Montag war nichts. Gestern hätte es schon was geben können. Aber ich komme heute erst dazu. Ich hoffe mal schwer, dass ich nicht all zu viel vergessen habe. Man wird ja nicht jünger…

Da dachte ich mir, dass ich mal nicht allzu früh in der Firma sein werde und machte mich um 8:15 Uhr auf den Weg. Zehn Minuten später war ich da und war mit zwei Problemen konfrontiert: Einen richtigen Portier gab es nicht, ein Sicherheitsmann sitzt an der Pforte. Der hat kein Namenverzeichnis und lässt jeden hinein, wenn er nur einigermaßen vertrauenswürdig aussieht: weiße Hautfarbe, schwarzes Hemd, iPhone in der Hand – schon hat man gewonnen. Im dritten Stock waren die Büros nicht, aber vielleicht im vierten. Dort war noch alles dunkel und sah so überhaupt nicht nach meinem Großraumbüro von damals aus. Als ein Stockwerk höher. Auch dunkel. Merkwürdig, die werden doch nicht schon einen Feiertag haben – schön wär’s. Aber es kam eine Dame aus der Tür und ich fragte, wo denn die IT-Abteilung wäre. „Hier“, meinte sie und ließ mich herein. Ach ja – ein Kartenlesegerät hatten sie auch angebracht, so dass man als Gast nicht mehr einfach herein kommt. Es sei denn man trägt ein schwarzes Hemd…

Alles umgebaut und Joey war nicht da. Sie war doch fast immer vor mir da gewesen, damals. Ich schaute nach jemanden, den ich fragen konnte, ob sie denn hier arbeiten würde. Als ich den fand, zeigte er mir den Arbeitsplatz und meinte, sie würde gegen neun Uhr kommen. Was auch hinkam.

Mittags ging es zu dem kleine Restaurant, an das ein Schneider angeschlossen war und welches in Deutschland völlig undenkbar wäre. Die Nudeln waren aber sehr lecker. Ich wurde auch meine Frage los, warum die Chinesen lange Schlangen vor den Schreibern bildeten, die rote Fähnchen beschrieben. Das wäre ziemlich speziell, sagte sie mir und das, was und wie geschrieben wird, hängt davon ab, in welchem Jahr man geboren wurde. Sie war überrascht, dass ich das gesehen hatte, und erzählte mir, dass sie am Sonnabend in einer solchen Schlange gestanden hätte. Da man den Eindruck bekommen könnte, dass das Neujahrsfest ein wenig wie Weihnachten ist, fragte ich, ob es denn Geschenke an dem Fest gäbe. Sie lachte, und meinte, nein, das wäre nicht so. Man würde sich Umschläge mit Geld zustecken. Nun ja, dachte ich, ist schon ein wenig so wie Weihnachten.

Die Neujahrs-Feierlichkeiten gehen über mehrere Tage. Das eigentliche Neujahr ist aber ein gesetzlicher Feiertag. Nonie, einem anderen glauben angehörend, versicherte mir, dass das auch für sie ein Feiertag wäre, an dem sie zu Hause bleiben dürfe.

Gestern gab am Vormittag einen gehörigen Lärm vor dem Gebäude. Bauarbeiter, dachte ich mir, und ging gar nicht weiter darauf ein. Nonie meinte, das wäre Musik. Das wiederum hielt ich für einen Witz. Ich sollte noch eines Besseren belehrt werden.

Mittags ging es dann zu einer Fress-Meile im Nachbarhaus, in der wir bei einem unserer letzten Besuche schon mal waren. Die Schlange bei dem Chinesen mit den Nudeln war ziemlich lang und irgendwann stand eine Angestellte am Ende der Schlange und schickte die Leute weg. Es war ein Curry mit Hühnchen.

Über die Abende schreibe ich mal nichts. Da ich zu einem Aquarium-Besuch nicht gekommen bin. Völlig undenkbar. Das wird wohl während dieses Besuches nichts mehr.

