Als wir vorgestern in Richtung Palm Springs fuhren, da gab es diesen Augenblick, dieses Aufhorchen, die soldatisch synchronisierten Blicke in eine Richtung – wie auf ein Kommando und was war es, was ich sagte: »Ah, schaut mal – ein Outlet-Store.« Die weltbeste Ehefrau der Welt wurde sofort ganz wuschig und plante das Programm für die nächsten Tage um. In unserem Hotel angekommen und mit den Öffnungszeichen des Outlet Stores konfrontiert, wurde aber schnell klar, dass es an dem Dienstag damit nichts mehr werden würde. Und der Donnerstag, der uns die Wüste, die Kakteen und die Schlangen bringen sollte, der sollte nicht geopfert blieben. Blieb der Donnerstag.

Es war ganz klar, dass bevor man sich in das Getümmel – viel sollte es ja nicht werden, wurde gemeinschaftlich versichert, wobei der Herr Papa keine Mine mehr verzog – musste man sich ordentlich stärken. Das Frühstücksrestaurant vom Vortag war urig gewesen, aber mehr auch nicht, dagegen war das Etablissement von Ruby‘s (so schrieb es sich wohl) wie eine Zeitreise in die vierziger und fünfziger. Es war alles frisch und schick, aber halt in dem Stil, wie man ihn aus Filmen kennt und da war es dann natürlich auch recht, wenn ein übertrieben freundlicher, etwas feister Kerl an unseren Tisch hüpfte und unsere Bestellung aufnahm.

Die Damen der Gesellschaft verweigerten sich schon seit Tagen den amerikanischen Frühstücksgewohnheiten und wollten nur noch Bagel mit Frischkäse essen, dazu einen Früchtebecher und wenn sie ganz ausgelassen waren, nahmen sie noch ein Rührei dazu. (Ich hatte am Vortag übrigens ein Omelett gehabt und bekam die Low-Cholesterin-Variante serviert, in der das Eigelb vom Eiweiß getrennt wurde und das Omelett bestand nun denn nur noch auch aus Eiweiß – was ist denn das für eine Erfindung?) Es wurde Musik aus den vierzigern und fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gespielt, alte Bekannte für uns nach der Rat Pack-Show, merkwürdigerweise auf der Toilette aber noch lauter als im Gastraum.

Nachdem wir wohl gestärkt waren, brachen wir in Richtung Outlet-Store auf, welcher – ohh Wunder – nur fünf Minuten entfernt war. Danach musste das Ganze generalstabsmäßig angegangen. Erst der eine Flügel im Uhrzeigersinn, dann der andere. Fakt ist: Wir schafften nur den einen komplett und waren in diesem nicht in jedem Geschäft. Ein paar T-Shirts, auch für den Herrn Papa, ein paar Schuhe für die Frau Schwiegermama und andere Kleinigkeiten wanderten in die Täschchen und wurden dann im Auto deponiert. Die große Herausforderung für den schon leidenden Herrn Papa stand ja noch bevor: Im anderen Flügel gab es den Levi-Shop.

