Irgendwann war es dann genug: Im Bett liegen und darauf hoffen, dass der Schlaf noch einmal kommt, brachte es nicht. Unter der Dusche, dessen Nass wasserfallartig auf mich herabstürzte, kamen mir schon die ersten Zweifel. Ich gähnte wie ein Weltmeister, war mir aber sicher, dass – würde ich mich noch einmal betten – es aber nichts bringen würde.

... mit dem Wahrheitsgehalt hapert es noch ein wenig.

… mit dem Wahrheitsgehalt hapert es noch ein wenig.

Also war Frühstück angesagt und dann marschierte ich zur S-Bahn. Die Ticket-Automaten funktionieren im Augenblick nicht, weshalb man sein Zettelchen am Schalter kaufen muss. In Mid Valley ist das an einem Sonntag-Morgen kein Problem. In KL Sentral sah das später schon ganz anders aus. Die Anzeigen haben sie ausgetauscht. Ganz modern jetzt mit Werbefläche, auf dem Videos aus dem Aquarium liefen. Allerdings wird immer noch davon ausgegangen, dass die Züge pünktlich kommen. Er warnte eine Minute vor der planmäßigen Ankunft, dass der Zug käme und man Vorsicht walten ließe. Nur der Zug kam nicht. Nach der planmäßigen Abfahrtszeit wurde dann der nächste planmäßige Zug angezeigt. Das war vor drei Jahren auch schon so, nur mit veralteter Technik.

Ich lief den Vormittag durch die Stadt. An KL Sentral hatte ich noch die Idee, ich könnte ja Hop On-Hop Off machen. Allerdings zeigte mir die Werbung, dass ich die meisten Attraktionen in der Vergangenheit schon gesehen hatte. So ging es von dem Bahnhof neu zum Bahnhof alt und von dort nach Chinatown. Da war ich zwar auch schon gewesen, aber nur bei Regen. Jetzt sah ich das mal bei Tag und trocken. Das hatte auch was. Ich war auch in Little India und bin durch die Straße marschiert, wo wir damals viel zu viel gegessen hatten. Bei Tag wirkte das ganz anders, überhaupt nicht aufregend. Eine normale Straße.

Demnächst ist chinesischen Neujahr – ich erwähnte es gestern schon. Es ist in den Malls und auf der Straße nicht nur alles geschmückt, es gibt auch die verschiedensten Aufführungen – eine Trommler-Gruppe habe ich schon gesehen und getanzt wurde auch recht viel. Alles ist rot geschmückt. Ich war in einem chinesischen Tempel und dort standen Menschen Schlange, um sich von Glückssprüche auf rote Papier-Schlangen schreiben zu lassen. Im Tempel waren es etwa dreißig Leute, die anstanden. Später auf der Straße sah ich eine Menschenschlange, die ich auf etwa hundert schätzen würde. Das um die Mittagszeit und bei strahlend blauem Himmel. Wir haben um die dreißig Grad, so dies gewiss kein Vergnügen war. So sahen die Leute nicht aus.

Jeder hat hier ein Smartphone oder Handy. Manche können sich in der Bahn nicht festhalten, weil sie Daten von einem Gerät zum anderen übertragen müssen. Warum es bei dieser Dichte an Gerätschaften, keinen Webservice für die Generierung von roten Papier-Schlangen mit anschließendem Versand gibt, verstehe ich nicht. Vielleicht müssen sie ja handgeschrieben sein, vielleicht muss man die Wünsche auch persönlich vortragen.

Wenn man durch deutsche Innenstädte und Malls zieht, hat man ja oft das Gefühl, es gibt noch nur noch Mobilfunk-Anbieter und ihre Filialen. Das relativiert sich, wenn man hier in Kuala Lumpur ist. An jedem Eck und in jeder Straße gibt es gefühlt mindestens ein Laden, in der Mall neben den Flag Ship-Stores noch Stände, die Mobilfunk-Verträge und -Produkte anbieten. In den Restaurants gibt es durchaus Paare, bei denen hatte ich das Gefühl, die würden miteinander telefonieren und nicht direkt mit einander sprechen.

Ist es respektlos zu sagen, dass es auch Moscheen wie Sand am Meer gibt. Es trifft es ganz gut. In Istanbul war der Ruf zum Gebet nach meinem Empfinden lauter. Das mag auch der sehr hügeligen Lage geschuldet sein und einen Vorteil für die Muezzin in Istanbul sein. Nachdem ich schon in Tempeln war, sah ich eine ansprechende Moschee. Ich war noch vor der Schließzeit da. Ich wurde von einem Mann abgefangen, der mir freundlich und bestimmte den richtigen Weg zeigte. Er kam mit den in den Gebetszahl, stellte noch einen Ventilator an und meinte, ich könne fotografieren und erzählte mir, dass es sich bei der Masjid Albukhary-Moschee um die jüngste der Moscheen in der Stadt handeln würde. Auf dem Weg zu meinen Schuhen kam mir ein anderer Mann, ein wenig älter und boss-mäßiger wirkend, begrüßte mich mit Handschlag. Er gab mir Informationen zum Islam als Broschüren mit auf dem Weg. Ich wollte in seinem Hause nicht unhöflich sein, aber der Islam interessiert mich in religiöser Hinsicht genauso wenig, wie jede andere Religion. Er bat mich um einen Eintrag in das Gästebuch der Moschee und da man keine EMail-Adresse angeben musste, sah ich darin auch kein Problem.

