Wie beweise ich, dass ich einigermaßen hip bin? Ich werfe einfach mit ein paar Schlagworten um mich und freue mich, wenn ich getroffen haben. Tut mir leid, liebe Blanvalet-Leute, aber bei diesem Buch ist es furchtbar daneben gegangen. Überhaupt finde ich, dass es marketingmäßig ziemlich schief gelaufen ist. Aber was genau ist passiert: Den Titel ziert eine Unterzeile namens »Marseille-Krimi« und auf der Rückseite steht: »Wenn Sie Jean-Claude Izzo schätzen, werden Sie Olivier Descosse lieben.« – ein Zitat, dass irgendeiner Elle entnommen wurde.

Schade eigentlich, denn dieses Schubladen-Denken hätte gar nicht Not getan.  Die Teile dieses Krimis, die in Marseille und in denen Marseille eine gewichtige Rolle spielt, lassen sich an einer Hand abzählen. Die Stadt hätte genauso gut Nizza, Cannes oder Toulon sein können. Die spezielle Atmosphäre, wie sie Izzo in seinen Romanen schuf, kommt in diesem Roman überhaupt gar nicht zur Geltung. Das hatte der Autor wahrscheinlich auch überhaupt nicht vor, sein Roman spielt in Paris, auf Porquerolles (ein Grund, warum ich zuschlug) und Tahiti – die Geschichte ist so weit angelegt. Die Verwobenheit der Hauptfigur mit der Stadt, wie sie bei Izzo typisch ist, spielt hier keine Rolle. Auch im unterscheiden sich die beiden Bücher erheblich. Spannend sind sie beide, gewiss – die Spannung ist bei Izzo aber ganz anders angelegt als bei Descosse. Anders, nicht besser und nicht schlechter. Aber halt so, dass ein Liebhaber von Izzos Romanen durchaus der Zugang zu dem Roman von Descosse verwehrt bleibt. Jemand, dem »In der Höhle des Kraken« sehr gefällt, wird mit dem Ton in Izzos Roman unter Umständen überhaupt nichts anfangen lassen. Aber im Marketing hat man einen Bezug zu einem bekannten und beliebten Autoren herstellen können. Ich klatsche da keinen Beifall, denn ich finde es misslungen.

Jetzt habe ich soviel geschrieben, und noch kein Wort über das Buch verloren. Auf der Insel Porquerolles, die so traumhaft geschildert wird, wie sie ist, wird die Leiche einer Frau gefunden. Beauftragt wird der Leutnant Paul Cabrera, der mit diesem Fall überhaupt gar nichts zu tun hat, denn schließlich gehört die Insel eher zu Toulon als zu Marseille. Sein Vorgesetzter hat so seine Gründe, die er dem Leutnant aber erst verrät, nachdem dieser berichtet, dass von einem Selbstmord ausgegangen werden könnte – ein Gewalt-Verbrechen würde nicht vorliegen. Sein Vorgesetzter gesteht ihm, dass es sich um seine uneheliche Tochter handeln würde, und er es sehr schätzen würde, wenn er sich weiter um den Fall kümmern würde.

Da gibt es allerdings Schwierigkeiten, denn die Leiche der Verstorbenen ist einfach so verschwunden. Cabrera war es zwar gelungen, an einer Autopsie teilzunehmen, aber als er am nächsten Tag nach dem Obduzenten sucht, ihn nicht findet, und dann nach der Leiche – so muss er feststellen, dass beide verschwunden sind. Besser noch: In dem Krankenhaus hat keiner eine Ahnung, wer an der Autopsie beteiligt war. Ein verantwortlicher Arzt kann nur sagen, dass er, als er versuchte die Räumlichkeiten zu betreten, von bewaffneten Leuten aufgehalten wurde, die ihm was von einer Sicherheitsübung erzählten.

Auf der Insel hatte der Leutnant die Schwester der Verstorbenen kennengelernt, Halbschwester wenn man es genau nimmt, und das Verhältnis war auch recht halbherzig. Aber sie gerät recht bald in das Visier von gewichtigen Leuten, die sie versuchen zu kidnappen. Zu allem Überfluss wird der auftraggebene Kommissar Cabreras umgebracht und der Leutnant selbst gerät auch in die Schusslinie der Verbrecher.

Die Geschichte wird rasant erzählt, keinen Augenblick kommt Langeweile auf. Die Schauplätze sind so reizvoll, die Geschichte wird immer verworrener. Viele Spuren werden aufgelegt und es scheint, als ob die Hauptspur bald eine Sackgasse ist. Das Ende ist nicht sehr appetitlich und scheint mir auch recht weit hergeholt zu sein. Aber auf den übrigen Seiten wurde ich recht gut unterhalten, so nehme ich das Ende mal mit Fassung hin.