Nun, »An« schreibt sich wohl »Anh« – dies zu erwähnen ist lästige aber notwendige Chronistenpflicht und entspricht der Beobachtung, dass wenn der Name in der Flugzeug-Hochglanzzeitschrift im Impressum erwähnt wurde (so an die fünf Mal) immer in der Form »Anh« erfolgte.

Ausschlafen war auch gestern nicht angesagt, schließlich wollten wir ja die Zitadelle von Hue besichtigen und nur der frühe Vogel kann bekanntlich den Wurm fangen … oder so. Auch wenn es milde Proteste am Abend zuvor gab, die in der Form »Das ist doch kein Urlaub!« geäußert wurden, erwies sich das Wurm-Gesetz mal wieder als richtig. In der Zitadelle von Hue waren wir nicht nur eine der wenigen Touristengruppen, die unterwegs waren, wir bekamen auch noch einen Aufmarsch einer kaiserlichen Truppe zu Gesicht mit der dazu passenden Musik. Wir spazierten durch die schöne Anlage, die in ein paar Jahren sicher einzigartig ist (am Bauen und Restaurieren sind sie an allen Stellen, was niemanden abhalten soll, sich das jetzt schon anzuschauen). Als wir dann am Ausgangspunkt wieder waren, war es schon rappelvoll. Womit auch immer ein wenig vom Charme verloren geht.

Für uns ging es von der Zitadelle zum Markt von Hue, dem aber nur eine Stippvisite abgehalten wurde, da es zum einen anfing zu regnen und zum anderen bei Teilen der Reisegruppe eine gewisse Markt-Müdigkeit zu verzeichnen war. Das brachte uns dann dazu, in Richtung der Kaiser-Gräber aufzubrechen. Der Regen legte sich unterwegs ein wenig, aber nicht so, dass wir nach dem Besuch von zweien dieser Gräber pitschenass gewesen wären – trotz Regenkleidung. Das Fatale: Es kam Wasser von unten, aber die Temperaturen waren warm.

Die Damen, die vor den Grabstätten allerhand Krams loswerden wollen, fragen, wenn unter Umständen, ob man Münzen aus dem Heimatland hätte. In grenzenloser Naivität dachte ich, dass die Münzen vielleicht gesammelt werden, so wie wir damals die ersten Euros aus den verschiedenen Ländern gesammelt haben. Aber nein, sie werden gesammelt, bis sie sich zu Papiergeld tauschen lassen und werden dann gegen Handfestes eingetauscht. Ich muss lernen, nicht zu arglos zu denken. Wo wir schon bei Münzen sind: Der Herr Rischka-Fahrer, ich komme auf das Erlebnis später noch zurück, bekam von mir zwei Euro in die Hand gedrückt. Er schaute das Stück abschätzig an und meinte, er wolle einen Dollar. Was soll ich sagen – dem war wirklich nicht zu helfen. Oder wie es Tuan, unser neuer Reiseführer ausdrückte: »Wenn man etwas bekommt, einfach noch mal das Doppelte verlangen. Vielleicht klappt es.«

Da ich immer noch recht fußlahm, dank der Ganzkörpermassage vom Heiligabend war, war es mir recht, dass der Tag gestern gar nicht so lang ging. Ich nutzte die Zeit für ein Nickerchen, wie andere aus der Gruppe auch (es soll ja schließlich doch ein wenig Urlaub sein), testete die Badewanne (ja, auch mal wieder schön – aber ohne Buch machte es nur halb so viel Spaß) und dann ging es auch schon zum Essen. Hua hatte uns ein Restaurant namens »Tempo« oder »5 Tempo« empfohlen. Der Taxifahrer hielt vor dem »Temple«. Das war es wohl nicht. Er fuhr noch ein wenig weiter, testete die nächste Querstraße, aber auch dort war ein solches Restaurant nicht zu finden. Wir fragten in einem Hotel nach und die zeichneten uns das Restaurant auf einer Karte ein. Als wir die Adresse erreichten, war es wieder das »Temple«. Wir waren nicht recht überzeugt und gingen deshalb in das danebenliegende »Confetti restaurant & art gallery«, von dem wir schon mal gehört hatten. Es war nicht voll und die Tische, die besetzt waren, lehrten sich recht fix. Aber das Essen, was wir bekamen, war sehr schmackhaft, die Atmosphäre angenehm (wenn man ein paar der Musikstücke, die aus Geige und Klavier bestanden, sich mal wegdachte) und das Personal umsorgte uns als Gäste wie nichts. (Das ist ein wenig ungerecht, denn in den meisten Restaurants ist der Service wirklich hervorragend.)

