Simone hatte keine Lust. Es hörte sich so an, als ob sie weder auf den Kerl noch auf das Telefonat großartig Lust hatte. Dem Kerl machte es nichts aus, denn er blieb hartnäckig dran. Auflegen, Simone überlegte, ob sie es tun sollte, aber aus irgendwelchen Gründen, blieb sie doch dran. Gern hätte ich sie gefragt, aber es wahr einfach nicht möglich. Denn der Anrufer saß mit mir im Zug, Simone war wohl zu Haus.

Ich bin ein ganz großer Verfechter des Datenschutzes, aber wenn sich jemand in einem Zug hinsetzt und laut telefoniert, dann hat er es irgendwann nicht anders verdient, als eine Würdigung dieser Art zu bekommen. Laut ist immer ein relativer Begriff: Für mich ist es Laut, wenn ich am anderen Ende des Wagens jedes Wort laut und deutlich verstehe, und nicht umhin kommen würde, mir die Ohren zu verstopfen, um diesem Gespräch ausweichen.

Ob Simone das auch so sieht, ist schwer zu sagen, aber wir hatten doch gut zwanzig Minuten von dem Telefonat, welches kein Ende nehmen sollte. Simone hätte die Chance gehabt, dem auszuweichen, womit wir anderen auch hätten ausweichen können. Aber irgendetwas hinderte sie, aufzulegen.

Es schien so, als hätte er – der Anrufer – irgendetwas Heftiges gesagt, was sie – die Simone – auf die Palme gebracht hatte. Er betonte immer wieder, dass es hätte gesagt werden müssen. Sie sah es anders.

Mit dem anders sehen, war das sowieso so eine Sache: Er hatte sich Bilder angeschaut von einer Party, auf der er nicht gewesen war, und gab unumwunden zu, dass sie so glücklich und gelöst ausgesehen hätte. So hätte sie nie ausgesehen, wenn er dabei gewesen wäre. Er hatte sich gedacht, dass dies an ihm liegen würde. Er war dabei – sie war unglücklich. Er war nicht dabei – sie war glücklich. Für mich eine eindeutige Kausalität, die mich nicht veranlassen würde, bei der Dame anzurufen.

Schön war auch, dass immer wieder die Floskel fiel: »Simone, Du musst mir zuhören.« und »Nein, nein, nein … Simone.« Gesprächspartner, die immer wieder und wieder und wieder meinen Namen wiederholen, würden mir ja auf den Wecker gehen. Aber Simone war ordentlich geduldig und es ist wirklich schade, dass man sie gar nicht verstehen konnte.

Ein Handy-Störgerät wäre auch eine feine Sache: Ob es so was schon in einer mobilen Ausführung gibt?