Angekündigt hatte ich es. Für den vorgestrigen Tag kann ich nichts liefern. Stonehenge und Avebury liefen ohne mich. Zwar hatte ich von meinen drei Mitreisenden für gestern um 8 Uhr Aufsätze zu je 500 Worten angefordert, um noch etwas liefern zu können. Aber weder ein Beamter, noch eine Selbständige, noch eine Angestellte in verantwortlicher Position waren in der Lage, auch nur ansatzweise etwas zu liefern. Armes Mühbrook, armes Mühbrook!

So kann ich nicht viel mehr berichten, als dass es für die drei sehr schön war; sie tolles Wetter hatten; sowohl die Steine in Stonehenge wie auch in Avebury eindrucksvoll waren; man mit dem National Trust-Ausweis in Stonehenge nicht nur Eintritt erlangt, sondern in eine Super-Fast-gar-nicht-warten-Schlange geschickt wird und in Avebury letztlich um eine große Ansammlung von Steinen viele Kühe weideten, womit der Spaß für Susann ein Ende hatte.

Nur ein paar Häuser neben unserem Hotel gab es ein weiteres Hotel und dort verbrachten wir den gestrigen Abend, zumindest, was die Abendbrot-Zeit anging. Es war das Cathedral Hotel und dort kann man gut und günstig essen. Gewürze darf man nicht erwarten oder um mit Susanne zu fragen: „Gibt es ein Wort für Gewürz im Englischen?“ Ja, gibt es. Das heißt aber nicht, dass es in der Küche von Pubs verwendet wird. Die Bedienung war aber sehr flott und freundlich, das macht vieles wett und zumindest bei einem Risotto kann man mit Salz und Pfeffer noch viel retten, wenn die Grundzutaten stimmen. Ansonsten wurde auf Bewährtes zurückgegriffen wie Fish & Chips.

Den heutigen Morgen ging es dann zum Frühstück zum Bill’s, dann checkten wir aus und machten uns auf den Weg zur Kathedrale von Salisbury. Vom Hotel aus hätte man auch laufen können, aber wir hatten nun unser Gepäck schon dabei. Wenn wir gelaufen wären, hätten wir noch einmal die reizende Innenstadt gesehen. Man kann es gar nicht anders sagen: Salisbury ist eine reizende Stadt, es gab so gar nichts, wo man die Nase gerümpft hätte.

Wir stellten den Wagen einem Parkplatz in der Nähe der Kathedrale ab und schlenderten dann in die Richtung des Kathedralen-Bezirks. Bevor wir das  Tor betraten, gab es noch einen Laden des National Trust. Als treue temporäre Mitglieder, wollten wir dem Laden einen kleinen Besuch abstanden. Aber er hatte gerade für immer geschlossen und es war ein Schild angebracht: „Gone to the pub“. Wenn ich so etwas sehe, bin ich immer ein wenig traurig. Allerdings wurden wir kurz darauf durch einen Karamell-Laden aufgeheitert, in dessen Schaufenster man Stonehenge nachgebaut hatte und wir versprachen uns, nachdem Kathedralen-Besuch diesen auf jeden Fall aufzusuchen.

Für den Eintritt in die Kathedrale zahlt man keinen Eintritt, man gibt eine Spende. Die beträgt für Erwachsene 7,50 Pfund, auch wenn Susann meinte, die wäre freiwillig. Daran könnte etwas sein, da man durchaus an der Kasse vorbeischlüpfen kann, ohne dass es jemanden interessiert oder einen anderen Eingang wählt. Aber wenn man weiß, welchen Aufwand der Erhalt eines solchen Komplexes erfordert (die Größenordnung hatten wir in Canterbury erfahren), dann habe ich keine Schwierigkeiten, dieses Geld zu geben. Wir schlossen uns einer Führung an, die von Freiwilligen angeboten wurde. Mary, so hieß unser Guide, machte einen guten Job – hatte es aber unglaublich schwer. Die Akustik in einer Kirche ist für Predigten und Musik sicher ideal, bei Erklärungen mit gedämpfter Stimme wird es schon schwieriger. Fast unmöglich wird es, wenn  Reisegruppen auftauchen, deren Guides das Prinzip gedämpfter Stimmen nicht verfolgen. Man musste schon ordentlich aufpassen und sich einen guten Platz suchen, um dem Gesagten zu folgen. Es gab interessante Sachen über die Lage der Kirche, den prekären Grundwasserspiegel und den schiefen Turm von Salisbury zu hören. Als sie erzählte, das sich der Mittelpunkt des Turmes immer weiter verschob, und sich aufgrund des Gewichtes die Pfeiler der Kirche immer weiter bögen, schaute ein Australier auf die Uhr und meinte: „Könnten wir uns bitte ein wenig beeilen?“

