Sollte in Vietnam neben Ihnen jemand mit dem Moped halten und Sie aufgeschlossen fragen, wo sie denn herkommen, ist es vielleicht keine schlechte Idee, das Gespräch sofort zu unterbinden. Es kann sich ansonsten ein wenig in die Länge ziehen, wobei das Gegenüber abtastet, aus welcher Stadt Sie kommen und dann mit den wenigen Brocken, die er über Deutschland kennt, konfrontieren – in der Regel dürften das Fußballvereine sein. Hat derjenige, man kann davon ausgehen, dass es Männer sein werden (zumindest zur Zeit), dann noch ein Täschchen vor sich liegen hat, sollten Sie sofort die Flucht ergreifen. Denn über kurz über lang wird er zu dem Täschchen greifen und ein Buch mit Postkarten hervorholen, die touristische Ziele in der Nähe darstellen und er wird sie Ihnen erläutern. Die erste Attacke dieser Art ging bis zu diesem Augenblick, dann hatte ich auch gerafft, dass es nicht um einen lästigen Small Talk geht und gesagt, ich wäre Teil einer Reisegruppe (zack, damit klappt das Buch schon mal zu!) und ich hätte nur eine Stunde Zeit, mich in dem Quartier hier umzuschauen (höfliche Verabschiedung, Wünsche für ein langes Leben und Wohlergehen).

Der zweite Typ ist in der Regel direkter und fragt umgehend, ob man nicht zum Hotel gefahren werden möchte. Mit dem Moped, versteht sich. Das kann reizvoll sein, aber wenn man die Stadt zu Fuß »erobern« will, ist das in der Regel nicht so hilfreich. Taxifahrer gibt es in den Städten ja auch wie Sand am Meer, die fahren entweder ein Weilchen neben einem oder hupen einen an.

Apropos »anhupen«. Da ging ich heute die Straße hinunter und es war keiner weiter zu sehen. Fährt ein Moped mit einer Frau (Vermutung: zierliche Figur, lange schwarze Haare), hupt mich an und winkt mir zu. Ich drehte mich irritiert um, es war aber niemand weiter auf zwei Beinen in der Nähe und keine Autos vor ihr und hinter ihr. Dem Verkehr konnte es auch nicht gegolten haben und sie fuhr eine Ampel, bei der sich Hupen erübrigt. Ansonsten wird ja gehupt was das Zeug hält, besonders gern vor Kreuzungen. Luan meinte dazu nur überspitzt: Wenn die Hupe kaputt ist, kann man das Moped wegschmeißen.

Schaut man die Leute auf der Straße an und dazu vielleicht noch ein wenig freundlich, dann grüßen sie mit »Hello« oder dem vietnamesischen Gruß für »Guten Tag«, den ich gerade so aussprechen kann. Je weiter man von den touristischen Straßen entfernt ist, desto ausgeprägter ist das. Als ich durch die stilleren Straßen ging, kam ich an einem Haus vorbei, auf dessen Schwelle zur Straße ein Tier saß, bei dem sich nicht sofort erschloss, ob es eine Katze oder ein Hund war. Es waren nur Bruchteile, die ich stehenblieb, schon stand der Hausherr vom Vorhof des Hauses auf und begrüßte mich. Ich grüßte zurück, worauf die aus dem Vorhof, was ich gar nicht gesehen hatte, ein vielschichtes »Hello« ertönte und angefangen wurde zu winken.

Kurz danach ging ich an einem Haus vorbei, deren Besitzer gerade im Stehen aus einem Schüsselchen Reis aß. Wir grüßten uns, und er kam auf die Straße und symbolisierte mich, dass sie essen würden. Ob ich auch wolle, gab er mir zu verstehen. Oha, dachte ich mir, interessieren würde es mich schon; aber »Vorsicht! Vorsicht!« tönte es in meinem Kopf – wer weiß, was sie essen (oh ja, ich bin ja so mäcklig und dann wird mir was angeboten, was ich nicht mag und ich muss es aus Höflichkeit essen) und ich weiß auch nicht, ob sie es auch wirklich wollen oder es nur ein Witz ist. Sollte es mir noch einmal widerfahren, werde ich aber sicher nicht sagen, dass ich nicht hungrig bin.

Gearbeitet wurde heute auch von den meisten Einheimischen. So sah ich einen Trupp von Baufrauen und -männern, die in der Mittagspause waren. Vor mir fuhr eine Frau mit einem Fahrrad und jeder Menge Krams drauf. Sie riefen die Frau und warfen ihr die Dosen zu, die sie aufsammelte und ihre Behälter tat. Mich im Blickfeld begannen sie mich vielstimmig zu begrüßen. Man kann eigentlich ganz froh sein, dass die meisten Leute nicht so gut englisch können, man käme nicht durch die Stadt.

Neugierig sind sie: Eine Frau saß mit ihrem Schüsselchen vor einer Wand, neben sich eine ältere Frau, und begrüßte mich und fragte, wie ich hieße. Warum nicht antworten, ein Identitätsdiebstahl ist auf der Straße in Vietnam nicht zu befürchten. Ich antwortete ihr mit meinem Namen und fragte, wie sie hieße. Gekicher war die Folge. Dann die Antwort. Keine weitere Frage und ich wünschte ihr noch einen schönen Tag.

Es ist nicht unangenehm, ganz im Gegenteil, und sobald man etwas abseits der Touristen»fallen« ist, ändert sich die Stimmung. Man ist nicht nur »Beute« für etwas Geschäftliches – sei es als Transportgut, Massageobjekt oder Essensbehältnis, jeweils natürlich ein bezahlendes. Wie gestern beschrieben sind die meisten Touristen hier in Nha Trang Russen (oder Ukrainier oder aus diesem Bereich) und »verlaufen« sich in diese Straßen nie im Leben. Man ist als Langnase wirklich noch eine Attraktion. (Es gab nur zwei Ausnahmen: Ein Mittfünfziger, der zielstrebig eine der Straßen heruntermarschierte, aber ein wenig den Eindruck machte, als würde er hier vor Ort arbeiten; und eine junge Frau, die einen Kinderwagen mit einem kleinen asiatisch aussehendem Kleinkind vor sich herschob – was auf eine Beziehung zu einem Einheimischen schließen lässt.)