Was die Überraschungstouren angeht, ist Susann eine ganz Geduldige. Die Quengelei geht eigentlich erst einen Tag vorher los: Was soll ich denn anziehen? Brauche ich Badezeug? Fahren wir mit dem Zug? Zu den Regeln gehört, dass dies alles nicht verraten wird. Ein typischer Dialog hört sich dann auch so an: »Soll ich eine Handtasche mitnehmen?« »Nein, musst Du nicht.« »Aha!« »Aber Du kannst…« Zugegeben, diese Antworten sind nicht sehr hilfreich, aber rausbekommen tut sie nichts. Schließlich ist diese Tour ihre Weihnachtsüberraschung, und die ist schon vor Heiligabend fällig, sowieso schon zu früh.

Die Fahrt ging heute heute um viertel vor zwölf Uhr los. Bei Sonnenschein stiegen wir ins Auto (»Fahren wir weit?«), dann ging es nach Kiel, wo der Wagen in der Tiefgarage der Firma abgestellt wurde (nun ja, ich hatte gesagt, dass wir uns ein Mittagssnack an einem Bahnhof holen könnten), und nachdem wir uns mit Geld versorgt hatten, verließen wir den Bahnhof wieder und tippelten mit dem bisschen Gepäck was wir hatten (ich kleine Tasche, Susann große Tasche) in Richtung Fähr-Terminal. Spätestens da, war die Überraschung gelüftet, denn auf dem Weg zum Fährterminal – in diesem Fall zum Terminal der Color Line nach Oslo – wäre es teuflisch gewesen, noch eine weitere Abzweigung einzuschlagen.

Wir checkten für die »Color Fantasy« ein und warteten dann ungefähr eine halbe Stunde, bis das Boarding begann. Das Prozedere erinnerte schon ein wenig an den Flughafen. Nur dass bei der Fähre die Passagiere, die mit dem Schiff schon in Kiel angekommen waren, vorher aufs Schiff durften. Da es sich dabei durchweg um Norweger handelte, die nur vier Stunden Zeit in Kiel hatten, konnte man davon ausgehen, dass diese die Zeit in Kiel nicht mit einer Stadtrundfahrt verschwendet hatten und man konnte sie nicht nur an ihrer Sprache erkennen, sondern auch am Geklirre ihres Gepäcks. Das was an ihrem Limit für den zollfreien Einkaufs fehlte, holen sie sich übrigens auf dem Schiff. Vielleicht besorgen sie sich in Kiel auch nur das, was sie auf dem Schiff verzehren wollen, denn das was auf dem Schiff gekauft werden kann, darf nicht auf dem Schiff verbraucht werden. Ob sich jemand dran hält?

Deutsche checkten kaum ein, zumindest sahen wir kaum welche bei den Leuten die »zu Fuß« unterwegs waren wie wir. Vielleicht kamen ein paar mehr mit dem Auto, aber auf dem Schiff traten sie kaum in Erscheinung.

Man betritt das Schiff über eine große Gangway, Susann würde sagen, riesig und betritt dann das Schiff im siebten Stock. Die Fahrstühle sind auf dem Ticket schon vermerkt und so begibt man sich in diese Richtung. Dann war ich, der das erste Mal mit einer Fähre in dieser Größe fuhr (die früheren waren nur Baby-Krams), schon überrascht. Der Eingangsbereich hatte das Erscheinungsbild einer Einkaufsmall einer kleineren Großstadt. Wenn Neumünster so etwas hätte, wäre es wahrscheinlich glücklich. Es ist das typische Bild: ein Geschäft, eine Fressbude/Restaurant.

Das Zimmer – oder besser – die Kajüte ist nicht so groß. Man könnte meinen, das sich die Pariser Hotelbetreiber die Größe ihrer Zimmer von den Fährschiffen abgeguckt haben. Die Qualität der Betten haben sie dabei aber nicht im Auge gehabt (wenn man mal von den Pariser Hotelketten absieht, bei denen man sich nicht beklagen kann). Das Hygiene-Abteil ist dafür schon riesig und gerade zu monströse Ausmaße hat das Bullauge. Wir gucken vom Bett direkt auf das Meer. Das hat wirklich schon was … nun jetzt, im Dunkel, nicht mehr so. Aber gerade fuhren wir unter einer Brücke hin durch, sahen die Autos und beleuchteten Brückenpfeiler und irgendjemand hat auch Weihnachtsbeleuchtung angebracht.

Für den Abend sind wir auch ein Weihnachts-Buffet gebucht und können uns skandinavischen Spezialitäten widmen – vermutlich Lachs satt. Den hatten wir heute Nachmittag schon mal gehabt und haben dabei auch gleich den Umrechnungskurs Euro zu norwegischen Kronen kennengelernt. Bei dem was wir hatten, wussten wir, dass er nicht ganz so günstig für uns ist. Vielleicht auch eine Folge der Euro-Krise.

Wir sind noch nicht lange auf dem Schiff gewesen, aber man erkennt gewisse Leute immer wieder. Ob das auf Gegenseitigkeit beruht, weiß ich nicht, vermute mal aber nicht, denn die meisten Norweger sieht man entweder mit Dosen durch die Gegend schlendern oder sie sitzen in einem der Pubs und trinken Bier zu (vermutlich) horrenden Preisen.