Mit dem Schlafen habe ich das hier noch nicht so. Besser gesagt: Mit dem rechtzeitigen Schlafen. Ziemlich kompliziert. Heute Ausschlafen zu können, war also schon mal ein Höhepunkt. Ich quälte mich um 9 Uhr aus dem Bett, um noch vom Frühstück partizipieren zu können, beantwortete ein paar Mails und wartete dann, dass es elf Uhr wird. Joey wollte mich für eine kleine Tour abholen.

Ich überlegte noch kurz, ob ich bei Facebook einen Eintrag hinterlassen sollte, dass ich heute vermutlich ins Casino gehe – ließ es dann aber sein, da der Informationsgehalt für die meisten Leute gegen null gehen würde. Joey hatte gesagt, sie würde mich anrufen, wenn sie da wären. Da ich ja nie zu spät kommen möchte und gleichzeitig auch noch höflich bin, begab ich mich in die Lobby und fing an zu warten. Nach einer halben Stunde überkamen mich Zweifel, ob das Treffen, was ich meinte vereinbart zu haben, denn wirklich heute wäre und die Zeit richtig wäre. Ich ging zurück aufs Zimmer und kontrollierte, ob vielleicht am Telefon des Zimmers die Mailbox leuchten würde. Das wäre ja ein Indiz für einen Anruf von Joey, da blinkte aber nichts.

Kaum hatte ich mich gesetzt, da klingelte schon das Telefon und Joey teilte mir mit, dass es etwas später werden würde. So etwa ein Uhr. Gut, dachte ich mir, wenn ich gläubig wäre, würde ich von einem Gottengeschenk sprechen. So bleibt es eine Floskel. Der Wecker wurde gestellt und ich haute mich noch mal aufs Ohr. Das war gut. Um ein Uhr war ich in der Lobby. Wartete, wartete, wartete und verschwand dann wieder in mein Zimmer, den Verdacht habend, dass bald das Telefon klingeln würde. Ich könne schon mal zum Lunch gehen, der Verkehr sei so heftig, dass sie es nicht vor halb drei Uhr schaffen würde. Nun war ich schon ein wenig angepisst, wie man so schön sagt, denn ich hätte ja auch schon seit zweieinhalb Stunden durch die Stadt streifen können. Aber gut – das mit dem Lunch ließ ich mal sein und beobachtete, wie die nachmittäglichen Wolken aufzogen.

Um halb drei Uhr klingelte wieder Telefon. Sie ständen vor der Tür. Die Gelegenheit nutzte ich, griff meine Touristentasche und marschierte nach unten, wo mich Joey in Empfang nahm, sich vielmals entschuldigte und ihren Mann mit den Worten vorstellte, das wäre ihr Ehemann. Ich sagte, dass ich Oliver wäre, was ihm wohl nicht neu war, ließ sich aber im Gegenzug nicht dazu hinreißen, mir seinen Namen zu sagen. Was aufgrund der Herzlichkeit, mit der er mich begrüßte ein wenig kurios war, es aber notwendig macht, dass ich jetzt nur vom Ehemann spreche.

Joeys Mann ist Architekt. Damit ist er der perfekte Reiseführer durch eine Stadt. Er kann was zu den Gebäuden erzählten und über die Entstehungsgeschichte. Sehr interessant, auch wenn ich mich erst reinhören musste und es für mich als im Auto hinten Sitzender schwieg war, den Ausführungen des nach vorne sprechenden Autofahrers zu folgen. Das mit dem nach vorne sprechen fand ich gut, denn der Verkehr in K.L. ist nicht ohne. Ich beobachtete wie Joey, ihrem Mann immer wieder sanft aufs Bein schlug, um seine Aufmerksamkeit auf den Verkehr zu lenken, bevor ich irgendwann mitbekam, dass er bei seinen Ausführungen das Gespräch mit mir über den Rückspiegel führte.

Es ging zu einem chinesischen Tempel und mir wurde klar, dass ich das falsche Schuhwerk an hatte. Sandalen wären das Beste gewesen. Irgendwie. Aber geschlosene Freizeitschuhe – keine gute Idee. Nun konnte ich später noch eine Moschee und das war es dann, da hatte ich noch einmal Glück gehabt. Im Tempel erzählte mir der Ehemann, dass dieser sich über Spenden finanzieren würde. Die staatlichen Zuschüsse wären rar, bei den Moscheen sieht es ein wenig anders aus. Ich weiß nicht, wie er es gemacht hat, aber der Ehemann musste nicht auf einem der offiziellen Parkplätze parken, sondern fuhr uns von hinten an den Tempel heran.

