Und Jahre später fragt man sich: Hat man wirklich zusammengehört? Was hat einen zusammengebracht? Hat man irgendetwas falsch gemacht? Hätte man früher drüber reden sollen? Solche Fragen eben. Eine Antwort hat man in der Regel nicht. Vielleicht frisst man es in sich hinein. Es wäre ja irgendwie schön, wenn ich im nach hinein der SPD noch der Schuld für mein Übergewicht geben könnte. Wie ein verschmähter Liebhaber, habe ich keine Hemmungen, noch mal nachzutreten. Aber zumindest das, kann ich (leider) den Sozialdemokraten nicht anlasten.

Es schrillten die Alarmglocken, als ich bemerkte, dass ich bei der Europawahl partout keine Lust hatte, bei der SPD mein Kreuzchen zu machen. Nicht, dass ich damit allein war. Aber als Mitglied der Partei schien mir das ein bisschen merkwürdig. Das war wahrscheinlich der Augenblick, in dem ich beschloss, mein Parteibuch zurückzuschicken. Es war, das hätte ich nie gedacht, gar nicht so schwer und es tat auch gar nicht weh. Zwanzig Jahre Mitgliedschaft hätten in diesem Winter vor der Tür gestanden, man sollte meinen, dass eine Trennung mehr weh tun würde.

Die SPD hat sich nicht mehr gemeldet. So scheint es mir, als dass die Trennung schmerzfrei vonstatten gegangen ist.

Es ist wie mit so vielem: Buchclub, Fitnessclub etc. – man ist nachher nur noch Mitglied aus Bequemlichkeit. Oder man sagt sich: Ich will die zumindest mit meinen Beiträgen unterstützen – ist ja gut, wenn Bücher herausgegeben werden (fällt ja irgendwie auch wieder auf die Branche zurück, in der ich arbeite) und es auch gut, wenn andere Leute fit sind (die können mir dann eines Tages über die Straße helfen). So war es auch mit der SPD. Die ersten Ermüdungserscheinungen hatte ich schon Mitte der neunziger Jahre.

Mir wollte partout nicht in den Kopf, warum man den Asylanten das Recht auf Asyl einräumte, gleichzeitig aber in die Verfassung schreiben musste, dass diese sich dann von Scotty direkt nach Deutschland beamen lassen musste. Dabei war jedem klar, dass die Leute überhaupt gar nicht das Geld hatten, auf die Enterprise zu kommen und dazu noch in der falschen Zeit lebten. So waren wir plötzlich vor Asylanten sicher. Aber das ist ja schon lange her, das hätte ich schon vergessen müssen. Aber nein, die SPD musste ja unbedingt mitmachen.

Tat sie dann übrigens kurze Zeit später schon wieder: Großer Lauschangriff. Auch bei dem Schlagwort »Unverletzlichkeit der Wohnung« hatte die SPD nicht aus der Vergangenheit gelernt und war der Meinung, bevor man im Populismus-Sumpf der CDU unterginge, planschte man doch lieber im Verfassungsänderungsteich fleißig mit. So eine Verfassung, wie wir sie haben, lässt sich ja schon mit Zwei-Drittel-Mehrheit ändern – leider gerechnet mit den Stimmen des Bundestages und nicht mit denen der Bevölkerung. Spätestens an der Stelle wurde einem schon ganz schummerig und man dachte sich: »Gut, liberal sind sie nicht mehr – aber wenigstens sozial.«

Aber das hatten die Genossen von der Partei dann auch irgendwann vergessen, waren aber zu abgelenkt, denn schließlich galt es Gesetze selbst zu entwerfen, die jedem links-liberalem Menschen (so würde ich mich mal einschätzen), einen Punker-Kamm schwellen ließ: Da durften plötzlich Flugzeuge abgeschossen werden, man ging hing und tauschte fleißig Daten mit Ländern aus, in denen gefoltert wurde, und und und.

Man zwang sich dann in eine Große Koalition, die einfach nur noch peinlich ist, verschliss den einen oder anderen Parteichef, fing an selbige zu recyclen, da das Material knapp geworden war und wählte dann noch einen Kanzlerkandidaten, der sich in seiner Zeit als zuständiger Minister nicht dafür erwärmen konnte, sich für deutsche Staatsbürger in Folterknästen einzusetzen. Total dufte!

Statt dessen feierte die Partei noch ein großes Hurra im letzten Jahr auf die Vorratsdatenspeicherung und man ist der Ursula auch noch auf dem Leim gegangen, als die anfing, Internetsperren zu forcieren.

Das Schlimme ist, man kann es noch nicht einmal der Partei vorwerfen. Sondern es trifft die Karrieristen an der Spitze der Sozialdemokraten: Opposition mag doof sein, ist aber in einer Demokratie notwendig. Wer nicht bereit ist, diese Aufgabe ebenfalls erfüllen zu wollen, sollte bei Wahlen gar nicht erst antreten. Ich werde am 27. September das Internet abschalten (ach, muss ich ja gar nicht – wir sind ja beim Konzert), und am 28./29. September frei nehmen – damit mir nicht zufällig eine Zeitung in die Hände fällt und ich das Geseire der SPD-Herrschaften über die verlorene Wahl lesen muss.

Wie man sieht, ist manche Trennung gar nicht so schlecht. Oder um es mit »Wir sind Helden« zu formulieren: Geht auseinander!