Die Damen waren schon ganz, ganz, ganz lange weg, da begab ich mich auch mal in den Laden. Nur um zu schauen, ob sie nicht von einem umfallenden Jeans-Regal erschlagen worden wären und irgendwie Hilfe bräuchten. Ich fand nur die Frau Schwiegermama, die vor einer Jeans stand und es kam schon eine Bedienung, die erst englisch mit uns sprach und dann, als ich es für die Frau Schwiegermama übersetzte, was gefragt wurde, unvermittelt in das Deutsche umschwenkte. Was für eine Erleichterung, der Traum eines jeden Schwiegersohns, der mit seiner Schwiegermutter in einem USA-Jeansladen ist. »Ihnen ist aber klar, dass dies hier nicht die Damen-Jeans sind, nicht wahr?« Nein, das war weder meiner Schwiegermutter klar, noch hätte ich das jemals erraten. Ziemlich schnurstracks ging es in Richtung andere Seite und dort holte unsere deutschkundige Verkäuferin auch gleich die Hose in der richtigen Größe heraus (gut, richtige Größe ist natürlich Interpretationssache: Ganz passte sie nicht, aber die Größe kleiner sah dann richtig albern aus, was die Verkäuferin zu einem »Sag ich doch!« bewegte). Mit der Verkäuferin im Schlepptau wurde aber nicht nur die Frau Schwiegermutter zufrieden gestellt, sondern auch die Frau Mama und die beste Ehefrau von Welt. Alle waren rundum glücklich und zu allem Überfluss, schaffte sie es auch noch, mein Problem zu lösen: Ich hatte nämlich in dem Levi-Outlet Store in der Nähe von San Francisco eine Jeans gekauft und erst im Hotel bemerkt, dass ja das Sicherheits-Teil noch dran geblieben war. Wie bekommt man so etwas denn ab? Die Auskünfte im Internet sind da wenig hilfreich, denn wer solch eine Frage stellte, wurde umgehend des Diebstahls, der Plünderung, der Zerstörung des Abendlandes bezichtigt und dass ein Alarm wirklich mal versagen kann, das wird überhaupt nicht in Erwägung gezogen. Man hat schon ein schlechte Gewissen, wenn man das liest. Die Dame gab mir aber – unter der Hand – die passenden Tipps und meinte abschließend, wenn das nicht klappt, könne ich sie aber auch kurz vorbei bringen, dann würde sie den Diebstahlschutz entfernen. Aus der eigentlich für den Abflug gepackten Tasche kramte ich die zuunterst geparkte Hose aus und trabte damit zum Geschäft, um das Teil entfernen zu lassen.

Kollektives Durchatmen von allen in der Gruppe, als wir das Levi-Geschäft verlassen hatten und fast jeder eine Tüte trug. Der Herr Papa brauchte ein wenig länger und ein gefrorenes Früchte-Getränk, bevor seine Züge wieder ins Gleis kamen.

Die Fahrt nach Los Angeles wurde zu einer Fahrt in den Berufsverkehr hinein. Dabei lernte ich dann auch, dass es nicht nur Spuren für gut besetzte Fahrzeuge gibt, sondern dass man sich gegen einen gewissen Obolus auch auf einer reservierten Fahrspur bewegen darf. Abgesehen davon, dass dies jetzt nicht ganz so arg war (überhaupt hatten wir, was den Verkehr anging, die ganze Zeit Glück – einmal hatten wir zähflüssigen Verkehr, ansonsten konnten wir Staus immer nur auf der Gegenseite beobachten und da waren sie dann, wie es sich für Amerika gehört, natürlich gigantisch. Wie auch nicht, wenn man auf vierzehnspurigen Autobahnen fährt?), fragte ich mich, wie das wohl ist, wenn man für solche Spur bezahlt hat und dann trotzdem auf der Heimfahrt im Stau steht.

Nach dem Einchecken in Hotel und dem Beseitigen der Etiketten an den Klamotten, einer kleinen Modeschau und dem obligatorischen Frischmachen fuhren wir ans Meer. Wir wollten uns doch vom Pacific verabschieden. Der war in New Port Beach ganz schön aufgeregt, uns wieder zu sehen und die Wellen gingen ganz gehörig. Irgendwie kam ich auf den Gedanken, dass man den Sonnenuntergang wohl anderswo besser sehen kann. Nicht eingeplant war dabei, dass die Sonne ja nicht „wirklich“ im Pacific untergeht. Aber man sieht sie ein wenig im Meer vor der Skyline von einem Teil Los Angeles untergehen. Das Problem war nur, dieses Eckchen zu finden. Seal Beach schien uns ein ganz guter Anlaufpunkt. Aber Los Angeles gab sich wieder mal sehr dunstig oder, genauer gesagt, versmogt.

Dann gab es das letzte, absolut leckere Steak.