Die Nationalmoschee war die erste Moschee, die ich überhaupt besucht habe. Als Bauwerk versteht sich, in einem muslimischen Gebetsraum war ich schon mal, wie ich auch einen Gottesdienst schon beiwohnte.

Über den Unabhängkeitsplatz, der verdammt unspektkulär ist, wenn man von einem ziemlich großen Fahnenmast absieht, ging es zur ältesten Moschee der Stadt. Wir gingen vorher über einen Markt und er blieb an einem Stand stehen und meinte, die Frucht müsse ich unbedingt probieren. Von dieser Frucht, von der ich später dann probieren sollte, die ausnehmend schmackhaft war (süß und sauer im besten Fall, erfrischend sauer in einigen Fällen, verdorben im schlechtesten Fall), wobei das Öffnen aber eine Schweinerei sondergleichen verursachen kann. Er kaufte davon zwei Kilo, was mehr klingt als es ist, da der größte Teil Schale ist, die man nicht mitessen kann (wenn man sich die Finger leckt, merkt man, dass sie einen bitteren Geschmack hinterlässt). Dann gab es da noch eine Frucht, die ich nicht soooo schmackhaft fand, die andere war leckerer, von der ich jezt ein ganzes Bündel auf dem Hotelzimmer habe und noch nicht weiß, wie ich sie bewältigen soll. Mein Einwand, dass ich keinen Kühlschrank auf dem Zimmer habe, was noch nicht mal eine Notlüge war, wurde mit der Antwort quittiert: »Tropische Früchte brauchen normalerweise keinen Kühlschrank.« Hmm – ja.

Auf dem Markt gab es wieder ganz viel vorbereitetes Essen und der Ehemann klärte mich auf, dass dies nicht üblich sein, sondern nur während des Ramadan erlaubt wäre. So ich ihn richtig verstanden habe. Das würde aber erklären, warum ich bei meinen letzten beiden Aufenthalten, solche Stände nicht bemerkt habe und das täte mich schon einigermaßen beruhigen.

Die alte Moschee konnte ich nicht besichtigen, da geschlossen war, und der Wächter war da auch sehr, sehr strikt und über den Ehemann sehr verärgert, da er versuchte seinen Charme spielen zu lassen. Aber da war keine Chance.

Ob ich etwas essen möchte. Nein, eigentlich nicht. Aber es wäre Teezeit, da könnte man ja was trinken. Ach, eigentlich muss es nicht sein. Die beiden waren anderer Meinung und wir hielten an einem Restaurant an, welches an einen Vogelpark grenzte. Der Ehemann war begeistert von der Idee draußen zu sitzen, und ich stimmte ihm zu. Klimaanlage ist ganz nett, aber Tiere beobachten ist natürlich noch viel besser. Die Vögel kamen und um sie anzulocken, meine der Ehemann, man könne sie ja füttern. Er ging ins Restaurant und fragte nach Futter, ihm wurde allerdings mitgeteilt, dass es nicht erlaubt sei, die Tiere zu füttern. Ich hatte einen Orangensaft, Joey ein Getränk aus einer Dose (keine Ahnung) und der Ehemann einen Kokosnuss-Juice. Er fing dann an, die Vögel mit dem Kokusnuss-Fleisch anzulocken, wärend Joey ihm klarzumachen versuchte, dass dies ja (a) verboten sei und (b) die Vögel zur Fisch fressen würde. Das erinnerte mich ein wenig an Gespräche, die ich meiner Beziehung auch führe. Nun war der Punkte (a) dem Ehemann egal, der meinte, die Kokussnuss käme ja aus der Natur und (b) hielten sich die Vögel nicht an die Regel, nur Fisch zu essen, sondern meinten, Kokussnuss wäre zur Not auch nicht so schlecht. Kurze Zeit später tobte um uns ein kleiner Luftkrieg zwischen den Viechern.

Über den Königspalast ging es dann in Richtung Kasino. Wie ich es mir gedacht hatte. Joey hatte mich schon vorher gefragt, wie ich denn dazu stehe und ich meinte, im Urlaub würden wir manchmal ins Kasino gehen. Sie erzählte mir, dass Glücksspiel für die Muslime verboten wäre, aber die Chinesen (zu der sie übrigens dazugehört, wenn ich es noch nicht erwähnt hatte) würden das Glücksspiel lieben. Über alles. Ich hatte also gestern schon den Eindruck, dass sie sich auf den Kasino-Besuch freuen würden. Dafür fuhren sie mit mir siebzig Kilometer außerhalb in die Berge. So kam in den Genuss der Highlands, einer Seilbahn und dem Gefühl, unter Chinesen allein zu sein.

