Manchmal glaube ich, dass es besser wäre, ich hätte schon ein Haus. Dann hätte die liebe Seele Ruhe, wie es so schön heißt. Aber so kommt man in Deutschland an keiner Bank, an keinem Immobilienmakler, an keiner Bausparkasse vorbei, an der mir nicht am Ärmel gezupft wird und ich zu hören bekomme: »Lass uns doch mal schauen!«. Hierzulande ist es nicht viel anders.

Da kann man schon dankbar sein, dass die Banken hier keine Immobilienangebote aushängen und wir auf Bausparkassen, wenn es sie denn gibt, noch nicht gestoßen sind. Aber auch die Autofahrten sind schon recht erbaulich. Für Susanns kritischen Blick war es nicht notwendig, ein Schild zu sehen, auf dem Immobilienmakler gesucht wurden. Den Blick hatte sie vorher schon drauf.

Akribisch stellte sie die Unterschiede zwischen der amerikanischen und kanadischen Bauweise der Wohngrundstücke fest, inspizierte Auffahrten und Vorgärten, um zu dem Schluss zu gelangen, dass ihr die kanadische Bauweise mehr liegen würde. Mir dagegen ist nur aufgefallen, dass in Kanada die Eigenheimbesitzer wesentlich sparsamer mit der Beflaggung umgehen, als es in den USA der Fall ist. Sicher werden wir auch noch irgendwelche Musterhäuser-Siedlungen während unseres Aufenthaltes hier besuchen.

Als Mann bin ich schon heilfroh, dass ich nicht in die Büros des örtlichen Immobilienmaklers geschleppt worden bin, nur weil Susann der Meinung war, dass die Preise hier recht günstig sind. Ich gebe ja zu, dass es durchaus seine Reize hat, hier eine Immobilie anzuschaffen. Der Ausblick den wir hier genießen ist toll und wo wir hier hinkommen, es sieht überall toll aus. Es gibt sogar Wasserfälle und schöne Wanderwege.

Andererseits scheint es mir hier keine Gegend zu sein, in der man gut einen Job finden kann. Viele Geschäfte stehen leer, Industrie ist hier kaum zu finden. Die Gegend lebt sicher vom Tourismus, der aber nur zwischen April und November stattfindet. Dann liegt hier wohl Schnee und er Blue Ridge Parkway wird geschlossen sein. Es gibt als Tourist vermutlich keinen Grund mehr hier zu sein, denn mit den vielen Wäldern ist es keine ideale Schneemobil-Gegend und von Langlauf im Schnee habe ich hier auch noch keine Spuren gesehen.

Mir scheint ein Umzug von Borgdorf (Schleswig-Holstein) nach Waynesville (North Carolina) trotz der Ähnlichkeit zur Auvergne nicht erstrebenswert.

Nach dem gestrigen Wasserfall-Desaster (Bedienung: »Was habt Ihr heute gemacht?« Susann: »Wir waren bei den Douglas Falls.« »Wow!« Keine weitere Erwähnung, dass wir nur auf dem Weg waren, die Wasserfälle aber nicht gesehen haben.) waren wir heute der festen Überzeugung, es besser zu machen. Das Navigationssystem wurde befragt, wie es den mit touristischen Attraktionen hier in der Umgebung aussieht. Seine Antwort war: Wasserfall – zehn Kilometer – High Falls. Seiner Servicenatur nach plante er uns die Route und wir freuten uns, vor einen Wasserfall fahren zu dürfen und dort dann einfach Tourist zu sein.

Die erste Überraschung war nach sieben Kilometern, dass wir auf eine National Park Road geführt wurde, die mehr einer Schotterpiste denn einer Straße ähnelte. Ich erinnerte mich dunkel an eine Klausel im Auto-Mietvertrag, aber die Straße ließ einen gewissen Interpretationsspielraum zu. Den nutzten wir. Aber nach sieben Kilometern war erst einmal Schluss, denn das Schild auf der Straße verkündet »Road closed«. Fußweg war angesagt. Ich will nicht behaupten, dass sich großes Geraune breit machte, aber meine Ehefrau erinnerte mich schon daran, dass ihr die gestrige Tour noch in den Knochen stecken würde. Als guter Ehemann äußerte ich Verständnis und meinte, dass es bisher eine Straße wäre und dass es sicher so weiterginge.

Was ein Irrtum war, womit ich meiner Rolle als Ehemann wieder einmal voll gerecht wurde. Kurz nach dem Schild verengte sich die Straße und wurde zu einem Weg. Kurze Zeit später traten die ersten kleinen Herausforderungen in Form von kleinen Sümpfen auf dem Weg auf, die geschickt übersprungen und umrundet werden mussten. Neben der Straße verlief ein Bach, der sehr reizend war und zum Fotografieren einlud. Wenn man an ihn herankam. Denn mal war er durch dickes Gestrüpp geschützt, mal war er ziemlich tief unten, dass man ihn kaum sehen konnte. Aber wenn man ihn sah und an ihn herankam, war er entzückend.