Hua hatte die Namen von uns auswendig gelernt und sprach uns mit ihnen an, was ja – wie ich schon erwähnte – ein wenig peinlich war, da wir ihren Namen uns anfangs nicht merken konnten. Schließlich war sie nur die »Blume«. Aber den »Papa«, wie Luan den Herrn Papa nannte, nannte sie immer nur »Happy Buddha«. Dieser hatte heute wirklich Glück gehabt, dass er den Tag überlebt hat. So verabschiedete sie sich heute von uns am Flughafen von Hue und wir flogen mit Vietnam Airlines in Richtung Hanoi, obwohl die Maschine einer kambodschanischen Fluggesellschaft gehörte.

In Hanoi waren unsere Koffer die ersten und so konnte uns Tuan direkt in Emfpang nehmen. Das Hotel in Hanoi ist wirklich schön, wir haben entweder große Zimmer oder riesige Betten, und heißt »Moonview«. Es ist gar nicht so weit von der Altstadt. Wir stellten das Gepäck ab und dann ging es auf Tour durch Hanoi. Zuerst besichtigten wir den Literatur-Tempel. Nach einer kleinen Mahlzeit ging es dann zur Ho-Chi-Minh-Gedenkstätte. (Ich möchte den Vietnamesen ja nicht zu Nahe treten: Aber zeugt es wirklich von Respekt, dass wenn sich jemand wünscht, verbrannt zu werden und über seinem Heimatland verstreut zu werden, man diesen nach dem Tod einbalsamiert und für die Ewigkeit ausstellt? Insbesondere, wenn es jemand gewesen, der sein Lebtag für das Heimatland gearbeitet, gelebt und sich Verdienste erworben hat? Der Herr Papa würde sagen, die Frage ist ketzerisch. Aber das Land ist sowieso in mancher Hinsicht komisch. Die kommunistische Partei von Vietnam an den Kommunismus ein wenig aus den Augen verloren. Die real existierende Marktwirtschaft ist so erfolgreich, dass es nur eine Arbeitslosenquote von 2% gibt, aber was sind Zahlen? Faktisch ist es so, dass es keine Schulpflicht git und man für den Schulbesuch seiner Kinder bezahlen muss. Vom Kindergarten bis zum Studium. Das können sich viele nicht leisten, weshalb gerade auf dem Land die Kinder früh von der Schule genommen werden und arbeiten müssen. So wundert es nicht, dass der Analphabetismus ein Problem ist. Einer der Reiseführer erwähnte, dass viele den Führerschein kaufen. Das ist teuer, aber was soll man tun, wenn man keine Chance hat, die Prüfungen zu bestehen, da man die Fragen nicht lesen und damit auch nicht verstehen kann?)

Auf dem Weg zum Bus hielt eine Jugendliche auf einem Fahrrad vor uns, lächelte uns an und sagte: »Hello!« Soweit nichts Neues. Dann gab sie mir die Hand, Frau Mama die Hand, Herrn Papa die Hand und Susann die Hand. Und freute sich wie nichts. Das Gesicht von Tuan kann man nur verdutzt nennen, wir waren es auch. Wir wünschten ihr einen guten Tag und fuhren zu unserer Wasserpuppen-Vorstellung.