Heute vormittag gab es wieder diesen Lärm und ich guckte zum Fenster raus. Auf dem gegenüberliegenden Gelände, auf dem eine chinesischsprachige Zeitung hergestellt wird, fand eine Prozession statt, bei dem zwei oder mehr kostümierte Gestalten über das Gelände tanzten, begleitet von Trommlern, die einen ordentlichen Lärm machten. In dem Moment war ich ganz Tourist und stürzte zum Telefon, um ein paar Fotos zu machen. Da waren sie schon weg und ich wollte mit der Schulung weiter machen. Aber Joey meinte, komm lass uns runter gehen, da würde ich noch Fotos bekommen und besser schauen können. So schlimm war es mit mir dann aber doch nicht, oder fast, denn als ich gerade mich überwunden hatte, ihr zu folgen, meinte Nonie, die Gestalten wären wieder da. Ahh, meinte Joey, die roten Löwen. Die würden Glück bringen. Aber man müsste dafür bezahlen, dass sie kommen. Die würden nicht von allein kommen. Kann ich verstehen. Bei uns kommt ja auch so mancher Weihnachtsmann nur gegen Bares.

Lunch. Wir saßen in der Kantine der Firma. Joey meinte, gegen ein Uhr würde es voll werden. Irgendwann wurde es so voll, dass die Schlangen länger wurden. In einer Schlange erspähte ich blondes Haar. Ah, dachte ich, mutig gefärbt oder eine Ausländerin. Die Größe der Person sprach für Letzteres. Joey und ich saßen uns an einem quadratischen mit vier Stühlen gegenüber und unterhielten uns. Eine chinesisch-stämmige Frau und die Blondine kamen an unseren Tisch und fragten, ob sie sich setzen könnten. Ich weiß gar nicht, ob einer von uns wirklich ja gesagt hat. Ich war mit meinem norddeutschen Sozialisierungshintergrund noch damit beschäftigt, zu verdauen, dass überhaupt gefragt wurde, ob das möglich sei. Sie setzen sich zu uns.

Nun ist mein Englisch nicht so toll und das Englisch von Joey ist sicher perfekt, aber schwer zu verstehen, zumindest für mich. Wie jetzt noch ein Gespräch möglich sein sollte, war mir schleierhaft. Die Blondine fragte Joey, so sie denn arbeiten würde. Hier bei der Firma, antwortete Joey. Woraufhin unsere beiden Gäste erklärten, dass sie außerhalb arbeiten würde. Joey, wohl der Meinung, dass dies nur eine interne Kantine sei, fragte, wie sie reingekommen seien. Ich sah, dass Joey immer überraschter schaute. Und was mit mir sei, fragte die Blondine. Ich wäre aus Deutschland und arbeite hier für die Firma. Ach was, aus Deutschland, das wäre ja ein Ding, antwortete die Blondine auf Deutsch. Es stellte sich heraus, dass sie aus der Schweiz käme und nun seit Jahren in K.L. leben würde. Sie wäre ihrem Mann nach Malaysia gefolgt, der sie dann für eine Chinesin habe sitzen lassen. Nach der Story wandte sie sich wieder an Joey und erzählte ihr, dass sie ihrem Mann nach Malaysia gefolgt sei und er viele chinesische Freunde gehabt hätte, und sie immer nichts verstanden hätte. Weshalb sie chinesisch gelernt hätte. Wir rekapitulierten die Geschichte später noch einmal für Nonie und dabei kam heraus, dass sie den Part mit „für eine Chinesin verlassen“ Joey nicht auf Englisch erzählt hatte. Mir war doch so gewesen, als ob die Story nicht vollständig gewesen wäre. Wo ich denn wohnen würde, kam die Frage von den beiden Damen. Gardens Hotel, Mid Valley. Sie freuten sich für mich. Wie käme ich denn zur Arbeit – mit dem Taxi. Nein. Ahh, mit dem Bus? Nein, zu Fuß. Was?, hieß es, das wäre ja viel zu gefährlich. Die ganze Kriminalität, das könne man nicht machen, ständig passiert was. Sie wäre schon mehrmals überfallen worden. Alles würde einem abgenommen werden. Wenn man nichts heraus rückt, dann würden die böse werden, schließlich hätten sie ja lange Messer; und wenn man nicht hat, flocht die Begleiterin ein, würden die auch böse werden. Bisher sein nichts passiert, meinte ich. Völlig gefährlich, ich solle das sofort ändern. Joey meinte, es wäre ja nur noch Donnerstag und Freitag.

Bei der Rekapitulation des Gesprächs für Nonie meinte Joey: „Und dann sagen sie Oliver, dass er Bus und Taxi nehmen soll. Als ob das besser wäre!“