Kann ein fast komplett deutschsprachiger Platz noch getopt werden? Bis gestern hätte ich gedacht, nein, das geht nicht. Aber nun bin ich klüger: Das geht! Ein fast komplett deutschsprachiger Platz, auf denen ein zentraler Platz des Strandes durch Stühle blockiert wird, die im Besitz von Deutschen (mindestens zeitweise) sind, die dann ein Lagerfeuer machen und »Hoch auf dem gelben Wagen« zu Gitarrenklängen singen. Da haben wir nun einen ersten Platz in der Reihe am See – wohl einer der letzten und teuersten Plätze – und dann das. Da die Gruppe aber nicht so textsicher ist, ist es nicht übermäßig laut.

Heute sind wir zeitig aufgestanden und über den Tag gibt es kaum etwas zu berichten. Um acht Uhr sind wir fast fertig gewesen – Wasser war aufgefüllt (und ich einmal eingesaut, da der Wassertank zurückgespuckt hat), die Abwässer waren beseitigt und wir waren komplett aufgefrischt. Dann ging es zum Tanken und ab in Richtung Süden. Alles Routine, sogar das Abschalten des Propans wird nicht mehr vergessen.

Um der Reise ein wenig Würze zu geben, haben wir die Route noch ein wenig geändert. Die Fahrt auf dem TCH war ja nicht so prickelnd. So nahmen wir die Empfehlung war, über die #23 und die #6 in Richtung Vernon zu fahren. Der Reiseführer verschwieg nicht, dass die Fahrt länger dauern würde (er sprach genau genommen, von einer Tagesfahrt) und er behielt recht. Wir waren den ganzen Tag unterwegs. Dafür war es aber auch eine wunderbare Tür: Es ging 50 Kilometer bis zur zur Galena Bay. Damit waren wir an einem riesigen Staudamm, der sich auf fast 300 Kilometer Länge erstreckt, weshalb wir umsonst mit der Fähre nach Shelter Bay fahren konnten. Das waren mit der Fähre ungefähr 20 Minuten Fahrt und man einen schönen Blick auf die Berge. Nun, einen fast schönen, denn über den Bergen hing noch der Morgendunst und der wollte partout nicht beiseite rücken.

Die Fahrt von der Shelter Bay nach Nakusp war o.k. aber richtig schön wurde die Strecke erst wieder hinter der Stadt. Die Küstenstraße lässt das Reservoir oft sehen und man hat dann Blick auf das azurfarbene Wasser und die Bergkette dahinter. Einmal hielten wir an einer Brücke am Caribou Creek (kurz hinter Bolton), wo ein kleiner Bach in den See mündete und konnten beobachten, wie die Möwen es sich an den kleinen Fischen, teilweise schon tot, gütlich taten, die versuchten, den Bach hochzuwandern. Das hatte fast ein wenig Meer-Feeling.

(Nun, da sich der Runde immer mehr deutsche Herrschaften anschließen, und das Repertoire mich nicht wirklich glücklich macht, habe ich auf gänzlich unsoziale Art und Weise meine geräuschunterdrückenden Kopfhörer aufgesetzt und höre »I Wanna Go to Marz« von John Grant und der kann wirklich singen. Sollte es andere junge – und ich finde das Wort im Zusammenhang mit meinem Alter schon mehr als schmeichelhaft – Camper geben, dann verweigern sie sich ebenso.)

Von diesem Ort, wo man auch ein wenig herumklettern konnte, waren es etwa 15 Kilometer zur nächsten Fähre. Die sollte uns innerhalb von fünf Minuten zur anderen Seite bringen.