Das war entgegen meiner Erwartungen wirklich schön gewesen. Womit allerdings nur die Show ansich gemeint ist. Die Show dauerte etwas 45 Minuten und das ist für einen normal großen mitteleuropäischen Mann auch genug, denn spätestens nach zwanzig Minuten fangen die unteren Extremitäten sich an zu melden. Sie bringen Nachrichten wie »Ist das eng hier!« und »Strecken wäre jetzt mal schön« – aber gerade dafür gibt es überhaupt gar keine Chance. Man muss sich wirklich anstrengen, der Show mit den Puppen zu folgen und die Musik, die wiewohl asiatisch überhaupt nicht nervig in meinen Ohren klang, zu genießen.

Dann ging es in die Rikscha und der Fahrer fuhr uns von dem Theater zurück ins Hotel. Am Anfang ist man ein wenig unruhig, wenn man sieht, wie die anderen Fahrräder, Mopeds und Autos um einen herum flitzen. Aber man wird recht schnell ruhig, wenn man merkt, dass die Fahrer den Überblick behalten und die anderen Verkehrsteilnehmer auch nicht darauf aus sind, Touristen zu killen. Der Verkehr in Saigon ist schon heftig und »mächtig gewaltig«, wie Benny immer zu sagen pflegte; aber in Hanoi ist er noch einen Tick schärfer. Das liegt vor allem daran, da in Hanoi die Straßen viel schmäler sind, fast gassenartig sind. Abgesehen davon, scheinen Verkehrsregeln noch viel wenig zu gelten. (Beispiel: Wir sind mit dem Taxifahrer vom Restaurant zum Hotel gefahren. Es gab nicht viele Ampeln, aber von denen, die es gab, hat er drei bei Rot überfahren. Ich weiß auch nicht, ob er selbst gehupt hat. Das Auto hat, aber es kann sein, dass er sich eine Automatik eingebaut hat, die nach einem Zufallsgenerator einfach hupt, aber mindestens 60 Mal in der Minute. Das Problem an solchen Beschreibungen ist, dass man es nicht glaubt, wenn man es nicht selbst gesehen hat.) Wir waren schon fast am Hotel gewesen. Die Ampel zeigte grün und über der Ampel war eine dieser Zeit-Anzeigen, wie lange es noch grün ist. 99 stand auf der Unsrigen und sie zählte nicht runter. Ich, ggf. bitte noch mal den Abschnitt »Naivität« nachlesen, dachte: Das ist ja ein Ding, eine Kreuzug die länger als 100 Sekunden grün hat, die scheint ja nicht sehr belebt zu sein. Der Gedanke, dass die Anzeige defekt sein konnte, der kam mir erst, als wir mitten auf der Kreuzung waren und der Querverkehr – ja, wie wohl? – laut hupend losfuhr. Mein Fahrer hatte uns schon fast komplett herüber gebracht, Susann fast neben mir, war auch in Sicherheit. Laut hupend blieb allerdings wenige Zentimeter vor der Rikscha des Herrn Papa ein Bus stehen. Weder der Herr Papa noch der Busfahrer waren sehr amüsiert. Dem Rikscha-Fahrer ging es wohl auch nicht so gut. Happy Buddha, im wahrsten Sinne des Wortes, hat diese Sekunden nicht auf Video gebannt, aber das Schwesterchen hat die ganze Fahrt auf Video aufgenommen und somit sind die interessanten Sekunden auf Film gebannt worden.

Im Hotel wurden wir von einem Mitarbeiter der Reiseagentur erwartet und durften erst einmal bezahlen. Um es ganz kurz zu machen: Essen gab es im »Essence Café« und ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass es eine gute Adresse ist, um sein Abendbrot in dieser Stadt einzunehmen.

Nun gibt es eine kleine oder längere Pause. Morgen geht es in Richtung Halong Bay und dort auf ein Boot. Das Notebook bleibt deshalb im Hotel in Hanoi und wir kehren erst in drei Tagen wieder zurück.