Ich bin ziemlich überrascht. Es ist ja nicht mein erster Aufenhalt in Frankreich, und es ist auch nicht mein erster dienstlicher Auftritt in Frankreich, aber so war es noch nie. Früher war es so, dass ich kam, von irgendwelchen Chefs in Empfang genommen wurde, arbeitete, zum Essen geführt wurde (was die Chefs bezahlten) und dann wieder abgeschoben wurde nach Deutschland.

Hier ist es jetzt ein wenig anders. Die Chefs den Kunden interessieren sich für mich überhaupt nicht. Ich weiß noch nicht einmal, ob sie wissen, dass ich überhaupt da bin. Aber egal. Ich arbeite mit Kollegen einer französischen Schwesterfirma zusammen und das sind alles waschechte Franzosen. Und sie sind so, wie man es sich vorstellt.

Eine leichtsinnige Frage an einen Bordelaiser Jungen: “Hast Du schon mal Wein aus anderen Ländern getrunken.”
Kurzes Überlegen. “Ja, das ist vorgekommen.” Weiteres Überlegen. “Es war Wein aus der Nähe von Lyon.”

Die Diskussion um den Wein ist das Hauptereignis des Abends. Da wird wirklich diskutiert und gestritten. Die Zeit, bis die Vorspeise kommt – es gibt immer eine Vorspeise – wird so schon einmal locker überbrückt. Und man kann sich dann auch noch prächtig wird der Wirtin, darüber zanken, ob des Wein von der Loire wirklich ähnliche Qualitäten aufzuweisen hätte, wie Wein aus Bordeaux. Das Schöne ist, das diese Diskussionen genauso ernst geführt werden, wie sie mit einem Augenzwinkern genommen werden. Natürlich trinkt der Bordelaiser auch Wein aus der Gegend um Tours. Natürlich unter lautem Protest, aber es ist ja wenigstens noch französischer Wein.

Die Abende laufen fast immer gleich ab. Man geht nicht direkt ins Restaurant, man will ja nicht auffallen. So kehrt man zuerst in einem Bistro ein und trinkt mal ein Bier. Danach bin ich in der Regel schon bedient, auf Grund der herrschenden Umstände, dass der Kunde nicht der Meinung ist, dem Gast ein wenig Wasser oder andere Getränke zu bieten, was in Deutschland kaum denkbar wäre und in Frankreich wohl ähnlich gesehen wird, hat man nach Feierabend ordentlich Durst und der Bier-Schock trifft ein gleich doppelt.

Man tut sich auch keinen Zwang an und bestellt erst einen Weißwein für die Vorspeise und einen Rotwein für den Hauptgang. Über das Essen wird nicht so viel diskutiert, sie geben sich aber alle Mühe, zu erklären, was was ist und ob man es essen sollte oder nicht. Die Meinungen gehen nur leicht auseinander, und wenn liegt es daran, dass die Kollegen aus unterschiedlichen Regionen Frankreichs stammen. Es stimmt übrigens nicht, dass jeder Franzose schon einmal Froschschenkel gegessen hat. Auch die berühmten Schnecken sind nicht jedermanns Sache. Damit war ich schon mal ziemlich beruhigt.

Man kann es sicher nicht verallgemeinern, aber den Bezahlvorgang fand ich hier immer sehr erstaunlich. Das mag wirklich an dieser Gruppe liegen. Ich habe heute ein Menü für 22 Euro genossen, Wein getrunken und ein Bier gehabt, das Ganze für 27 Euro. Wie gesagt: einschließlich des Weins. Das ist eigentlich nicht zu viel. Wie kommt das? Die Rechnung geht in der Gruppe immer durch die Anzahl der Anwesenden und da habe ich heute wahrscheinlich einen ganz guten Schnitt gemacht, an anderen Tagen war es gewiss anders – aber ich bin mal ganz ehrlich: Unter deutschen Kollegen habe ich so etwas noch nicht erlebt, mir scheint es noch nicht einmal im Bekanntenkreis selbstverständlich zu sein. Ich fand es angenehm.

Als wir zu dritt waren, haben wir uns auf englisch unterhalten. Jetzt waren wir zu fünft, da war es schon ein wenig schwieriger und es war immer einer, der sich mit dem Gast – sprich mir – beschäftigt hat. Es war durch die Bank angenehm, und die Leute sind nett zu einem. Das mag natürlich auch ein wenig an mir liegen, ohne mich selbst loben zu wollen, aber mit dem Bordelaiser zu sprechen: “Oliver hat seine Hochzeitsreise in der Nähe von Bordeaux verbracht. Er ist ein guter Bursche!”