Heute Morgen war die Überraschung groß: Es herrschte ein Gedränge im Frühstücksraum und mit Mühe und großer Not konnten wir zwei Plätze an einem Tisch ergattern. Das war auch bitter notwendig, litt Susann doch schon unter akutem Koffein-Mangel. Wir waren recht spät dran.

Es war bestes Wetter angesagt und als wir nach draußen kamen, stellte sich dieses beste Wetter so heraus: kein Regen, viele Wolken und kalt. Das war noch ausbaufähig.

Erste Station war Christiania, der Teil von Kopenhagen, der sich als eigene Republik sieht. Auf dem Weg dahin kamen wir an der Vor Frelsers Kirke vorbei, die einen interessanten Kirchturm hat. Der ist spiralförmig und man kann ganz nach oben gehen, an die Kirchturmspitze. Das sind über 300 Stufen und die beste Frau der Welt war der Meinung, man sollte sich die Kräfte für Anderes aufheben. Außerdem wäre sie nicht schwindelfrei.

Sie wies mich auch darauf hin, dass Fotografieren in der Republik Christiania nicht erwünscht oder gar erlaubt wäre. Was ich erst sehr bedauerlich fand, war mir später eigentlich recht egal. Es mag mein spießiges Wesen sein, aber ich konnte mit dieser Art zu Leben nicht so viel anfangen. Es kam mir vor, als würde ich in einem Zoo sein und statt Tieren halt die Bewohner der Siedler betrachten. Es gab einige interessante Kunstprojekte, ja, und auch die Fahrradwerkstatt produzierte ganz pfiffige Modelle.

An dem Kanal, der Christianshavn durchzieht, hatten wir Anlegenstellen für Kanaltouren gesehen. Die wollten wir wahrnehmen. So kleideten wir uns etwas wärmer an und warteten auf das Boot (Dampfer hätte ich nicht sagen wollen). Die Rundtour brachte uns in bekannte Gefilde und wir sahen die Meerjungfrau, natürlich. Das musste sein, und so stiegen wir auch aus und schauten uns die Leute an, die waghalsige, akrobatische Kunststücke unternahmen, um ganz nah an der Skulptur zu sein. Es war schon einiges los und unter wir mochten nicht wissen wollen, was erst im Sommer bei total schönem Wetter los sein würde.

Das Wetter hatte sich ein wenig geändert: Es war kalt, wurde aber sonniger. Das ließ sich ganz gut anhalten. Den Nachmittag verbrachten wir dann mit Kunst. Erst trieb es uns Thorvaldsens Museum, welches dem dänischen Bildhauer gewidmet war. Ein ruhiger Platz im Trubel, den man gut aufsuchen kann. Auf zwei Etagen werden die Skulpturen des Künstlers gezeigt, es gibt auch eine kleine Bildgalerie. Wir waren fast allein dort und konnten die Räumlichkeiten samt Kunst genießen. Susann stellte bei einer der Figuren fest, dass da wohl Anabolika im Einsatz gewesen wäre und machte das an der Größe der Geschlechtsteile in Relation zum Rest der Körpers fest. Apropos Relationen: Neben einigen Skulpturen kam man sich wirklich sehr, sehr klein vor.

Nach dem Design der Vergangenheit wandten wir uns dem Design der Gegenwart zu und spazierten zum Dansk Design Center. Dort gab es gerade eine Ausstellung zum Thema »Neue Materialien« und die Auswirkungen auf das Design von Gegenständen, seien es nun Schuhe, Computer und Möbel. In einer Dauerausstellung im Untergeschoss waren Beispiele dänischen Design der letzten sechzig Jahre zu betrachten und wir standen manchmal davor und sagten: »Genau!«

Die große Frage ist natürlich immer: Was gehen wir Essen. Den Tag über waren wir recht zurückhaltend gewesen. Im DDC gab es ein Stückchen Kuchen, was für den hohlen Zahn. Nyhavn war am Nachmittag völlig überbevölkert gewesen, was uns das Schlimmste für den Abend befürchten ließ. Aber dem war gar nicht so, man sah noch die Rest der nachmittäglichen Invasion in Form von Müll, aber man hätte bequem was finden können. Trotzdem zog es uns weiter.

So fanden wir das Restaurant »Den Tatoverede Enke« und müssen zugeben, dass wir beinahe nicht hinein gegangen werden. Das Menü hörte sich lecker an, keine Frage, aber der Eingang war nicht so, dass es mich hineingedrängt hätte. Also marschierten wir erst einmal hinein. Auf dem Rückweg sahen wir einena anderen Eingang und man konnte hineinschauen. Rustikal sah es aus und wir probierten es mal. Das Restaurant war allerdings im ersten Stock und war ganz, ganz anders.

Etwas irritierend ist es immer, dass man die ganzen Bierflaschen auf den Tischen sieht. Das sieht, mit Verlaub, ein wenig unterklassig aus. Aber gehört wohl auch dazu. Interessant an dem Restaurant ist, dass als Begleiter zu den Speisen nicht Wein empfohlen wird, sondern Bier. Eine Weinkarte habe ich gar nicht gesehen. So kommt das Bier dann auch aus Flaschen. Ich fasse es einmal kurz zusammen: Drei Gänge, dreimal Hochgenuss. Da sage mal einer, Dänen können nicht kochen. Können sie und sie müssen sich da nicht hinter einer internationalen Küche verstecken.