Da ich schon erwähnt hatte, wie warm es hier ist, lasse ich das heute mal. Anfangs dachte ich noch, dass das stete Ersteigen des Berges die Kondition verbessern würde und man dann auch weniger schwitzt. Heute bin ich zweimal runter und rauf, es geht sicher leichter, der Transpiration tut es aber kein Abbruch. Was für ein Glück, dass sich die Schule im Tal und nicht auf dem Berg befindet, sonst müssten die noch Duschräume einrichten.

Die Schule hat einen Pool, in dem Wasser ist, welcher gepflegt wird und so eine Umwälzpumpe im Gange ist – ich habe da aber weder Lehrkraft noch Schüler drin gesehen. Aber er ist halt auch ziemlich mini. Wir haben auch einen Brunnen mit Goldfischen im Schulhof stehen. Der ist aber wirklich nur Zierde da. Was ich nicht weiß, ist, ob den japanischen Schülern vorher gesagt wird, dass die Fische nicht für Sushi gedacht sind.

Heute war Beginn der zweiten Woche. Und wir, die wir schon da waren, die die (mindestens) eine Woche mitgemacht haben, waren jetzt die Wissenden und konnten ihr Wissen teilen. Ein zugegebenermaßen lustiges Gefühl. Die beiden Kollegen, die die Klasse verlassen wollten, sind in die Klasse zurückgekehrt. Eine weise Entscheidung, denn eine homogene Gruppe verlässt man nicht so leicht. Nächste Woche wird es wieder anders, denn zum Wochenende hin verlassen drei Mitschüler die Klasse und machen noch ein wenig Ferien oder fahren nach Hause. Ein Kommen und Gehen, so ist das hier.

Wer hier ankommt ist, ist schon leicht paranoid. Von unserem Klassenzugang wurde ich gefragt, ob man denn gleich am Geldautomaten überfallen wird, wenn man Geld abgeholt hätte. Nun, ganz so leicht wird es einem nicht gemacht, man muss sich schon ein wenig Mühe geben. Es erinnert ein wenig an die Geldautomaten-Szene aus »L.A. Story«, in dem sich nach dem Geldautomaten der Räuber höflich vorstellt und seinen Anteil verlangt, der ihm höflicherweise auch ausgehändigt wird. Im Wegblenden sieht man, dass es eine Schlange für die Geldabholer gibt und eine für die Räuber.

Am Anfang der Woche muss man sich immer vorstellen und heute nannte ich mein Alter. »Fishing vor Compliments«: Nein, Du sieht eher wie 26 aus. Danke! Hört man hin und wieder schon ganz gern.

Nach der Grammatik haben wir zwei Stunden Skills. Heute organisierte unsere Lehrerin einen Guestspeaker, für mich einen alten Bekannten. Er betrat den Raum, sah mich und begrüßte mich auf die Township-typische Art und Weise, die sich hier nicht beschreiben lässt. Es war Jethro, unser Führer durch die Townships vom vergangenen Donnerstag. Er ist, und das würde er nicht als Beleidigung auffassen, ein wenig craszy. Da wir in der Grammar-Lektion uns mit Obdachlosen und Armut beschäftigt hatten, dachte ich mir, dass würde vielleicht zu dem Thema passen. Andererseits weiß man, soviel hatte ich bei unserem Township-Besuch schon mitbekommen, nie, wass Jethro machen wird. Er singt, er rezitiert, er erzählt die Geschichten auf seine Art und Weise und selbst wenn er übersetzt, weiß man nicht, ob die Geschichte, die er übersetzt hat, viel mit der Vorlage zu tun hat – aber Letzteres ist nur ein Gefühl, weil er mit ganz anderen Betonungen arbeitete und eine andere Mimik aufsetzte, als derjenige, dessen »Gerede« (nicht in einer negativen Auslegung) er übersetzte.

Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, ich hätte alles mitbekommen, was er erzählt hätte. Da war ich aber, später habe ich nachgefragt, wirklich nicht allein. Für meinen Geschmack hat er viele Sätze mit »but« beendet, und ich wartete auf die Fortsetzung, die aber nie kam. Stattdessen ging Jethro zu einem anderen Thema über, fing an zu rezitieren oder sang und etwas vor. Er hatte eine dicke Mappe mit dabei, und auf der ersten Seite war ein Bild vom Lionshead zu sehen, dessen mythische Geschichte er uns erzählte. Jethro berichtete von Sonne und Mond und von der Wirkung auf den Berg, von der Wirkung auf Kapstadt. Dann ließ er sich von Anna, unserer Koreanerin, das Geburtsdatum geben und verriet ihr, wie sie sei. Das ging dann reihum. Er wollte dass anhand des Geburtsdatums festmachen, aber nicht im astrologischen Sinne, sondern in dem er Summen aus den Geburtstagszahlen bildete. Sagte einer 30. November, pfiff er leise vor sich hin und fing dann an zu erzählen. Es war ganz und gar nicht bequem, was er zu erzählen hatte. Sagte man ihm, dass er falsch läge, nahm er es gelassen hin (was aber auch nur einmal vorkam). Vielleicht glaubte er den Zahlenzauber wirklich, aber ich glaube vielmehr, dass er ein erstklassiger Menschenkenner ist, anhand der Gesten, der Kleidung, der Art der Sprache erkennt, mit wem er es zu tun hat. Unser ganz und gar zauberhaften Brasilianerin sagte er auf den Kopf zu, sie wäre herrisch. Da haben wir ziemlich lang im Wörterbuch nachgeschlagen, bis wir das Wort, das er verwendet hatte, gefunden hatten. Vielleicht ist ja was dran? Ich habe keinen großen Protest hören können.

