Heute war die Raterei fast noch spannender als gestern. Ich wusste ja wo es hingeht, aber es gab zwei Parameter, die die Reise wirklich spannend machten: Das Navi und die Landschaft. Während Susann noch im Bad war, hatte ich das Reise-Orakel befragt und das wollte uns über die Schweiz schicken. Ich kann ja manchmal geizig sein, und die Tatsache, Maut in erheblicher Menge zu bezahlen und dafür ein Land zu durchqueren, das wohl seine Reize hat, aber das ich in diesem Jahr nicht wieder sehen werden, das schmerzt gewisse Hirnzentren in mir. So habe ich dem Navi gesagt, das Ziel sei immer noch o.k., aber er möge mautpflichtige Straßen meiden.

Die Tour verlängerte sich so um drei Stunden, was happig klingt und fast für eine gerechte Strafe von Geiz herhalten kann. War es aber nicht, denn wir sind belohnt worden. Autobahnen sind toll, aber man kann nicht anhalten und einfach mal sagen: »Was, hier gibt es einen herrlichen Ausblick auf vier Seen. Na schön, dann biegen wir halt rechts ab.« Auf den »Umsonst-Straßen« kann ich das tun und dafür bin ich dann auch gern länger unterwegs.

Wen immer das interessiert: Die Jura-Region, die wir heute durchfuhren und bewunderten, ist sehr reizvoll und lockt uns zur Wiederkehr. Würde Susann nicht in jeder Region, die wir hier im Augenblick durchfahren, sagen: »Und wenn wir hier ein Häuschen hätten, hätten wir alles beisammen: Deutschland, die Schweiz, Frankreich und Italien.« würde ich das als schlagenden Beweis für die Jura-Region anführen. Aber so funktioniert das halt nicht.

Lange Zeit war Susann der Meinung, es würde in Richtung Süden gehen und kurzfristig zog sie auch Paris in Erwägung. Allerdings machte immer dann, wenn sie eine gewisse Gewissheit erlangt hat, das Navi einen Streich und führte uns eine andere Strecke entlang. So war ein ganz heißer Kandidat Genf gewesen. Ich habe sogar, gemein wie ich bin, Susann befragt, was sie denn alles über Genf wisse. Wir kratzten das zusammen und als sie dann meinte »Ich freu mich schon auf Genf.« ließ uns TomTom wieder eine Ausfahrt früher im Kreisverkehr nehmen und es waren Namen angeschlagen, die auf unserer Frankreich-Karte aufgrund von Unwichtigkeit nicht verzeichnet waren.

Die Temperaturen waren heute nicht so dolle. Meist 24 Grad Celsius. Da fällt mir noch eine Episode von gestern ein. Wir fuhren bei zehn Grad los und Susann machte es sich in ihrem Sitz schön kuschelig, sprich sie schaltete auch die Sitzheizung ein. Moderat, schließlich haben wir ja Spät-Frühling. Im Elsass hatten wir dann ja 30 Grad, was ich bei Hannover schon gut geraten hatte, eigentlich als falsche Spur, aber nun ja. Sie meinte im Auto sitzend, dass würde ja ganz schön warm sein, was natürlich nicht hinhaute, denn der Wagen war klimatisiert. Ich meinte nur, dass es vielleicht eine gute Idee wäre, endlich mal die Sitzheizung auszustellen. »Ach ja!«

Auf den kleinen Straßen, die wir hier heute durch die Gebirge sausten, immer in Richtung -hat das hatte ich ja noch gar nicht gesagt – Annecy, fuhren wir durch kleine Wälder. Als Nordlichter sind wir es gewohnt, immer mit Licht zu fahren, denn auf unseren Straßen wird uns eingebleut, dass mit Licht fahren, Leben retten kann. Franzosen sehen das ein wenig anders und vor nicht allzu langer Zeit, wurde man noch wild mit Lichthupe darauf aufmerksam gemacht, auf dass man das Licht ausschaltet. Das hat sich gelegt, vielleicht hat sich auch unter Franzosen herumgesprochen, dass man die Fahrzeuge besser sieht, wenn sie Licht anhaben. Wir düsten also so durch den Wald und in Wäldern ist es oft ein wenig düsterer. Susann meinte irgendwann zu mir: »Diese Franzosen! Die könnten ja wirklich mal Licht einschalten.« »Schatz«, meinte ich, »wenn Du die Sonnenbrille abnimmst, ist es vielleicht gar nicht so dunkel.« Wir haben also unseren Spaß!

In Annecy wohnen wir etwas außerhalb. Als wir auf den Parkplatz fuhren, bedauerte ich, dass ich das Ganze fest gebucht hatte und es auch schon bezahlt war. Der Bau sieht wie ein Albtraum aus einer Architekten-Irrenanstalt der siebziger Jahre aus. Man könnte auch sagen, da hat jemand Baucontainer gestapelt, und darum ein wenig Putz geschmiert. Im Inneren geht es aber und die Zimmer sind recht groß und angenehm ausgestattet. Man kann sich ein wenig besser wenden und drehen als in dem Hotel, dass wir in Strasbourg hatten.

Den Abend haben wir in Annecy verbracht, wo wir den See beguckten und uns Gedanken über die Regenwolken machten, die uns später nässen sollten, und sind durch die Altstadt geschlendert. Bei einem Italiener hat Susann das bekommen, was sie bestellt hat, während ich nicht bekommen habe, was ich bestellt habe, das aber trotzdem aufgegessen habe, da ich mir dann dachte: Ist ja vielleicht gesünder. Was wir nachher bezahlt haben, ist mir nicht ganz klar.

Nun sind wir anständig müde und werden uns alsbald zur Ruhe betten. Auf den Bergen ist noch Schnee und das mit Sonne muss schön werden. Außerdem haben wir entdeckt, dass aus der Ecke der Reblochon kommt, ein kleiner Käse mit großem Geschmack, der hin und wieder meinen abendlichen Weintrauben-Teller ergänzt.