Meine Mutter nennt es: »Fixe Idee«. Ich hatte früher öfter mal so etwas. Dann kam ich nach Hause, erzählte von meinen Vorhaben und meinte Mutter kommentierte es abschließend mit den schon gefallenen Worten. Sie hätte auch sagen können: »So ein Käse!«, nun, das hat sie aber nicht. Vielleicht hätte irgendjemand den eigentlich sehr sympathischen Frans Laarmans kann zu Anfang mal sagen sollen, was meine Mutter mir hin und wieder kundtat. Allerdings, und damit muss ich meine eben vorgenommene Aussage schon wieder relativieren, hätten wir dann nicht diese herrliche Geschichte von Willem Elsschott zu lesen bekommen.

Laarmans ist Schreiber auf einer Antwerpener Schiffswerft. Er schreibt nicht direkt für den Chef, sondern ist einer von vielen. Hin und wieder kommt es vor, dass er auch zum großen Vorsitzenden muss. Aber der merkt es nicht einmal, dass er einen anderen Schreiber hat. Das Leben von Laarmans verläuft in geordneten Bahnen. Er bringt regelmäßig ausreichend Geld für sich, seine Frau und die beiden Kinder mit nach Hause. Der Bruder, ein Arzt, kehrt regelmäßig in das Haus ein und bringt ein wenig Schwung in die Bude, bevor er nach kurzer Zeit wieder auf seinem Fahrrad verschwindet. Zusammenfassend: Alles ist in bester Ordnung.

Über seinen Bruder gerät Laarmans an Mijnheer van Schoonbeke, der ihn in »bessere« Kreise eingeführt hat. Laarmans ist der Meinung, dass er nicht in diesen Kreis gehören würde. Er wird als Werftinspektor eingeführt, aber unter den ganzen Rechtsanwälten, Mediziner und Geschäftsleuten fühlt sich der Schreiber nicht wohl, irgendwie nicht am rechten Platz.

Von van Schoonbeke kommt der Vorschlag, er möge sich doch verändern. Er könne ihm ein Geschäft vermitteln. Laarmans ist sehr interessiert, auch nachdem er gehört hat, dass es sich um Thema handeln, dass ihn weniger interessiert oder, noch besser gesagt, gar nicht schmeckt: Käse. Aber das Angebot ist sehr verlockend. Reich könne er werden, denkt sich Laarmans, denn schließlich wird ihm die Generalvertretung für den Käsehersteller Hornstra in Belgien und das Großherzogtum Luxemburg.angeboten. Er diskutiert diesen Vorschlag mit seiner Frau, die ihn nicht bestärkt. Aber Laanmans hat schon Pläne. Er lässt sich von seinem Bruder krank schreiben, geht also vorerst kein Risiko ein. Er will den Käsehandel nebenher aufbauen.

Was ein richtiger Geschäftsmann ist, der stürzt sich nicht zuerst auf das Geschäft, sondern schafft sich Prestige und die Grundlagen seines Geschäftes. Da muss ein Name für die Firma her, in dem der Name Laarmans nicht auftauchen sollte, denn zumindest am Anfang ist es ja eine Nebenhertätigkeit, die niemandem, schon gar nicht seinen Kollegen oder seinem Chef auffallen soll. Briefpapier benötigt man, mit dem passenden Kopf, versteht sich, und auch auf einen beeindruckenden Schreibtisch kann der Mann nicht verzichten. Als Geschäftsmann darf man nicht kleckern: Man hatte ihn schon komisch angesehen, als er nicht in der ersten Klasse zum Treffen mit Mijnheer Hornstra gereist war. Als die Angelegenheit geregelt war, konnte es los gehen.

Denn eines Tages stand plötzlich jemand vor Tür und verkündet die Ankunft von mehreren Tonnen Käse. Was für einen Käse! Wo sollte der denn lagern, ja wohl doch nicht in dem kleinen Haus der Laarmans. Die Lieferanten bieten gleich eine Lösung an. Gegen eine kleine Gebühr würden sie den Käse bis zum Verkauf in ihren Kellern lagern. Eine feine Lösung, findet der frischgebackene Kaufmann, der plötzlich erkennt, dass er ein viel größeres Problem hat, als einen passenden Namen für seine Firma zu finden oder die richtige Position des Schreibtisches in seinem Arbeitszimmer: Er hat nämlich überhaupt gar keine Ahnung, wie man Käse verkauft.

Dass er nicht überall im Land sein kann, ist ihm klar, und so gründet er Agenturen. Über Anzeigen in Zeitungen findet er passende Leute. Da sind Briefe drunter, die ihn weinen lassen, die möchte er lieber nicht anstellen, schließlich soll sein Käse nicht über Mitleid verkauft werden. Er braucht Profis, und er glaubt, die richtigen Leute zu engagieren. Attraktive Verträge werden die Leute schon zum Verkauf motivieren.

Aber die Motivation stockt und Laarmans, der offizielle Vertreter, muss einsehen, dass es gar nicht so leicht ist, Käse zu verkaufen.

In dem interessanten Nachwort zu dem Buch, spricht der Verfasser Gerd Busse davon, dass es eine Argumentationsschrift gegen die Ich-AGs sei. So habe ich es auch empfunden, und als ich das Nachwort las, war ich regelrecht traurig, dass es jemandem vor mir eingefallen war. Aber es war wohl viel zu offensichtlich. Die Probleme haben sich also nicht geändert: Denn das Buch wurde in den dreißiger Jahren geschrieben, da gab es noch keine SPD, keinen Wolfgang Clement, der die Idee einer Ich-AG gehabt haben könnte. Aber es ist schon auf den Punkt gebracht worden, das damals wie heute die Neigung besteht, nach Alternativen zu schauen. Laarmans hat das Gefühl, dass er als Schreiber in einer Werft auf der untersten Stufe steht und es gar nicht schlecht wäre, wenn man sich vielleicht als erfolgreicher Geschäftsmann profilieren könnte. Als Geschäftsmann kann man schöne Reisen machen und die schnellsten Autos fahren. Das die Realität ganz anders aussieht, das einem nichts zufliegt, das es (oft) mit sehr harter Arbeit verbunden ist, sieht man erst, nachdem man in den Topf mit kochendem Wasser hineingesprungen ist. Da lassen sich durchaus Parallelen zur heutigen Zeit ziehen, sowohl was die Motivation wie auch den Topf mit dem kochendem Wasser angeht.

Elsschot hat ein Buch mit einem ersten Hintergrund geschrieben, welches aber trotzdem sehr amüsant ist. Das Lachem bleibt einem hin und wieder im Halse stecken, aber manchmal kommt es danach wieder heraus. Der Autor hat eine gute Warnung geschrieben, sich überstürzt in die Selbständigkeit zu stürzen. Vielleicht, und den Verlag würde es freuen, eine Pflichtlektüre, die von der Arbeitsagentur verteilt werden sollte?!