Den Rest seiner dicken Mappe haben wir nicht zu sehen bekommen. Ich glaube, für die Lehrerin, die ihn hin und wieder engagiert, ist es auch jedesmal eine Überraschung, was er später in seiner Klasse so treibt. Auch über sie verlor er ein paar Worte, was den Rest der Klasse wirklich amüsierte.

Ach ja, die Brasilianer. Da fällt mir noch was ein: Sie reden die Lehrer mit »Teacher!« an. Unsere Lehrerin hat sich dagegen verwahrt, aber es scheint ihnen nach Jahren der brasilianischen Schulen so im Blut zu liegen.

Unsere Konversationsklasse hat sich auch gefüllt. Waren wir am Freitag nur noch zu dritt, einschließlich Lehrerin, waren wir heute zu acht (wiederum einschließlich). Wie Freitag mit Catalina, die reizende Psychologie-Studentin aus Chile; wie vergangene Woche recht oft mit Olaf, der den Table Mountain von jeder möglichen Seite besteigt und diversen neuen Gesichern. Darunter ein Brasilianer und der Rest sind Deutsche. Wiederum eine gute Gelegenheit die deutsche Sprache zu lernen. Worin der Sinn liegen soll, so große Konversationsklassen zu bilden, bleibt aber das Geheimnis von Cape Studies.

Enttäuschend auch, dass es keinen Privatuntericht für mich gibt. Ich ärgere mich aber nicht darüber. Dann gebe ich das Geld dafür halt nicht hier aus, sondern in Deutschland. Das bringt unser Sozialprodukt wieder auf Vordermann. Eine Adresse habe ich mir schon rausgesucht, mal schauen, ob der Kontakt klappt. Weiß ich mehr, berichte ich mehr. (Ich könnte natürlich auch Unterricht bei Susann nehmen, aber seine eigene Ehefrau so zu missbrauchen, ist wohl nicht das Wahre.)

Ich kam dann ziemlich erschöpft zu Hause an und legte mich erst einmal ein Weilchen hin, las in meinem Buch und schlief darüber ein. Wachte auf, las es aus und dann ware es auch schon kurz vor sieben Uhr. Das ist eine gute Zeit sich darüber Gedanken zu machen, wo man am Besten essen geht. Mir war ein Chinese empfohlen worden, den wollte ich mal aufsuchen und mir was mitnehmen. Blöderweise hatte der heute zu, dass es doch wieder nur bei einem Joghurt blieb und Weintrauben blieb. Ich habe für den Trupp hier eine Familienpackung Eis mitgebracht, da sie aber noch nicht zu Abend gegessen hatten, war ihn nicht danach. Danach gab es auf der Terrasse das übliche Palaver.

Wir hatten ganz unterschiedliche Themen. Am Sonnabend ist eine Party mit einer lokalen Gruppe. Da fiel der Satz: »Vati kommt auch mit!« Ich begriff gar nicht so schnell, wurde aber frech angegrinst: »Meinst Du mit “Vati” mich?« »Wen sonst?« »Danke!« Ich wurde auch gefragt, ob es mir in der Unterkunft gefallen würde. »Klar«, sagte ich, »ist doch auch mal schön, unter jungen Leuten zu sein.« Worauf gesagt wurde, so alt würde ich ja wohl nicht sein, höchstens achtundzwanzig. Das hört man dann schon ganz gern, worauf sie wieder auf den Bart zurückkamen und meinten, der müsste weg. Zumindest meinten die Frauen dass. Hört man ja häufiger, aber die Ehefrau hat da halt das letzte Wort. »Die ist ja weit weg! Der Bart macht Dich älter.« Wohl war, ist eine gute Möglichkeit sich Autorität zu verschaffen, das braucht man manchmal. Wenn mich der Bart noch jünger macht, dann muss ich in Clubs bald wieder den Ausweis vorzeigen. Ist ja auch nicht das Wahre, zumal ich selten ein dabei habe.

Das mit meiner Safari und der Cap-Tour bleibt wohl ein Geheimnis. Jenny von Cape Studies hat sich dahinter geklemmt und nur soviel herausbekommen, dass es ihnen leid tut und ich, wenn ich Tour am nächsten Wochenende buche, einen kleinen Nachlass bekomme. Was macht man da?