachtet. Ohne aufdringlich zu sein, war sie immer um einen herum. Als Beispiel: Uns wurde Flaschenbier serviert und als wir keine Anstalten machten, es umzufüllen (weil ich noch mit dem Vorgängergetränk in Form einer Cola beschäftigt war), übernahm sie es. Schnell wurden leere Gläser und Flaschen abgeräumt. Die Frau hatte sich ihr Trinkgeld redlich verdient. Dann war da noch das Basilikum-Zitronen-Sorbet von Ulf, welches fantastisch war. Er bekam von mir dafür ein Rosen-Vanille-Eis, was auch sehr schmackhaft war, aber an die Kombination des Sorbets nicht heranreichte.