Eine Idee von TomTomDas Navigationsgerät hatte uns vermeldet, dass es nur drei Komma irgendwas Kilometer bis zum High Fall wären. Wir sahen die kleinen Fälle und wanderten verzückt auf Größeres hoffend weiter. Dann war es, das Navi, kurzzeitig der Meinung, es wären 600 Meter bis zum Wasserfall, bis er sich entschloss uns mitzuteilen, wir sollten umkehren und einen anderen Weg nehmen, der von dem aktuellen Standpunkt nur 5000 Meter betragen würde. Einen solch kleinen Umweg wollten wir nicht tolerieren, schalteten das Gerät ab und trabten auf dem vorher angezeigten Weg weiter. Der Bach war weder zu sehen noch zu hören, und wir befanden uns in Höhe, die wieder an eine Bergbesteigung erinnerten, wenn auch auf einem Weg, der in die Kategorie »difficult« fiel, was uns nicht mehr schrecken konnte.

Hier im Hotel liegen Zettel aus, im Zimmer, im Office und im Restaurant, in denen auf Bären hingewiesen wird. Das Übliche: Es sind keine Haustiere sondern wildlebende Tiere, man soll sie nicht füttern und sich vorsichtig verhalten. Als ich Susann das erste Mal auf diese (eigentlich) nicht zu übersehenden Zettel hinwies, fragte sie mich, ob ich diese Witzblätter meine. Ja, antwortete ich, allerdings würde ich sie schon ernst nehmen. Darauf taxierte sie die Umgebung vorsichtig.

Wenn man jetzt durch einen Wald geht, denkt man sich eigentlich nichts besonderes. Es sind Wanderwege, und selbst wenn uns auf dem Weg (drei bis vier Stunden) nur drei Wandergruppen begegneten, war man recht allein. Hört man dann im Wald plötzlich lautes Rascheln, wird einem schon ein wenig anders. Als das Rascheln plötzlich aus unmittelbarer Nähe kam, suchte ich mir einen Stock. Ich hatte vorher Susann schon einen Wanderstock empfohlen, einfach so, worauf hin sie meinte, sie würde sich dann sicher einen Splitter einreißen (ein Gedanke, der mir nie gekommen wäre). Als ich mich umdrehte, sah ich, dass Susann auch einen Stock hatte. Ich habe keine Ahnung, ob Stöcke gegen Bären helfen. Man weiß ja nie… Wahrscheinlich war es nur ein Dachs oder irgendwas anderes ungefährliches.

Die High Falls, da wo sie unser Navigationsgerät ortete, bekamen wir nicht zu sehen. Am Ziel waren wir mittem im Wald und von Wasserfällen war nichts zu hören. Es war aber eine schöne Wanderung, insofern waren wir ihm nicht allzu böse.

Am Nachmittag wagten wir aber noch einen weiteren Versuch, und das blöde Teil führte uns zu einem Wasserfall (das sind die Attraktionen hier), der gut zu hören war, aber zu dem es keinen Weg war. Ich habe keine Ahnung, warum die TomTom-Leute der Meinung wäre, dass ein nichterreichbarer Wasserfall eine Attraktion wäre. Sieht mir nach ziemlich abgefahrenen Humor aus. Von der Position, zu der uns navigiert hatte, und in einer Umgebung von sechshundert Meter an der Straße entlang, gab es keinen Weg, der uns ins Tal geführt hatte.

Nachdem wir uns einen touristisches Wettrennen mit einer Gruppe von Florida-Rentnerinnen über die einzelnen Aussichtspunkte geliefert haben, was wirklich lustig war, ging es zurück ins Hotel. Da ich »Erster« als Erster gerufen hatte, hatte ich die Pool-Position, was den Toilettengang im Hotelzimmer anging, gewonnen. Die Enttäuschung war ziemlich groß, als ich feststellen musste, das in höchster Not, sich die Toilettentür nicht öffnen ließ. Sie hatte sich wohl von innen verriegelt. Der herbeigerufene Service-Mann reagierte auch sehr überrascht und meinte, das sei ihm hier noch nie passiert und hatte auch keine Erklärung parat. Da die Antenne unseres Fernsehapparates nur aus einem Draht besteht, hatte er schnell ein Werkzeug zur Hand. Was allerdings nicht half. Dann meinte er, der Kreditkartentrick würde doch immer funktionieren, was uns über den Film »Sneakers« spekulieren ließ. Letztlich half erst eine Kombination aus (Antennen-)Draht und Karten-Trick. Danach: Erlösung.

Vielleicht noch ein Wort zu dem immer wieder erwähnten Blue Ridge Parkway. Das ist eine Straße, die sich vom Great Smoky Nationalpark (den wir heute übrigens nicht besuchten, da uns Regen angekündigt war, der nicht kam – grrrr) bis zum Shenandoah National Park in Virgina führt, das etwa über 750 Kilometer auf einer Straße, auf der maximal 45 Meilen in der Stunder erlaubt sind und kommerzieller Verkehr (sprich Lastverkehr) verboten ist. Wir haben gerade mal 200 Kilometer von dem Parkway befahren und er ist wirklich schön. Würde man jeden Aussichtspunkt anfahren, man wäre Wochen unterwegs.