Die Kathedrale bietet so manche Besonderheit, ist schön anzusehen und liegt schön – da fällt es kaum noch ins Gewicht, dass auch ein Exemplar der Magna Charta dort zu finden ist. In einer Kapelle wird sie ausgestellt. In der Mitte dieser steht ein Pavillon. Ich war neugierig, was sich darin wohl verbirgt und schaute rein. Keiner drin, was ich erstaunlich fand, und ging hinein. Eine Italienerin aus der Gruppe folgte mir und dann ging die Knipserei los. Man hätte sich denken können, dass das nicht gemocht wird, aber es stand nirgendwo. Plötzlich stand ein älterer Mann des Aufsichtspersonals neben uns und sagte, das wäre nicht erlaubt. „Huch!“ Die Kontinental-Europäer waren von der rechten Seite gekommen, da stand das nicht. Von der linken Seite aus, die für Engländer so wichtig ist, hatte man das schon deutlich gemacht.

Meine drei Reisegefährten hatten sich vorher schon von der Gruppe gelöst. Ich glaube, die Akustik war ihnen ein wenig zu anstrengend. Die Beste aller Ehefrauen schleppt ihr mobiles Büro bei solchen Gelegenheit mit sich rum, was natürlich auch beschwerlich ist. Insgeheim hatte ich die Hoffnung, die frei würden sich, einen ruhigen Platz suchen, um ihre Hausaufgaben zu machen. Aber ich wurde ein weiteres Mal enttäuscht.

In dem Kathedralen-Komplex gibt es auch ein Denkmal des National Trust, das Mompesson House. Es handelt sich um ein bürgerliches Haus, welches schön eingerichtet ist. Im hintersten Eck des Erdgeschosses versteckt sich noch eine Bibliothek, die man nicht verpassen sollte. Wir wären fast dran vorbeigegangen, weil es unter der Treppe auf dem Weg zum Garten liegt.

Es war schon fast zwei Uhr, unser Park-Ticket war schon abgelaufen (wir drücken uns mal wieder Daumen) und wir hatten noch einige Kilometer vor uns, denn das nächste Ziel war Polperro in Cornwall. Drei Stunden Fahrt waren dafür schon nötig. Ulf fuhr die Strecke und wir lernten etwas auf der Fahrt. Wenn Ulf fährt, dann fährt er. Zarte Andeutungen, dass ein Snack schön wäre, nimmt er als freie Meinungsäußerung wahr, schließt sich dieser aber nicht an. Werden die Andeutungen zu Zaunpfählen nimmt er es in die To Do-Liste mit auf, die bis zur Ankunft am Zielort berücksichtigt werden könnte. Gegebenenfalls wird dieser Punkte aber erst am Zielort abgearbeitet. Klare Anweisungen würden helfen. So sagte ich hinter Plymouth, von dem unser Navi immer sagte, es würde „Plömut“ heißen und regelmäßig für Heiterkeit sorgte:

„Hier ist eine Raststätte, wir fahren hier ab und können einen Kaffee trinken!“
„Kaffee“, meinte Ulf, „das hört sich gut an.“

Mir war es gelungen, nicht nur eine klare Anweisung zu geben sondern auch noch einen Trigger für wohlgefälliges Verhalten zu erwischen. Die Kreuzung an der Ausfahrt irritierte uns etwas, so fuhren wir erst einmal nach links. Die Straße führte bergauf und wurde schlagartig schmal. Ulf stoppte und sinnierte nach. Bevor er sich entschieden hatte, kam ihm ein Auto entgegen.

„Sind wir hier richtig?“

Bevor die Frage beantwortet werden konnte, kam ein zweites Auto – etwas größer sogar – uns entgegen. Mit „schmal“ meine ich, dass nur ein Auto dahin passte. Wir probierten es und als wir erst einmal in dem schmalen Teil dieses Straßenabschnittes waren, wussten wir – im Leben geht es hier nicht zu einem Rasthof. Nun mussten wir da aber durch. Es ging ziemlich weit nach oben zum Cabbage Hill, bevor wir in der Auffahrt eines Anwesens, welches den Namen „Park View“ völlig zu Recht trug, wendeten und wieder nach unten fuhren. Auf der anderen Seite der Schnellstraße, da wo wir eigentlich hinwollten, fanden wir die Dartmoor Lodge – wie es etwas zu essen geben sollte … und Kaffee. Richtig happy war dann nur die Beste aller Ehefrauen mit ihrem Sandwich. Susanne hatte einen Salat mit Hühnchen, hatte aber übersehen, dass der eigentliche Salat auch Thunfisch enthielt – was für einige Irritationen sorgte, da man jetzt nicht wusste, warum Teile des Fleisches durchgebraten waren, andere Teile aber wie rohes Fleisch aussahen, aber halt nicht so richtig wie halbrohes Hühnchenfleisch. Ulf und ich hatten Pizza. Ich bin geneigt zu sagen, dass es entweder die schlechteste Pizza gewesen ist, die ich je gegessen habe oder die zweitschlechteste. (In diesem Ranking sind Pizzen, die man aus einem Automaten ziehen kann, nicht enthalten.) Da wir aber Knast hatten, waren alle Teller leer. Aus dem Füllzustand der Teller konnte die Küche keine Rückschlüsse auf ihre Qualität ziehen oder halt nur die falschen.