Essen war übrigens die ganze Zeit ein Thema. Wollen wir vor oder nach dem Kasino-Besuch essen, was wollen wir essen, wo wollen wir essen. Das waren Fragen, die ich nicht beantworten konnte und ich sah, dass meine Antwort, ich sei gar nicht so hungrig und ich würde die Wahl ihnen überlassen, nicht befriedigend war. Während ich mit Joey im Kasino war, ging ich davon aus, dass wir in einem der Restaurants essen würde, die dort waren (ein riesiger Komplex von mehreren Hotels). Als wir aus dem Kasino kamen, merkte ich, dass der Ehemann, der das Auto auf den Berg gefahren hatte, offenbar nicht so aufs Kasino versessen war (eigentlich hätte ich es andersherum erwartet: Er machte den Eindruck, verspielter zu sein. Aber Joey mochte das Spiel und meinte zu mir dazu: Ja, absolut, und das obwohl ich Programmierer bin.), und nun vorhatte woanders zu essen.

Chinesisches Essen ist ja ganz anders, als ich es aus Deutschland kenne. Kein Vergleich. Wir fuhren in eine kleine Stadt, die nur aus Restaurants zu bestehen schien. Die Restaurants waren aber keine geschlossenen Etablissements, wie man es bei uns erwartet, sondern von außen komplett einsehbar. Am Charme wird ein wenig gespart, auf Äußerlichkeiten kein Wert gelegt. Das Wichtige ist das Essen. Die Speisekarte war auf Plastik gedruckt und damit stellte sich auch nicht die Frage, was für neue Kreationen sich der Koch heute so ausgedacht hatte. (Die Information, dass die beste Ehefrau von allen, eine Sammlung von Kochbüchern besitzt, wurde mit Befremden zur Kenntnis genommen. »Und da guckt sie während des Kochens rein?« »Ja.« »Aha.« Vermutlich ist die beste alle Ehefrauen verwirrt, dass es Haushalte gibt, die keine Kochbücher haben, aber zumindest in Malaysia ist das der Fall.) Was ich denn Essen wolle? Fisch – gegrillt oder gekocht. Das hatte ich akustisch mal wieder nicht verstanden, was mir dann schon peinlich war. Gekocht meinte ich, warum auch nicht, machen wir ja bei uns auch. Oder doch Hühnchen?, kam die Frage. Ja, Hühnchen ist auch gut. Mit Ginger, meinte der Wirt, wäre es wirklich absolut lecker. Das hört sich doch gut an, meinte ich. Ob ich denn Ginger möge? Weiß ich nicht, muss ich probieren.

Ohh, ich war wirklich mutig. Fisch, den ich nicht kannte, Hühnchen mit Ginger, und der Ehemann bestellte noch zwei andere Sachen, die ich nicht verstand und Gemüse.

Das Gemüse war als Gemüse zu erkennen, aber nicht, was für ein Gemüse. So gab es Fleischbällchen, die ich nicht zu meinen Favoriten zählen werde, Ginger-Hühnchen, was wirklich absolut schmackhaft war – gerade mit der Ginger-Soße – eine Art Krebs, der scharf sein sollte, dessen Soße scharf sein sollte, aber nicht war, und Catfish, den ich ja bestellt hatte, was ich nicht mehr so genau wusste, ich meinte ja das Hühnchen bestellt zu haben.

Als Nachtisch wurde das gekaufte Obst herausgeholt und wir machten uns über das viel Dreck machende Teil her, von dem ich erfuhr, dass man es nicht lang aufheben kann und es deshalb auch nicht exportiert wird. Was für ein Ärgernis, ich hätte ja alsbald bei Citti danach geschaut. (Gucken werde ich trotzdem.)

Sowas von satt ging es zurück nach K.L. – vorbei an den beleuchteten Petronas-Tower durch einen Tunnel, der entweder als Entwässerungstunnel benutzt wird oder als zahlungspflichter Auto-Tunnel – anhängig von den Witterungsverhältnissen – und die beiden hatten etwas mich in einen Zustand zu versetzen, den man als glücklich, satt und müde bezeichnen kann. Was will man mehr?

Und ich habe keine Idee, wie ich mich angemessen revanchieren kann…