Der Junge packte seine sieben Sachen, schulterte alles, winkte ein letztes Mal seiner Oma und seiner Tante zu. Auf dem Fahrrad machte er sich auf den Weg zu seinem auserkorenen Opfer, einem Einfamilienhaus in bester Lage mit abwesenden Bewohnern. Alles war gut ausgekundschaftet und so sollte der Coup keine Probleme bereiten. Er hatte seinen Opfern sogar etwas mitgebracht: eine Rose. Der Einbrecher war der Meinung, dass man, wenn man etwas nimmt, auch es geben sollte. Dieses Szenario kam mir bekannt vor.

Denn der Rosen-Junge ist das Opfer, welches uns Elizabeth George in ihrem neuen Roman »Wo kein Zeuge ist« präsentiert. Bekannt kam es mir deshalb vor, weil ich einen ähnlichen Charakter schon mal bei Ed McBain vorgefunden hatte. Der war ungleich erfolgreicher und hinterließ keine Rosen am Tatort, er ließ schmackhafte selbstgebackene Kekse zurück. Ich kann mir nicht vorstellen, dass für mich das eine oder andere irgendein Trost darstellen könnte.

In der Krimi-Bibliothek vom Stern war der oben genannte Titel erschienen. Bücher von Ed McBain kann man bekommen, die allermeisten nur noch antiquarisch. Neulich erst musste ich vorstellen, dass der Autor, der mir immer durch sein 87. Polizeirevier aufgefallen war, auch ganz andere Romane geschrieben hat – zum Beispiel solche, die im sonnigen und heißen Florida spielen. Dazu zu seinem späteren Zeitpunkt mehr, wenn ich das Buch ausgelesen habe.

Eine Nonne wird tot aufgefunden und es ist schon mal eine verdammt gute Frage, wer eine Nonne denn eigentlich umbringt. Mary Vincent, so heißt die verstorbene Schwester, gibt den Polizisten einige Rätsel auf. Die Frau, die ihr Tagwerk in einem Krankenhaus verrichtet, wo sie damit beschäftigt war, Bedürftige zu pflegen und denen Trost spendet, die ihn benötigen, diese Frau war vor nicht allzulanger Zeit mit Brustimplantaten ausgestattet worden.

So verblüfft wie die, die es herausgefunden hatten, waren auch die, die von diesem Sachverhalt hörten. Keiner konnte sich erklären, warum man diese Frau umgebrachte. Nachdem die Polizisten in bewährter Weise erst einmal die nähere Umgebung von Mary Vincent durchflügt hatten und dabei natürlich auch einiges an Flurschaden anrichteten, geht ihnen auf, dass sie vielleicht eher eine Chance hatten, wenn sie in der Vergangenheit der Frau suchten. Aber was sollte eine Nonne für eine Vergangenheit haben? Eine bewegte, aufregende und geheimnisvolle Vergangenheit tut sich dort auf, auch wenn nicht ganz so stürmisch, wie es in dem Umschlagtext des Buches steht.

Und dann war da noch der Keksboy. Der erfolgreiche Einbrecher stößt eines Tages auf ein Problem. Er überrascht ein Paar beim heißen, wilden Sex. Nur: Sie war verheiratet und er war es nicht. Sie war nicht mehr ganz so jung, er aber noch in einem Alter, wo er der Meinung war, etwas beweisen zu müssen. So ging der Liebhaber nicht auf die Deeskalation-Versuche des keksbackenden Einbrechers ein und wird erschossen…

Action darf man in den Büchern über das 87. Polizeirevier nicht erwarten. Es ist spannend, keine Frage, aber die Spannung resultiert aus dem Alltag der Polizisten, der sehr glaubwürdig dargestellt wird. Es gibt viele Niederlagen, ganz viele falsche Spuren und Menschen als Ermittler. Wer Ed McBain noch nicht kennt, der hat mit diesem Band 5 aus der Stern-Bibliothek eine ganz gute Chance.