Polperro ist ein Traum von einem Urlaubsort. Ein altes Fischerstädtchen. Im Ortsinneren kann man nicht parken. Wir fuhren zu unserer Pension, luden dort das Gepäck aus und dann ging es zu einem Zentral-Parkplatz. Wir bezogen im The Cottage unsere Zimmer und machten uns dann auf die Nahrungssuche. Dave hatte uns gesagt, dass man überall gut essen könne, aber er würde uns das Blue Peter besonders empfehlen. Auf dem Weg zum Hafen kamen uns zwei Jungen (zwischen neun und zwölf Jahren, würde ich mal schätzen) entgegen, die die Straße entlang mit einem Strandball Fußball spielten. Der Ältere vorneweg schoss den Ball in unsere Richtung. Ich musste nur noch meinen Fuß hinhalten, um den Ball zu treffen. Eigentlich kann man eher von einem Abprallen sprechen. Der Ball ging zurück und landete im Vorgarten eines Hauses. Der Jüngere, der dem älteren Jungen, hinterherrannte, riss die Arme nach oben und rief aus vollstem Herzen „Yeeeeessss!“, kam auf mich zu und ich musste seine Faust stoßen. Was haben wir gelacht.

Wir kamen an dem empfohlenen Inn vorbei, gingen bei erst einmal zu Hafen und ließen da unserer Fantasie freien Lauf.

Der Ort ist für mich deshalb perfekt, weil er nicht mehr verändert werden kann. Es ist kein Platz. Niemand käme auf die Idee, die alten Häuser abzureißen und dort ein größeres Hotel hinzustellen. Dazu müsste er den kompletten Ort umbauen – und dann käme niemand mehr nach Polperro. Die beste Bestandsgarantie für Polperro ist, dass es so ist, wie es ist.

Nachdem wir ein paar Geschichten um den Ort, den Lord und die arme kleine Lizzy gesponnen hatten, ging es zum Essen. Im Blue Peter gab es für uns nichts, da es Probleme in der Küche gab und mit warmen Essen ist wieder am Mittwoch zu rechnen sein. So kamen wir zu einem anderen, recht kleinen Restaurant mit dem Namen The House On The Props.  Das Schaufenster lockte schon mit Kuchen und anderen Leckereien, drinnen gab es Fisch. Leckeren Fisch! Es war einer der wenigen Orte, an denen Engländer kochten, und ich den Eindruck gewann, dass sie doch wüssten was Gewürze sind und wie man damit umgeht. Es gibt also noch Hoffnung! Nachdem wir unsere Hauptspeise hatten, kam die obligatorische Frage nach dem Dessert. Die Beste aller Ehefrauen bestellte sich etwas und insistierte bei der Bedienung, dass sie keine weiteren Löffel bringen solle. Als sie wenige Augenblicke später, den Berg an Dessert vor sich stehen hatte, überlegte sie es sich anders. Wir durften mitprobieren.

Ich weiß nicht, ob die Betten in dieser Unterkunft breiter sind. Es fühlt sich ein wenig so an. Auf alle Fälle sind die Bettdecken größer. In den anderen Unterkünften war es so, dass die Beste aller Ehefrauen die Bettdecke hatte. Ich hätte an der Bettdecke zerren können, damit aber einen anderen unangenehmen Nebeneffekt produziert. Denn die Beste aller Ehefrauen hat, wie sie selbst sagt, ein sehr einnehmendes Wesen. Von dem wenigen Platz, den ich in einem Doppelbett sowieso habe, hätte ich dann noch weniger gehabt. So gesehen schlief ich dann nachts lieber mit einem Bruchteil einer Decke, hatte aber Platz. Was nützt einem ein wenig mehr Decke, wenn man vor dem Bett steht? Aber hier war das überhaupt kein Problem. Auf weitere geruhsame Nächte…