Gegen Mittag wurde es mir dann zu warm, ich erinnerte mich, sowohl Basecap wie auch Sonnencreme im Hotel gelassen zu haben. Man soll sein Glück nicht überstrapazieren und da ich so richtig wach auch noch nicht war, nahm ich Abschied vom Bekannten und Vertrauten und zog mich in das Zimmer zurück.

Mittagsschlaf war das Zauberwort, immer eine gute Idee für einen Herren im gesetzten Alter. Der Plan: Anderthalb Stunden schlafen und dann zum Aquarium. Nachdem ich Dank der Unpünktlichkeit der S-Bahn schon soviel von der Attraktion auf dem Screen gesehen hatte, war ich doch neugierig. Dem stand entgegen, dass ich irgendwann die Vorbeter hörte und das war ein sicheres Zeichen, dass es meinem Entdeckergeist nicht gelungen war, meinen Körper mit dem Argument zu überreden, dass ein Aquarium eine spannende Angelegenheit ist. Schließlich hätte mein Körper, auch Dank meiner Frau, jedes nur erdenkliche Aquarium auf der Welt besichtigt. Da dürfte dieses nicht fehlen. Dieses Argument nahm der Körper nicht zur Kenntnis, erst der Ruf zum Gebet ließ, öffnete den Geist und auch ein wenig den Körper, wenn auch nur in Form eines Auges, der auf dem Wecker die Zahl „4“ erspähte und damit eine Response in Form von „Es ist vier Uhr. Auch egal.“ erzeugte, womit das Auge sich schloss und der Geist den Körper in Ruhe ließ.

Bis um fünf Uhr, da meldete sich mein schlechtes Touristen-Gewissen: „Du muss noch was gucken, der Tag soll nicht umsonst gewesen sein!“ und ich entschloss mich auf die gegenüberliegende Seite zu den Blocks zu gehen und vielleicht den Fluss ein wenig zu erkunden.

Eigentlich gab es nichts zu erkunden. Drei Erkenntnisse durfte ich gewinnen. Erstens: Die Blocks sind wie eine Insel, die durch Straße, Bahnlinien und Fluss eingeschlossen sind. Nur zwei Brücken bilden die Verbindung zur Außenwelt. Zweitens: Die Leute sind sehr nett. Das ist einfach so. Interessanterweise leben in diesen Blocks die echten Malaien. Ich habe keine Chinesen oder Inder gesehen. Das ist schon ein wenig Ghetto-Bildung. Drittens: Vor einiger Zeit ging ich vor unser Haus in Mühbrook und an mir fuhr eine Frau schwarzer Hautfarbe vorbei. Mir fiel in dem Moment nichts Besseres als „Schau an!“ ein. Ich ging also um die Blocks und auch mal durch die Restaurant-Zeile der Einheimischen an diesem Fluss, und viele Blicke besagten: „Schau an!“ Das ist keine Einbildung. Hinter mir war keiner und wenn sich komplette Tische umdrehen, nach dem Motto: „Da kommt ein Tourist!“, dann weiß man, dass man selbst gemeint ist und hofft nur, dass man nicht irgendwie stolpert oder einem ein ähnliches Missgeschick passiert. Wahrscheinlich dachte die Fahrradfahrerin, mit der in unserem lütten Dorf eher unüblichen Hautfarbe damals auch nur: „Fall ja nicht runter! Fall ja nicht runter!“

Ich traute mich nicht, da zu essen. Ein Kollege, der mit der dortigen Kultur aus familiären Gründen sehr vertraut ist, hatte mir davon mehr oder weniger abgeraten. Hinzu kam, dass ich überhaupt gar keinen Plan gehabt hätte, was ich denn genau zu Essen bekäme und ich bin bekanntermaßen ein wenig mäklig.

Nicht, dass es mir bei T.G.I. Fridays viel besser ergangen wäre. Ich erkannte das Essen wieder, ja, bei Steak kein Kunststück. Aber dass es nun ziemlich lecker gewesen wäre, kann ich nicht behaupten. Das Bedarf erstmal keiner Wiederholung. Ich erspähte noch einen Italiener auf dem Weg durch die Mall. An der Rezeption, wo ich mir die Karte betrachtete, wurde ich freundlich von einer Einheimischen mit „Buona sera!“ begrüßt. Da fühlt man sich fast schon wie zu Hause. Ich werde es wohl mal ausprobieren, vielleicht ja auch mal das Essen am Fluss.