Wir sahen aus der Ferne, die Fähre von Fauquier ablegen. Als wir ankamen, war die Fähre gerade an der anderen Seite angekommen und sollte noch ein wenig mit dem Beladen beschäftigt sein. Anvisiert war eine Abfahrt alle dreißig Minuten. Die Damen hatten keine Lust, sich auf einen Hot Dog einzulassen, aber da wir früh gefrühstückt hatten und ich nicht ganz so üppig wie sonst, dachte ich mir, warum eigentlich nicht? Ich will nicht hoffen, dass ich der einzige Hot Dog-Kunde an diesem Tag gewesen bin, aber an Überarbeitung litt die gute Dame gerade nicht. Der Hot Dog wurde frisch zubereitet, so frisch, dass wir – Susann kam später dazu – schon ein wenig Sorgen machten, ob mein 5-Dollar-Würstchen rechtzeitig fertig werden würde. In der Zwischenzeit bekam ich, später wir, jede Menge Informationen über die Gegend und die Natur, machten netten Small Talk und waren wieder einmal absolut begeistert über die Freundlichkeit der Kanadier. Der Hot Dog war ungelogen der beste Hot Dog dieser Art auf der ganzen Welt! Mit den Originalen aus Kopenhagen hatte er nicht viel zu tun und hätte einen ganz anderen Namen, viel exklusiver, verdient. Susann, die ja gar keinen Hot Dog wollte, war nach einem – heimlichen und unerlaubten Bissen in selben – der Meinung, dass man die Route durchaus noch mal nehmen könnte. Der Hot Dog wäre schon ein guter Grund…

(Durch die Kopfhörer tönt Craig Armstrong mit »Weather Storm« und ich bin mit der Welt im Reinen. Wir sehen das andere Ufer im Dunkeln und die Lichter der Stadt glitzern.)

Auf der gegenüberliegenden Seite, die nach Auskunft der Hot Dog-Verkäuferin windiger sein sollte, tat sich erst einmal nichts. Wir fuhren wieder in die Berge und schlängelten uns gleich dem Fluss an der Straße durch die Höhen und Tiefen. Eine schöne Strecke, die nur ein wenig verlor, da mir als Wohnmobil-Langsam-Fahrer, die Holztransporter immer ordentlich auf die Pelle rückten und keine Scheu kannten, waghalsig zu überholen.

Langsam veränderte sich die Landschaft, die Täler waren weiterhin grün, aber die Hänge sahen »durstiger« aus. Es war ein wenig so wie in Cache Creek, das wir ganz am Anfang unserer Tour heimgesucht hatten. Die Hot Dog-Dame, und hiermit wird sie ein letztes Mal erwähnt, von einer Käserei kurz vor Vernon geschwärmt und als wir diese nun am Rande entdeckten, machten wir einen kurzen Stopp und holten uns ein Stück Gouda. Gleich geteilt … lecker!

Ich fand ja die Ecke hinter Nakusp schon sehr reizvoll – aber hier war es auch schön. Ganz anders schon, als hundert Kilometer zu vor, aber auch schön. Als Musterort sei mal Coldstream genannt, dessen Namen wir uns bis Vernon nicht merken konnten. Dann hatten wir ihn drauf, weil wir immer wieder sagten: »Schön, fast wie in …« oder »Nicht ganz so schön wie bei …« – nach Immobilien-Angeboten haben wir aber noch nicht geschaut.

Hinter Vernon hatten wir einen schönen Blick auf den Kalamalka Lake und eine gut ausgebaute Straße führte uns in eine Stadt. In eine richtige Stadt namens Kelowna. Die wollte gar kein Ende nehmen und nach zwei Wochen waren wir das gar nicht mehr gewöhnt – diese vielen Gebäude, Straßen und Autos.

Hinter der Stadt, der Zeiger der Uhr, wenn er denn welche gehabt hätte, marschierte auf die sechs zu. Wir haben gelernt, zu der Zeit sollte man sich auf einem Zeltplatz eingefunden haben, wenn man nicht fest reserviert hat. So sind wir da gelandet, wo wir gelandet sind. Wären die ganzen anderen Deutschen weg, wären die Zeltplatz-Besitzer sicher unglücklich – ein Unglück, mit dem ich ganz gut Leben könnte. Ansonsten liegt der Platz in optimaler Lage. Bei den sanitären Anlagen sind wir Anderes gewöhnt: keine Seife bei den Waschbecken und Handtücher oder Trockner gibt es auch nicht. Auf das Prozedere beim Duschen morgen früh bin ich schon mal gespannt, denn es gibt zwei Duschkabinen und eine Umkleidekabine. Wie das funktionieren soll, hat sich mir nicht erschlossen. Dabei fällt mir ein, dass ich noch nicht erwähnt habe, dass auf einem der Campgrounds die Seife nach Marzipan gerochen hat, eine Geruchsrichtung, zu der ich als Shampoo ohne Zögern greifen würde – kann man einen Tag glücklicher anfangen als mit Marzipan?